Stachelbeere, Honigmelone oder Cassis: In den Hopfenanbaugebieten der Welt werden immer mehr Aromasorten gezüchtet, die mit neuen Duft- und Geschmackskompositionen die Craft-Fans begeistern und den Biermarkt aufmischen
Für Michael Forster ist die Craft-Bewegung im deutschen Biermarkt ein ganz besonderer Glücksfall, wie er ihn in seinem langen Berufsleben noch nicht erlebt hat. Der engagierte Hopfenbauer aus Tettenwang im Herzen der Hallertau gilt mit seinem „HopfenErlebnisHof“ – inklusive Museum und zünftigem Gasthof – als einer der innovativsten Macher seiner Zunft. Forster war angeblich der erste, der die neue Flavor-Sorte „Hüll Melon“ anpflanzte und er gilt auch als Pionier bei der brandneuen Sorte „Callista“, die gerade Hop-Heads rund um den Globus verzückt. Solche Innovationen machen den Bayern zu einer Zentralfigur einer neuen Bewegung: „Die Nachfrage bei neuen Aromahopfen“, so Forster, „entwickelt sich so rasant, dass wir unsere Flächen deutlich ausbauen müssen.“
Während in der Hopfenbranche bislang überwiegend anonym hinter den Kulissen von Großbrauereien geackert wurde, gerät das Produkt ehrgeiziger Landmänner jetzt immer mehr ins Rampenlicht. Das grüne Gold ist plötzlich zentrales Thema von Fernsehspots und ganzen Werbekampagnen. Vor allem neue Sorten von Aromahopfen, erfreuen sich ungebrochener Beliebtheit. Amerikanischen Anbaugebiete registrieren für sogenannte Flavor-Hops mit ausgeprägt fruchtigen Aromen inzwischen schon rund vierzig Prozent ihrer Gesamtfläche. Nach jahrzehntelange Erstarrung wachen nun auch hierzulande immer mehr Anbauer auf. Das bestätigt auch Johann Pichlmair, Präsident des Verbandes Deutscher Hopfenpflanzer: „Die Craft-Bierszene ist zurzeit die treibende Kraft für den Hopfenmarkt.“
Es scheint, als würde eine ganze Branche im Hopfenfieber liegen. Der Virus kam aus den USA. Aber schon frühzeitig konzentrierten sich Experten im Hopfenforschungszentrum Hüll bei Wolnzach auf spezielle Kreuzungen, um innovativen Brauern ein neue Spielwiese zu bieten. Allein im vergangenen Jahr wurden in Hüll 72 Kreuzungen durchgeführt. Dabei setzen sich die bayerischen Züchter exakte Ziele. Sie wollen einerseits weiterhin klassische Aromasorten mit hopfentypischen Ausprägungen sowie robuste und leistungsstarke Hochalphasorten erzeugen. Andererseits müssen sie immer mehr hungrige Jungbrauer mit Züchtungen von fruchtig-blumigen „Special Flavor-Hopfen“ bedienen.
Den Ton im Orchester der Hopfenbauer geben heute Leute wie Michael Forster an. Den ersten Ertrag von Callista, seiner jüngsten Sorte, bekam Craft-Star Oliver Wesseloh von der Kreativbrauerei Kehrwieder in Hamburg, den er sofort in den Kessel für seine beliebte Single Hop-Serie stopfte. Nach dem Urteil des Nordmannes bringen die großen, länglichen Callista-Dolden fast schon einen Mulitvitamin-Cocktail ins Glas. Eine komplexe Frucht-Aromatik zeigt Noten von Stachelbeere, Aprikose, Maracuja und roten Beeren. Auch Wesselohs Brauerkollege Stefan Hanke von Craftwerk Brewing aus Bitburg brachte einen Craft-Stoff mit dieser Hopfensorte in die Regale. „Mad Callista“ heißt sein Session Lager mit zwar nur mageren 3,9 Prozent Alkohol, aber dennoch sehr attraktivem Aromaspiel. „Callista könnte der deutsche Amarillo-Hopfen werden“, zeigt sich Wesseloh von der neuen Kreuzung begeistert. Amarillo gilt als eine der derzeitigen Trend-Sorten bei US-Brauern.
Inzwischen kann man der deutschen Hopfenszene nicht mehr mangelnde Innovationskraft vorwerfen. Hocharomatische Dolden von Mandarina Bavaria, Hüll Melon, Polaris und Hallertauer Blanc, die erst in den vergangenen Jahren aus der Taufe gehoben wurden, sind inzwischen selbst in der amerikanischen Kreativszene hochgefragt. Neue Hopfenvarianten stehen bereits in den Startlöchern. Seit dieser Brausaison freuen sich Sudzauberer auch über eine weitere deutsche Sorte namens „Ariana“. Sie aromatisiert Biere mit den blumigen Nuancen des Dauerblütlers Geranie, aber auch mit Fruchtnoten von Grapefruit, Zitrone, Cassis und Stachelbeere. Sie verfügt aber auch über einen ziemlich hohen Alphasäuregehalt. Das heißt: „Ariana“ bringt nicht nur Geschmack, sondern auch ordentliche Herbe.
Wer als erster Brauer mit dieser Hopfenzüchtung experimentieren wird, steht noch nicht fest. Dafür verfeinerte kürzlich erst Simon Roßmann vom Giesinger Bräu seinen Barley-Wine namens „Sternhagel“ mit einem Hopfen, den bislang noch nicht einmal ein Name, sondern nur eine Nummer ziert: „10/4/16“ – ein Zuchtstamm vom Hopfenhändler „Hopsteiner“ aus Mainburg. Dabei geht es um die Kreuzung eines hauseigenen, männlichen Stammes sowie aus dem Bitterhopfen „Bravo“, der mit einem kräftigen Aroma und harzigem Kiefercharakter ausgestattet ist. „Das ist eine echte Geschmacksbombe mit einer ganz besonderen Aromastruktur“, freut sich Roßmann über seinen Treffer.
Wer neue Aromasorten als erster ergattern kann, poliert damit auch sein Kreativ-Image und sorgt für Aufmerksamkeit in der Community. Neuzüchtungen kommen derzeit aber nicht nur aus den traditionellen deutschen Hopfengebieten. In Ostdeutschland fördern Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt beispielsweise gemeinsam die Züchtung neuer Sorten in einem Test-Anbaugebiet auf den Feldern bei Monstab im Altenburger Land. Hopfenbauer Christian Berthold hat vor zwei Jahren begonnen, dort vier aromareiche Sorten anzubauen, die er konkurrenzfähig zu den beliebten US-Hopfen machen will. Mehr verrät er noch nicht.
Mit dem anhaltenden Craft-Boom in den USA werden Neuzüchtungen des grünen Goldes in der Bierszene inzwischen gefeiert wie neue Präsidenten. Vor allem aus dem Yakima Valley im Bundesstaat Washington, dem zweitgrößten Anbaugebiet der Welt kommen neue Aroma-Hopfen wie etwa der „HBC 431“. Diese herbe Sorte mit starken Zitrusnoten und kräuterigen sowie erdigen Aromen liegt derzeit angeblich im Geschmackstrend amerikanischer Hop-Heads. „Lorel“-Hopfen, eine weitere US-Kreuzung geht in die gleiche Richtung, allerdings untermalt von blumigen Komponenten. Er entspringt einer Züchtung aus den Sorten Glacier und Nugget.
Auch Down Under legt ein neues Hopfen-Modell vor. „Enigma“ heißt das australische Konstrukt, das vom deutschen Tettnanger abstammt, aber deutlich mehr Fruchtnoten bietet. Das Aroma-Rad zeigt Nuancen von Grauburgunder-Trauben. Wer sich auskennt, schmeckt aber auch Himbeere und Johannisbeere heraus und schnuppert den Duft von Honigmelone. „Enigma“ wurde zwar schon 2014 freigegeben, ist aber hierzulande kaum zu bekommen und deshalb noch relativ unbekannt.
Mit der steigenden Nachfrage nach dem neuesten Hopfen-Kick sind die jungen Craft-Brauer mit einem neuen Problem konfrontiert. Unter vielen anderen stöhnt auch Kolja Gigla, Gründer der Mashsee-Brauerei in Hannover: „Für manche Flavor-Sorten müssen wir schon Schlange stehen und Preissteigerung im zweistelligen Bereich sind derzeit an der Tagesordnung.“ Diese Preisexplosion führt dazu, dass bekannte Craft-Brauer schon ihre Rezepte anpassen, um mit günstigeren Sorten zu brauen. Und daran sei nicht nur die schlechte Ernte von 2015 schuld. Thomas Raiser von Hopfen-Weltmeister Barth-Haas, gibt indes Entwarnung: „Durch die Flächenausweitungen in Deutschland und den USA erwarten wir eine gewisse Entspannung im Markt und hoffen auf ausreichende Verfügbarkeit von Aroma- und Flavor-Hopfen aus der Ernte 2016“.
Erschienen im Craft Magazin.
Liebe Mareike, schöne Zusammenstellung, darf ich nur anmerken, dass der Hopfenerlebnishof in Tettenwang nicht in der Hallertau, sondern in Franken liegt? Ist von hier aus nämlich eine kleine Meile zu fahren 😉 liebe Grüße von Doris