Schräge Biere: Wilde Wurzeln

Saison, Sauerbier oder spontanvergorene Sude: Immer mehr Brauer setzen bei ihren Bieren auf saisonale Rohstoffe. So wundert es kaum, dass häufiger auch Rote Beete als Wintergemüse in den Sudkesseln für eine knallrote Farbe und besonderes Aroma sorgen.

Credit: Appenzellerbier

Neben Regionalität und Nachhaltigkeit wird immer mehr auch Saisonalität zum Thema für die Macher vieler Brauereien. So erstaunt es wohl kaum, dass Crafties alle möglichen Alternativen passend zur Jahreszeit als Zutat in ihren Suden ausprobieren. Ein beliebter Rohstoff scheint derzeit die Rote Beete zu sein. Das heimische Superfood gilt als wahrer Vitamin- und Mineralstoff-Lieferant. Zudem sorgt es für ein spezielles Aroma und ein attraktives Farbspiel.

So ist das Wintergemüse gerade immer häufiger in vielen Bierstilen, meist aber in Sauerbieren oder Wild Ales, von internationalen Brauern zu finden. In den Kesseln landet die rote Rübe als Saft, als Essenz oder als ganze Knolle, die bei der Gärung oder zum Stopfen hinzugegeben wird. Bei diesen ungewöhnlichen Suden handelt es sich meist um limitierte Abfüllungen. Manche Brauereien legen ihr Rote Beete-Bier aber auch gern als Jahrgangsedition auf.

Fans der Brauerei Locher aus Appenzell in der Schweiz sehen etwa das 2,4-prozentige „Root Beer“ als eines ihrer jährlichen Highlights. Diese dunkelrote Spezialität, die es seit 2019 wiederkehrend in den kalten Monaten gibt, ist für den speziellen, sanft bitteren Geschmack bekannt, den sie durch den erweiterten Einsatz diverser Wurzelessenzen und Bitterorangen bei der Gärung erhält. Das lieblich schmeckende Biermischgetränk soll laut Herstellern hervorragend zu Pilz- oder Wildgerichten passen.

Für saisonale Speisen ist auch die Küche in Litauen bekannt. Eines der bekanntesten Gerichte ist „Saltibarščiai“, eine kalte Rote Beete-Suppe. So dachten sich die Macher der Brauerei Sakiškių alus aus Vilnius, diese traditionelle Speise in Form eines Bieres in die Flasche zu bringen. Das „Sour Beetroot Ale“ mit schlanken 3,5 Prozent Alkohol zeigt sich in einer tiefroten Farbe und präsentiert neben dem erdigen Aroma der Wurzel auch eine sanfte Zitrusnote. In die Sudkessel kam für den charakteristischen Geschmack jede Menge Rote Beete-Saft.

Wer es noch etwas spezieller wünscht, der findet einmal im Jahr im Portfolio der niederländischen Brauerei Nevel Wild Ales die Sorte „Aard“. Dabei handelt es sich um eine Mischung aus fassgereiften Golden Sours, versetzt mit roter Beete und hausgemachtem Kwas, einem slawischen, fermentiertem Brotgetränk, das zusätzlich noch mit Absinth aromatisiert wird. Die aktuelle Charge legt ein erdiges, leicht säuerliches und weinartiges Aroma vor, zu dem sich fruchtige Noten von roten Beeren gesellen.

Neben Nevel Wild Ales, Sakiškių alus und der Brauerei Locher wagten sich auch schon andere renommierte Craftbrauer an das rote Powerfood im Glas. So etwa die Mannschaft von Pühaste aus Estland, die eine knallrote Baltic Gose mit Roter Beete, Quitte und Meersalz namens „Beetbox“ auflegt. Auch Mikkeller aus Dänemark versuchte sich bereits an einem spontanvergorenen 7,7-prozentigen Sauerbier mit dem vitaminhaltigen Wintergemüse.

Inzwischen trauen sich aber auch deutsche Kreativbrauer an Biere mit Roter Beete. Die Brauerei Bunthaus aus Hamburg produzierte unlängst ein Saison mit Sternanis das mit der Trend-Rübe gestopft wurde. Bekannt für wilde Experimente ist auch Felix vom Endt von Orca Brau aus Nürnberg. In seiner Wildfang-Serie präsentierte er jüngst ein siebenprozentiges Wild Sour Saison, das eineinhalb Jahre im Tank reifte und durch Zugabe von Kirschen, Roter Beete und Meerrettich ein höchst ungewöhnliches Aromaspiel erzielte. Dem saisonalen Rübenwunder sind offensichtlich keine Grenzen gesetzt.

Erschienen in der letzten Ausgabe des Meininger’s CRAFT Magazins für Bierkultur.

Schräge Biere: Wahres Zuckerschlecken

Egal ob Stout, India Pale Ale oder Sauerbier: Immer mehr Craftbrauer geben jetzt Laktose in ihre Biere, um ein besonderes Aroma und ein spezielles Mundgefühl zu erzeugen. Bei diesem Trend sind auch deutsche Macher ganz vorne mit dabei.

Wer hätte gedacht, dass es auch mal Biere geben wird, die einen Teil von Biergenießern einfach ausschließen. Craftbrauer packen jetzt gern auch mal Laktose in ihre Sude, um ein besonders cremiges Mundgefühl zu erzeugen. Wer allerdings eine Intoleranz gegen den süßlichen Milchzucker besitzt, der muss auf solche Biere verzichten oder beim Genuss so manche Probleme in Kauf nehmen, von denen Magen- und Darmbeschwerden wahrscheinlich noch die geringsten sind.

Beim Konsum von Bieren mit Laktose ist für einige Konsumenten also äußerste Vorsicht geboten. Fest steht: Es stehen immer mehr solcher Sude in den Regalen der Craftbier-Dealer und der Inhaltsstoff ist meist nur bei einem Check auf die Zutatenliste erkennbar. Brauer setzten den Milchzucker jedoch nicht erst neuerdings etwa in Milk Stouts, Sweet Stouts oder Cream Stouts zum Süßen ein. Jetzt kommt er vermehrt auch bei Sauerbieren und India Pale Ales in den Sud. Wichtig dabei ist: Laktose ist ein Zucker, der durch die Hefe nicht vergärbar ist. So gleicht die sanfte Süße bei Sours etwa die Säure aus. Bei IPAs bringt sie überwiegend eine cremige Textur auf die Zunge und kompensiert die Hopfenbittere. In einigen Sorten zeigt sich die Laktose auch mit einem milchähnlichen Geschmack.

Und wer jetzt glaubt, dass nur internationale Craftbier-Größen wie Omnipollo aus Schweden, Amundsen aus Norwegen, Brewdog aus Schottland oder aber die US-Amerikaner von Left Hand Brewing, Sierra Nevada und Destihl Brewery solche Sude produzieren, liegt falsch. Als besonders experimentierfreudiger Brauer in dieser Sparte gilt Felix vom Endt von OrcaBrau aus Nürnberg. Er legte schon mehrere Biere mit Laktose auf. Eines seiner neuesten Werke ist das 6,8-prozentige Milkshake IPA namens „Orca Yoisho“. Neben dem Milchzucker für ein smoothes Trinkgefühl gibt der Wahlfranke hier noch grünen Tee, Zitronengras und eine ordentliche Menge Citra- und Mosaic-Hopfen in den Kessel, um ein spezielles Aroma zu erzielen.

Bekannt für besondere Aromen sind auch die Macher von Schwarze Rose aus Mainz sowie das Team von TrueBrew aus München. Gemeinsam brachten die Crafties ein 6,3-prozentiges Milkshake IPA namens „Bloody Slush“ auf den Markt. Zum Einsatz kamen neben dem Milchzucker, der sich hier sowohl im Mundgefühl als auch im Geschmack präsentiert, auch Himbeerpüree, Hibiskus-Blüten und die Hopfensorten Idaho7, Comet sowie ein Yakima Chief Hops Cryo Pop Blend. Auf gemeinsame Laktose-Sude stehen auch die Macher von Yankee & Kraut aus Ingolstadt sowie Markus Hoppe von Hoppebräu aus dem oberbayerischen Waakirchen. Die befreundeten Brauer versuchten sich an einem Sauerbier mit Milchzucker, der hierbei die Säure etwas reguliert. Ihr „Daubern Sour“ mit 6,1 Prozent reifte zudem auf 600 Kilogramm Blaubeerpüree. Die Blaubeernoten werden hier von einer sanften Säure sowie einem milchig-süßlichen Touch der Laktose umschmeichelt.

Milchzucker steht offensichtlich auch bei dem Team von AleMania aus Bonn ganz oben auf der Zutatenliste. Neben diversen Milkshake IPAs braute das Kollektiv um Fritz Wülfing auch schon ein nachtschwarzes Imperial Coffee Milk Stout mit deftigen 9,5 Prozent. Hier verrät die Bezeichnung des Bieres bereits, dass es sich um eine Sorte mit Milchzucker handelt. Bei anderen Bieren sollten Bierfans mit Unverträglichkeiten sicherheitshalber auf die Zutatenliste achten. Denn neuerdings ist Laktose auch häufiger in New England IPAs zu finden.

Erschienen im Meininger’s CRAFT Magazin für Bierkultur.

Schräge Biere: Magische Bohne

Egal ob Stout, Porter oder Doppelbock: Craftbrauer setzen jetzt mit verschiedenen Bierstilen auf das spannende Geschmacksspiel der Tonkabohne. Die schwarze Baumfrucht ist wegen ihrer Rauschwirkung allerdings nicht zu unterschätzen und auch nicht in jedem Land erlaubt

Vielfältiger kann eine Baumfrucht wohl kaum sein: Während die Südamerikaner der Tonkabohne magische Kräfte zubilligen, ist sie in den USA wegen des Inhaltsstoffs Cumarin in Lebensmitteln verboten und in anderen Ländern gehen Experten sogar von hypnotischer sowie erotisierender Wirkung aus. Aber die für Brauer wahrscheinlich wichtigste Eigenschaft der schwarzen Baumfrucht ist der äußerst intensive Geschmack nach Vanille, Karamell und Mandeln.

Jetzt entdecken auch immer mehr Craftbrauer die hippe Baumfrucht als spannenden Aroma-Pusher. Wegen ihrer Aroma-Intensität passt sie aber nicht zu jedem Biertypus. Am besten entfaltet sich die magische Bohne in dunklen Suden wie Stout, Porter, Bock oder Braggot – allerdings in geringen Mengen, da sonst eine zusätzliche Rauschwirkung einsetzt.

Eines der wohl bekanntesten Tonka-Biere stammt aus Norwegen von der Brauerei Lervig aus Stavanger. Dabei handelt es sich um ein zwölfprozentige Imperial Stout namens „3 Beans Stout“. Es präsentiert sich nachtschwarz im Glas, getoppt von einem üppigen, kaffeebraunen Schaum. Auf der Zunge entfaltet sich in diesem Bier ein süßlich-deftiges Aromaspiel aus Noten von Kakao, Zartbitterschokolade und Vanille.

Viel hilft viel, dachten sich auch die Macher von Tanker Brewing aus Estland, die bei ihrem „Imperial Maraschino Cherry & Tonka Bean Stout“ noch eine Aroma-Schippe drauflegten. Das 10,5-prozentige Bier, das in Kollaboration mit The Garden Brewery aus Kroatien entstand, ist mit Kirschpüree vergoren. Zudem runden die befreundeten Brauer es für einen besonderen Geschmacks-Thrill noch mit Kakao, Vanille und Tonkabohne ab. Die Litauer von Sakiskiu Alus dagegen probierten sich an einem Braggot. Der zehnprozentige Sud ist mit Met sowie Vanilleschoten, Kakao- und Tonkabohnen gebraut. Das Aroma zeigt sich also mit einer intensiven Kakao- und Vanillenote sowie einer alkoholischen Wärme im Finish.

Auf weniger Alkohol setzt die Mannschaft von Bierol aus dem österreichischen Schwoich. Dessen Porter namens „Going Tonka-Beans“ besitzt im Vergleich zu den nordischen Varianten zwar nur schlanke fünf Prozent, präsentiert aber trotzdem ein vollmundiges, sanft-süßes Aroma. Durch die Zugabe der Tonkabohne erzielt das Bier neben röstigen, schokoladigen sowie espressoartigen Noten, auch einen Geschmack von Marzipan.

Inzwischen wagen sich auch deutsche Craftbrauer mit ganz extravaganten Suden an die schwarze Bohne. So führen die Macher von Ruhrpottbrew aus Oberhausen beispielsweise einen fassgereiften „Scotch Barrel Tonka Doppelbock“ im Portfolio, dessen Aroma eine Kombination aus Whisky mit süßlichen und vanilleähnlichen Anklängen aufzeigt. Die Brauer von Lillebräu aus Kiel hingegen legten ein 7,6-prozentiges Stout auf, das ein vollmundiges Aroma von Sahne, Karamell und Lebkuchen in Duft und Geschmack zaubert. Hinzu kommen die typischen Noten der Tonkabohne. Eine ähnlich kreative Variante legte auch das Team von Yankee & Kraut aus Ingolstadt auf und ließ ihr Imperial Baltic Porter mit Tonka-Beigabe gleich noch in Rotweinfässern schlummern. Das zeigt, die Möglichkeiten die Zauberbohne in Craft-Bieren einzusetzen, dürften noch lange nicht das Ende der Fahnenstange erreicht haben.

Erschienen im Meininger’s CRAFT Magazin für Bierkultur.

Schräge Biere: Kräftig auf die Nuss

Für manchem Bierfan mag es eine geschmackliche Herausforderung sein. Aber rund um den Globus schwören Craft-Brauer immer mehr auf den Geschmack von Erdnussbutter im Sud. Vorreiter bei diesem speziellen Aromakick sind die USA.

Credit Belching Beaver Brewery

Egal ob pur, geröstet oder gesalzen, als Brotaufstrich, in Donats oder im Gebäck: Amerikaner stehen total auf Erdnüsse, in jeder Form und Konsistenz. Am liebsten futtern sie diese allerdings in Form von Erdnussbutter. Kein Wunder also, dass diese kalorienreiche Gaumenfreude auch gern mal in den Sudkesseln kreativer Brauer landet.

Wer sich im internationalen Bierkosmos umsieht, der findet jedenfalls immer mehr Sude mit Erdnussbutter-Geschmack. Bei den meisten Sorten handelt es sich um Stouts und Porters, aber auch IPAs bekommen ihren Kick durch Zugabe spezieller Nuss-Aromen. Als absoluter Klassiker gilt das 5,3-prozentige „Peanut Butter Milk Stout“ von Belching Beaver in San Diego. Im Duft und auf der Zunge zeigen sich Aromen von gerösteten Erdnüssen, dunkler Schokolade und Kaffee. Das Bier ist so beliebt, dass es längst zu den Bestsellern der Brauerei zählt und inzwischen auch in mehreren Varianten wie etwa als cremige Nitro- und als zimtige Mexican-Version aus den schicken Dosen fließt.

Auch bei Left Hand Brewing aus Longmont in Colorado gehört das „Peanut Butter Milk Stout“ mit 6,2 Umdrehungen zu den Kassenschlagern der Braustätte. Die Brauer packen neben Erdnüssen und Erdnussbutter-Aromen für ein cremigeres Mundgefühl auch noch Laktose in die Kessel. Auch an der Ostküste der USA setzen die Macher von DuClaw Brewing in Baltimore auf Erdnussgeschmack, am liebsten in Porters. Eine Sorte mit dem schrägen Namen „Sweet Baby Jesus“ ist erfolgreicher Teil ihres Kerngeschäfts. Dabei handelt es sich um ein schokoladiges und angenehm cremige schmeckendes „Chocolate Peanut Butter Porter“.

Dass Erdnussbutter selbst in India Pale Ales funktioniert, beweisen die Macher von Westbrook Brewing in Mt. Pleasant in South Carolina. Ihr siebenprozentiges, gelborangefarbenes und trübes „Peanut Butter Shake IPA“, gebraut mit speziellem Erdnussbutter-Puder, Laktose und Vanille erzielt bei mehr als 3000 Bewertungen auf der Plattform „Untappd“ stolze 3,95 Punkte von fünf.

Biere mit solchen Nuss-Aromen sind längst nicht mehr allein in den USA gefragt. Auch die rumänischen Macher von Hop Hooligans sowie die polnischen Kreativlinge von Deer Beer produzieren dunkle Peanut Butter-Biere. Aber auch die Garden Brewery aus Kroatiens Hauptstadt Zagreb führt ein 6,9-prozentiges „Chocolate & Peanut Butter Stout“ im Portfolio. Das weiche Mundgefühl und ein Aroma von Erdnussbutter und Schokolade erzielen die Kroaten durch ein besonderes Malz und den Beigaben von Kakao-Nibs. Den Brauern von DeMoersleutel aus dem niederländischen Alkmaar reichen geröstete Erdnüsse noch nicht aus, sie geben ihrem 13-prozentigen Imperial Stout namens „Willy Tonka“ noch einen besonderen Kick durch die Verwendung von Tonkabohnen.

Aber auch deutsche Brauer trauten sich inzwischen an einen Erdnussbutter-Sud. So entwickelten die Chefs von Frau Gruber Craftbrewing aus Gundelfingen und Brewheart aus Otterfing gemeinsam ein Chocolate Peanut Butter Imperial Stout namens „Psychodelic Peanuts“. Gebraut ist das 10,8-prozentige Bier mit 25 Prozent Erdnussbutter und Kakaobohnenbruch. Das entspricht zwar nicht dem Reinheitsgebot, passt dafür aber umso besser als Dessert zu einem Grill-Event.

Erschienen im Meininger’s CRAFT Magazin für Bierkultur.

Aus Brot mach Bier

Allein in Deutschland werden pro Jahr mehr als zwei Millionen Tonnen Backwaren weggeworfen. Umweltbewusste Craft-Brauer setzen jetzt ein Zeichen: Sie brauen ihre Sude mit unverkauftem Brot und leisten dabei einen wichtigen Beitrag zum Thema Ressourcen-Verschwendung.

Bier und Brot bestehen nicht nur weitgehend aus denselben Rohstoffen, sie haben auch viele weitere Aspekte gemeinsam. Kein Wunder, dass diese Kombination auch immer mehr Craft-Brauer für sich entdecken. So entwickeln sie nicht nur aromatisch ungewöhnliche Biere, sondern engagieren sich gleichzeitig im Kampf gegen die Auswüchse einer Wegwerfgesellschaft. Das Stichwort der Stunde heißt Nachhaltigkeit.

Allerdings backen die Brauer nicht selbst, sondern verwenden unverkauftes Brot aus Bäckereien, Bistros oder Restaurants. Eine besondere Kooperation gingen jetzt die Macher von Brewdog mit dem Team des Berliner Dörrwerks „Rettergut“ ein, das sich auf die Fahnen geschrieben hat, aus ungenutzten Lebensmitteln neue Produkte zu kreieren. Das Resultat dieser Zweckehe: Ein 6,3-prozentige New England IPA namens „Planet A“, das mit Brot vom Vortag und nicht verwendeten Aprikosen gebraut ist. In dieser Mixtur erhält das Bier eine leicht cremige Textur und ein angenehm süßlich-fruchtiges Aroma.

Auf ein besonderes Genusserlebnis setzen auch die Macher des 2018 gegründeten Startups „Knärzje“, was im hessischen Sprachgebrauch das Endstück eines Brotlaibs beschreibt. Für ihre Schöpfung probierten die Frankfurter unterschiedliche Brotsorten aus. So steckt angeblich in jeder Flasche eine Scheibe aussortiertes Bio-Brot. Wichtig ist vor allem die Kruste, die gibt dem Sud eine gewisse Süße. Das ergibt einen 4,9-prozentigen, gelborangefarbenen, schlank malzigen und süffigen Trunk. Das Knärzje-Bier kommt so gut an, dass es schon mit mehreren Awards ausgezeichnet wurde.

Aber nicht nur in Deutschland setzen Brauer auf spezielle Brotbiere. Auch das Jungunternehmen Damn Good Food & Beverages AG aus Weinfelden in der Schweiz schwört auf die Verwendung von überschüssigem Brot. Dieses wird zunächst getrocknet und zermahlen, bevor es in den Sudkessel kommt. Hierbei ersetzt es bis zu einem Drittel des Malzes. Die Schweizer Brauer erklären, dass rund acht Kilo unverkauftes Brot in 100 Liter ihres bernsteinfarbenen „Bread Beer“ stecken. Der Leitfaden ihrer Nachhaltigkeits-Strategie heißt sinnigerweise „Wertschätzender Genuss“.

Auch die Schweden stehen auf eine Kombination von Bier und Altbrot. So kollaboriert die Stockholmer Nya Carnegiebryggeriet in einer eher seltenen Verbindung mit dem städtischen Foto-Museum „Fotografiska“. Das Ergebnis ist ein Belgian Blond Ale, das neben Bio-Hopfen mit unverkauften Sauerteigbrot aus der Bäckerei und dem Restaurant des Museums gebraut wird. „Echo“, so der Name des Biers, legt einen fruchtigen, würzigen und leicht bitteren Charakter vor.

Auf mehr Hopfen-Power setzt hingegen das Team von „Toast“ in Bury, nördlich von Manchester. Die Briten stellen ihr gesamtes Portfolio aus Brot vom Vortag her. Neben süffigem Craft-Lager führen sie auch ein fruchtiges Pale Ale mit den Hopfensorten Admiral, Cascade, Olicana, Chinook und Jester sowie ein Session IPA mit Amarillo, Athanum und Liberty im Sortiment. Ihr Motto: „Beer with more Taste, World without Waste“. Damit leisten die Brauer einen starken Beitrag zum Thema Lebensmittelverschwendung, denn in England landen immerhin 44 Prozent des gesamten Brotes im Müll.

Erschienen im Meininger’s CRAFT Magazin für Bierkultur.

Pastry Stouts: Dessert aus der Büchse

Immer mehr Brauer setzen auf Pastry Stouts, die ihren zuckersüßen Geschmack überwiegend durch Aromastoffe erzielen. Solche Biere sind selbst für Craft-Nerds äußerst gewöhnungsbedürftig: Sie schmecken nach Butterscotch, Käsekuchen oder Schokokeks.

Dass Stouts in Kombination mit Süßspeisen eine gewaltige Geschmacksexplosion auslösen können, ist selbst für ambitionierte Bierfans noch Neuland. Doch die meisten nachtschwarzen Sude mit Noten von Kaffee, Kakao oder Schokolade passen tatsächlich hervorragend zu Gebäck. Für manch internationale Craft-Brauer ist Bier als Beigabe zum Naschwerk aber offenbar zu langweilig: Sie machen den Sud zum eigenständigen Nachtisch.

Diese sogenannten „Pastry Stouts“ widersprechen eigentlich der Philosophie professioneller Brauer. Ziel der meisten Bierproduzenten ist es, einen Sud zu kreieren, der zwar hocharomatisch daherkommt, aber mit Harmonie und Eleganz aufwartet – und das alles ohne Aromastoffe. Bei Pastry Stouts ist das ganz anders. Die Sude präsentieren sich häufig hochalkoholisch, schon beinahe pappsüß und sind für ihren besonderen Geschmack vollgestopft mit Extrakten, Aromen oder Sirups. Ganz nach dem Motto: Viel bringt viel. Zum Einsatz kommen nicht selten Aromastoffe von Cookies, Marshmallows, Käsekuchen, Salzkaramell, Erdnussbutter oder Donuts – meist nach der Gärung. Bei deutschen Brauern stehen solche Sude unter scharfer Kritik, zumal sie völlig dem widersprechen, was sie in ihrer Ausbildung über die Herstellung von Bier gelernt haben.

Die derzeit bekanntesten Pastry Stouts stammen wohl aus Norwegen. Dort führt die 2011 gegründete Amundsen Bryggeri am südlichen Rand von Oslo gelegen, gleich eine ganze „Dessert Series“ mit mehr als zwölf verschiedenen Sorten. Bei den Dessert-Bieren aus der Dose bauen die Skandinavier bekannte Nachspeisen in flüssiger Form nach. So finden Bierliebhaber etwa ein in Bourbon-Fässern gereiftes Imperial Stout mit kräftigen 11,5 Umdrehungen, das mit Laktose und den Aromen Karamell, Schokolade, Erdnussbutter und Erdbeere versehen wurde. Oder aber eine 10,5 prozentige Version, die nach einem Cookie mit Schokoladenstücken und gesalzenem Karamell schmeckt sowie ein süßes Stout mit Salzkaramell-Käsekuchen-Himbeer-Aroma. Auch wenn sich so mancher Craft-Kenner grausen mag, die Brauer von Amundsen gelten mit den Pastry Stouts in ihrer Fangemeinde als besonders experimentierfreudig.

Etwas weiter im Norden Norwegens setzen auch die Brauer der Lervig Aktiebryggeri auf süße Sude. Ihr „Times 8 Imperial Pastry Stout“, das in Kollaboration mit Stillwater Artisanal aus den USA entstand, wurde mit Aromen von Zimt, Ahorn, Butterscotch und Kokosnuss vollgepumpt und legt ordentliche 16 Prozent Alkohol vor. Da diese Beigaben noch nicht ausreichen, stecken noch Kakaobohnen, Kaffee und Vanillezucker im Sud. Das Bier ist so deftig, sodass es sich nur um eine limitierte Charge handelte.

Wer sich nicht gleich an solch gewaltige Biere von Lervig, Amundsen & Co. traut und eher langsam in die Welt der Pastry Stouts eintauchen möchte, der sollte mal das „Schoko Bananen Stout“ von der Axiom Brewery aus Tschechien probieren. Diese Variation besitzt im Gegensatz zu ihren anderen Verwandten schlanke 6,5 Prozent und präsentiert in der Nase und auf der Zunge ein sanftes Aroma von Schokolade, Banane, Vanille und Kakao. Tatsache ist, dass die Interpretationen dieser Nachtischbiere noch lang nicht ausgereizt sind und wohl jeder sein flüssiges Dessert darunter finden kann.

Erschienen im Meiningers’s CRAFT Magazin für Bierkultur.

Schräge Biere: Funkeln im Glas

Farbe und Schaum reichen für eine attraktive Bier-Optik wohl nicht mehr aus. Vor allem in den USA setzen jetzt immer mehr Brauer auf einen neuen visuellen Kick: Sie bieten ihre Sude mit seltsamen Glitzer-Effekten an.

Credit: Devil’s Backbone Brewing

Jedermann weiß, ein gutes Bier sollte man mit allen Sinnen genießen. So sind nicht nur Aroma, Duft und Geschmack entscheidend, sondern auch die Optik – denn das Auge trinkt mit. Eine attraktive Farbe, eine gleichmäßige Trübung sowie ein feinporiger und stabiler Schaum regen den Appetit an und machen Lust auf den ersten Schuck. Offensichtlich reicht das experimentierfreudigen Brauern aber nicht mehr aus. Um das Aussehen noch etwas zu pimpen, packen internationale Crafter für den optischen Kick jetzt bunten Glitzer mit in den Sud.

Als Vorreiter bei dieser funkelnden Erscheinung gelten – wen wundert’s – die US-Brauer. Egal ob IPA, Winter Ale oder Sauerbier, inzwischen gibt es kaum einen Bierstil, der nicht mit essbarem Glitter versehen wird. Aber keine Sorge: Die schimmernde Beigabe dient allein der Optik, auf den Geschmack hat es keinen Einfluss. Und der Glitzer-Staub ist so zart, dass er über das Mundgefühl nicht wahrnehmbar ist.

Eine der Pioniere der Glitter-Sude ist die Brauerin Lee Hedgmon von Ground Breaker Brewing in Portland. Sie gab in ihr belgisches Triple auf 30 Liter bloß drei Gramm Glitzer – und um die Optik des Bieres noch ungewöhnlicher zu gestalten, kippte Hedgmon noch etwas blauen Curaçao hinzu. Das Ergebnis: Ein schimmerndes, grünes Bier, das trotz schräger Optik ein aromatisches Geschmacksbild präsentiert. Ausgeschenkt wurde der Spezialsud allerdings zunächst nur auf einem regionalen Bierfest.

Es sind wohl vor allem farbenfreudige Frauen, die auf den Glitzer im Bier stehen. So auch Madeleine McCarthys, die Brauerin von Sasquatch Brewing in Portland. Sie legte ein 5,6-prozentiges New England Pale Ale namens „Gold Dust Woman“ auf, das mit Azacca und Galaxy gehopft ist, somit eine intensive tropische Fruchtigkeit präsentiert. Aber das Wichtigste: für den optischen Kick steckt noch eine ordentliche Dosis Goldstaub drin. Dass dieses Bier stark polarisiert, beweist ein Video auf der Website des Medienunternehmens Buzzfeed, das dort über acht Millionen Mal geklickt wurde. Zudem soll es das erste Glitzerbier weltweit gewesen sein, das auch in Dosen abgefüllt wird.

Die meisten Brauereien, die Sude mit dem funkelnden Extra produzieren, sehen das jedoch als einmaliges Experiment. Dabei färben einige Sud-Zauberer das Bier zusätzlich grün, um beispielsweise ein Special für den irischen Nationalfeiertag „St. Patricks Day“ zu kreieren. Andere spielen mit ungewöhnlichen Namensgebungen, wie etwa die DuClaw Brewing Company aus Baltimore. Dort wird einmal im Jahr ein 5,5-prozentiges Sour Ale namens „Unicorn Farts“ gebraut, das übersetzt so viel bedeutet wie Einhorn-Pups. Gebraut ist das Bier mit bunten Cornflakes, Früchten und Glitzer.

Eine Glitter-Welle rollte auch durch San Francisco, wo Craft-Stätten wie Cellarmaker, Black Hammer Brewing oder Barebottle Brewing auf das Schimmern im Glas setzten. Brauereien wie Ska Brewing in Colorado, Three Weavers Brewing Company in Kalifornien oder Devil’s Backbone Brewing in Kentucky folgten. In letzterer Braustätte gibt es ein im Weinfass gereiftes Sour Grapefruit Ale mit Glitzer und dem Namen „Glitter Bomb“ sogar regelmäßig im Verkauf.

Hierzulande ist der Glitzer-Wahnsinn bisher wohl noch nicht angekommen. Kleiner Tipp: Wer selbst ein Glitter-Bier herstellen möchte, kann sich einfach in der Backwarenabteilung essbaren Goldstaub kaufen und in jedes Bier seiner Wahl rühren.

Erschienen im Meininger’s CRAFT Magazin für Bierkultur.

Schräge Biere: Doppelter Rausch

Eine weltweit geschätzte Zauberpflanze ist bekannt durch viele Namen: Hanf, Cannabis oder Marihuana. Aber beim Genuss dieses Allroundgewächses geht es nicht nur um den Joint, sondern vielmehr um eine Universalpflanze, die bei Craft-Brauern und -Genießern immer beliebter wird.

Credit: NickyPe_Pixabay

Hanf gehört zu den ältesten Nutzpflanzen der Welt und gilt seit Jahrtausenden als eines der wirkungsvollsten Heilmittel für Erkrankungen jeglicher Art. Wen wundert da, dass das vielseitige Cannabisgewächs, als entfernter Verwandter des Hopfens, zunehmend auch im Sudkessel von Craft-Brauern landet. Wer sich hierzulande beim Genuss von Hanfbier allerdings einen doppelten Rausch verspricht, der dürfte enttäuscht sein. Nur in Ländern, in denen der Cannabis-Konsum gesetzlich erlaubt ist, kann ein Craft-Sud auch mal zur sanften Droge werden.

Aber den meisten Brauern geht es bei ihren Hanfbieren gar nicht um den Rausch, sondern vielmehr um das würzige und blumige Aroma der Pflanze. Verwendet wird das Gewächs in getrockneter Form, als Öl oder Extrakt. Manche Brauer setzen die Hanfblüten auch wie Hopfen beim Dry Hopping ein. Seit der Legalisierung von Marihuana in einigen US-Bundesstaaten hat sich Cannabis als Zutat im Bier dort sogar zum Trend entwickelt. Allerdings sind Sude, die mit dem berauschenden Stoff Tetrahydrocannabinol (THC) versetzt wurden, meist alkoholfrei.

Das gilt auch für die beiden erfolgreichen Sorten der „Ceria Brewing Company“ aus Colorado. Im würzigen Witbier namens „Grainwave” stecken fünf Milligramm THC, im IPA „Indiewave“ sogar noch etwas mehr von der psychoaktiven Substanz. Eine anregende Wirkung verspricht der Braumeister bereits nach 15 Minuten. Auch die Brauer der Flying Dog Brewery aus Maryland infundierten ihr „Hop Chronic IPA“ mit THC. Dafür kollaborierten sie mit einer spezialisierten Medical-Firma, sodass das Bier speziell für Cannabis-Patienten gedacht ist, die die therapeutischen Cannabinoide nicht rauchen wollen.

Solche berauschenden Sude suchen Hanf-Fans hierzulande bislang vergebens. Cannabis wird bei deutschen Brauern vielmehr als Aromabringer eingesetzt. Hanfbier-Vorreiter Philipp Overberg von der Gruthaus Brauerei in Münster produziert schon seit vier Jahren ein obergäriges, 5,6-prozentiges Landbier mit regionalen Cannabisblüten und grasigen, fast heuartigen Aromen. In Berlin führt die BRLO Brauerei sogar zwei „Cannabidiol-Biere“ im Sortiment. Ein knackiges Pils sowie ein 7,5-prozentiges Double IPA. Und in München hat der Hopfenhäcker ein 4,9-prozentiges Weißbier-Mixgetränk im Portfolio, das Werner Schürgraf für den würzig-blumigen Charakter mit Hanfblüten kaltstopft.

Auf Hanfblüten schwören auch die Macher vom österreichischen „BrauSchneider“. Ihrem 5,2-prozentigen „Hanfbier“, das angenehm nussige Noten hervorbringt, werden neben den Blättern reichlich Blüten hinzugefügt. Zu den Klassikern unter den Cannabis-Bieren zählt das „Californian Moonshine“ von „Tom & Harry Brewing“ aus der Steiermark. Das karamellige Lager ist mit österreichischen Cannabidiol-Hanfblüten gebraut, die sich mit Zitronennoten und einem würzigen Hanf-Touch vermählen.

Besonders beliebt ist der Einsatz von Cannabis auch in Biermischgetränken. So erweiterte Craftwerk Brewing aus Bitburg gerade das Portfolio mit einem „IPA Hanf-Radler“, bestehend zu 50 Prozent aus dem „Hop Head7 IPA“ und zu 50 Prozent aus Hanf-Zitronenlimonade. Das prickelnde Radler mit dem Geschmack von Zitrusfrüchten, Maracuja und einem grasigen Hanf-Touch macht zwar nicht high, ist aber eine wahre Erfrischung im Sommer.

Erschienen im Meininger’s CRAFT Magazin für Bierkultur.

Schräge Biere: Geschmackserlebnis aus dem Erdreich

Credit: Klosterbrauerei Neuzelle

Kartoffeln – in all ihren Erscheinungsformen – entwickeln sich immer mehr zu einer beliebten Zutat von Craft-Suden – vor allem in den USA. Obwohl nicht jedermanns Geschmack, überraschen manche Potato-Biere jedoch mit echten Aroma-Highlights.

Erdäpfel zählen zu den wichtigsten Grundnahrungsmitteln der Welt. Sie wachsen fast überall und gelten in verschiedenen Zubereitungsformen als nahrhafte Sattmacher schlechthin. Immerhin besitzen Kartoffeln viele Vitamine, Mineralstoffe, Eiweiß und Ballaststoffe sowie Stärke und Proteine. Rund 4000 Sorten soll es rund um den Globus geben. Die Erdfrüchte haben jetzt auch das Interesse von Craft-Brauern geweckt. Schließlich gelten Kartoffelchips und Bier seit jeher als Traumpaar auf Partys oder vor dem Fernseher.

Doch viel spannender scheint es für Brauer zu sein, die Erdäpfel mit in den Sudkessel zu packen. So wagen sich inzwischen immer mehr Craft-Avantgardisten an wilde Experimente, zumal sich die Feldfrüchte durch ihre natürlichen Inhaltsstoffe ideal für den Brauprozess eignen und den Eigenschaften von Getreide sehr nahekommen. Für ihre ungewöhnlichen Biere verwenden Crafter die Kartoffeln in jeder erdenklichen Form: geschält, ungeschält, gerieben, geröstet, gebraten, als Flocken oder Brei. Auch bei der Sortenauswahl schränken sich kreative Biermacher nicht ein. Am häufigsten kommt allerdings die Süßkartoffel zum Einsatz, die für süßlich-würzige Aromaspiele sorgt.

So nutzt auch die Fullsteam Brauerei aus Durham in North Carolina regionale Süßkartoffeln in Form von Püree für ihr 5,3-prozentiges Sweet Potato Lager namens „Carver“. Das bernsteinfarbene Bier mit süßlich-würzigem Aroma zählt zu den Klassikern der Brauerei und fließt dort rund ums Jahr frisch vom Hahn. Die Macher der Piney River Brewing Company aus Missouri dagegen sehen ihr sechsprozentiges „Sweet Potato Ale” eher als rein saisonale Spezialität. Für das Bier ließen sie sich von ihrer Lieblingsspeise inspirieren: dem Süßkartoffelkuchen, ein traditionelles Dessert im Süden der USA. Bevor die Erdäpfel aber in den Sud kommen, werden sie vorher sorgfältig angebraten. So bringt das Ale ein Aroma von gerösteten Süßpotaten, Gewürzen und Vanille auf die Zunge.

Ganz anders präsentiert sich das Bier von der Lazy Magnolia Brewing Company. Bei der Version der Mississippi-Brauer handelt es sich um ein nachtschwarzes, 4,5-prozentiges „Sweet Potato Stout“. Hierfür landen frischgeröstete Knollen sowie Laktose mit im Kessel. So erhält der Sud eine süßliche Cremigkeit bei röstartigen Schokoladengeschmack, gepaart mit Noten von Kaffee, Karamell und Milch. Überhaupt scheinen sich Süßkartoffeln gut mit anderen Zutaten zu vertragen. So schwören auch die Kreativbrauer von Vault Brewing aus Yardley, bei Philadelphia auf die pikanten Feldfrüchte, allerdings in einer Kombination mit mexikanischer Vanille, Muskatnuss und Zimt.

Neben den Potato-Pionieren sind noch zahlreiche weitere US-Brauereien wie etwa Funky Buddha Brewery, Salty Nut Brewery, Epic Brewing Company, aber auch die Brouwerij Troost aus den Niederlanden und die Klosterbrauerei Neuzelle mit Erdäpfelsuden am Start. Die Brandenburger führen ihr „Kartoffel Bier“ mit 4,5 Prozent Alkohol sogar ganzjährig im Portfolio. Es präsentiert sich in goldener Farbe, mit einem milden Kartoffelgeschmack und würzigen Akzenten. Während die Potato-Biere auf Bewertungsplattformen bisher nicht unbedingt immer höchste Punktzahlen erzielen, lohnt es sich aber allemal, einen solchen Trunk zu probieren.

Erschienen im Meininger’s CRAFT Magazin für Bierkultur.

Schräge Biere: Kürbis im Kessel

In der Craft-Branche gibt es wenig Spezialitäten, die so stark polarisieren wie Kürbisbiere. Einst aus der Not geboren, pflegen Pumpkin Ales vor allem in den USA eine lange Tradition. Aber auch hierzulande wagen sich immer mehr Craft-Brauer an die frischen Feldfrüchte.

Bild von Jill Wellington auf Pixabay

Wenn im Frühherbst wieder die Felder in gelben und orangefarbenen Kürbisfarben leuchten, fiebert so mancher Craft-Fan schon den ersten Pumpkin Ales entgegen. Jedes Jahr um Halloween packen Brauereien rund um den Globus bevorzugt die schmackhaften Riesenfrüchte in ihre Sudkessel. Die saisonale Bierspezialität erzielt ihr besonderes Aromaspiel aber nicht nur durch Kürbisse allein, sondern auch durch Gewürze wie Muskat, Zimt, Nelken, Ingwer oder Vanille.

Herbstzeit ist also Hochsaison bei Kürbisbieren. Zwar spaltet diese Bier-Typologie die Meinungen vieler Craft-Fans, aber immer mehr Pumpkin Ales brodeln in den Kesseln – auch in Deutschland. Inzwischen gibt es sogar Pils, India Pale Ales, Porter oder Stouts, die mit Sorten wie Hokkaido- oder Butternut angesetzt werden. Bevor diese im Bottich landen, werden sie geschält, püriert und häufig sogar geröstet. Manche Brauer geben Kürbisse direkt mit in die Maische, andere erst zur kochenden Würze oder sie fügen ausgepressten Fruchtsaft bei.

Entstanden sind Pumpkin Ales angeblich im 17. Jahrhundert in den USA. Damals waren Kürbisse günstiger als Getreide und gerieten meist in den Sud der ärmeren Landbevölkerung. Irgendwann starben solche Sude aber weitgehend aus. Erst Mitte der 1980er Jahre – mit Beginn der Craft-Bierbewegung – experimentierten junge Kreativ-Brauer wieder mit dieser Spezialität. Eines der ersten neuen Pumpkin Ales soll Bill Owens in seiner 1983 gegründeten Buffalo Bill’s Brauerei in Kalifornien gebraut haben. Ein echter Klassiker stammt auch von Steamworks Brewing aus Vancouver in Kanada, dessen Brauer auch in dieser Saison wieder ihr 6,5-prozentiges „Pumpkin Ale“ produzierten. Gewürzt ist der Sud neben frischen Kürbis mit Zimt, Gewürznelken, Muskat und Piment. Das ungewöhnliche Aromatheater auf der Zunge erinnert an Omas Kürbiskuchen.

Eine wahrlich große Passion für Kürbisbiere besitzt aber die Elysian Brewing Company in Seattle. Das Brauerei-Team stockt ihr Portfolio im Herbst nicht nur mit 20 verschiedenen Pumpkin-Suden auf, sondern veranstaltet alljährlich das „Elysian Great Pumpkin Beer Festival“. Rund 60 Craft-Stätten schenken dort mehr als 80 unterschiedliche Kürbis-Varianten aus.

Aber auch hierzulande wagen sich immer mehr Craft-Brauer an die saisonalen Spezialitäten. Neben der Synde Brauerei aus Leipzig, präsentiert die Stuttgarter Cast Brauerei ein würziges „Pumpkin Ale“, das dort mit Bio-Hokkaido-Püree, Ahornsirup, Ingwer und Zimt gebraut wird. Beim Hopfengarten Bamberg dagegen spielt auch das grüne Gold eine wichtige Rolle. Durch Kalthopfung mit der Sorte Perle zeigt das Amber Ale „Kürbis King“ ein würziges und kräuterbetontes Aroma.

Kürbisbiere sind jedoch nichts für Jedermann. So schrieben sich Sudden Death Brewing vom Timmendorfer Strand und David Hertl von der Braumanufaktur im fränkischen Schlüsselfeld, auf die Fahnen, ein Pumpkin Ale mit hoher Drinkability zu kreieren. In den Kollaborationssud kamen getoastete Hokkaido-Kürbisse sowie Koriandersamen, Piment, Muskat und Zimt. Und auch wenn das Etikett auf der Dose anderes erwarten lässt, präsentiert sich das Bier mit der Unterzeile „Crazy Pumpkin Ale“ wirklich süffig mit dezentem Anklang aller Gewürze.

Erschienen im Meiningers’s CRAFT Magazin für Bierkultur.