Cerveceria Lindenberg: Argentinisches Bier-Mekka mitten in der Pampa

Wenn man in Saladillo, eine argentinische Kleinstadt in der Provinz Buenos Aires, rund 10.000 Kilometer von zuhause entfernt, vom Bürgermeister höchstpersönlich empfangen wird, dann ist das schon was Besonderes. Grund der Reise mitten in die Pampa, wo es offensichtlich mehr Rinder als Menschen gibt, war mein Brauerfreund Eber Andriuolo (er heißt wirklich Eber!) von der Brauerei Lindenberg. Unerwartet und völlig überraschend fuhren wir mit ihm direkt nach Ankunft zum Rathaus, wo das Stadtoberhaupt und sein Team uns schon freudig erwarteten. Nach Begrüßung und Foto-Session diskutierten wir lange über die Craftbier-Szene der Region.

Der Bürgermeister sieht die Braustätten mit ihrer Biervielfalt als starke Bereicherung für die Kleinstadt, denn immerhin existieren hier rund ein halbes Dutzend Kreativbrauereien. Die wohl bekannteste dürfte die Cerveceria Lindenberg von meinem Kumpel Eber sein. Seine Wirkungsstätte liegt zwar etwas außerhalb der Stadt, dafür befindet sich mitten im Zentrum von Saladillo das „Lindenberg Haus“ – ein gemütlicher Taproom in urbanem Chic.

Vom Hahn fließen hier ganz frisch etwa Brown Ale, IPA, Scottish Ale oder Hoppy Pils. Manche Sorten sahnten auch schon Preise bei internationalen Bierwettbewerben wie dem European Beer Star oder dem Meininger’s International Craft Beer Award ab. Neben spannenden Bieren mit individuellem Lindenberg-Touch, stehen nicht unbedingt landestypische Speisen auf der Karte: Pizza und Burger, aber auch bajuwarisch angehauchte Brotzeitplatten mit Bierwurst, Obatzda und ofenfrischen Brezn, die von Ebers Frau Monika zubereitet werden, die aus Bayern stammt.

„Bayerische Brotzeit“ zum Oktoberfest im Lindenberg Haus

Die Idee zur Marke Lindenberg entstand beim quirligen Eber im Jahre 2012, in einer Zeit, als er mit seiner Agentur die Pressearbeit beim Autohersteller BMW in München unterstützte. Irgendwann fühlte er sich ausgebrannt und wollte etwas ganz anderes machen. So zog der Argentinier weiter nach Italien an den Gardasee, um dort eine Kochausbildung zu absolvieren. Es folgte ein Intermezzo in England, wo er einen Brauerkurs belegte. Seine Überlegung: entweder ein italienisches Restaurant in der bayerischen Hauptstadt aufzumachen oder eine Brauerei mit besonderer Gastronomie in seiner Heimatstadt Saladillo hochziehen.

Schließlich packte ihn das Heimweh. Eber überzeugte seine Frau Monika, die ursprünglich aus dem Allgäu stammt, die Zelte in Bayern abzubrechen und nach Argentinien zu ziehen. Das war 2013. Ein Jahr später gründete er mit einem Geschäftspartner die Brauerei Lindenberg und begann, die argentinische Bierszene aufzumischen, die noch heute von Großbrauereien beherrscht wird.

Seine Liebe zu Bayern ebbte allerdings bis heute nicht ab. So war beispielsweise das erste Bier aus dem Hause Lindenberg ein bernsteinfarbenes Weißbier – gebraut mit ein paar Tropfen Weihwasser aus dem Freistaat. „Klar, dass war Aberglaube,“ schmunzelt Eber, „aber es hat funktioniert.“ Das Bier kam gut bei den südamerikanischen Konsumenten an.

Nach und nach vergrößert Eber seine Marke. Aktuell plant er eine größere Brauerei mit angeschlossenem Biergarten und Gästezimmern. Das Areal mitten in der Pampa, auf dem auch Konzerte stattfinden sollen, zeigte er uns voller Vorfreude. Eine Eröffnung plant er in rund zwei Jahren. Wir werden dabei sein und freuen uns auf ein weiteres Abenteuer in Argentinien. Bestimmt kommt auch der Bürgermeister von Saladillo, um ein Fass anzustechen und sich an den leckeren Lindenberg-Bieren zu laben. Wer zufällig mal auf ein Lindenberg-Bier stößt, sollte unbedingt zugreifen – diese Biere machen wirklich Freude.

Danke für alles, lieber Eber (mitte)!

Giesinger Bräu: Brautempel „from Hell“

Mit frischen Ideen, Crowdfunding-Aktionen und einer breiten Bierauswahl, schreibt der Giesinger- Bräu in München eine einzigartige Erfolgsgeschichte. Jetzt haben die Bajuwaren mit einem zweiten Brauereistandort einen weiteren Meilenstein übersprungen und streben eine Beteiligung auf dem Oktoberfest an.

Steffen Marx vom Giesinger Bräu im Werk2

Dass ein Bier aus München nicht gleich ein Münchner Bier ist, wissen wohl nur Insider. Einer, der sich in den vergangenen Jahren wohl am meisten mit diesem Thema befasst hat, ist Steffen Marx, Gründer und Chef vom Giesinger Bräu. Seit nunmehr 16 Jahren braut der heute 44-Jährige Entrepreneur in der bayerischen Landeshauptstadt ambitionierte Bierspezialitäten, vergrößerte stetig seine Produktion und öffnete mehrere Gastronomieprojekte. Dennoch blieb seinem Betrieb die Anerkennung als Münchner Braustätte lange verwehrt. Erst mit der Eröffnung eines neuen Standortes mit eigenem Tiefbrunnen konnte Marx seinen Traum verwirklichen. Inzwischen gilt der Giesinger Bräu als echte Münchner Brauerei und kann sich in die Liga der städtischen Platzhirsche einreihen. Dabei ist es gerade mal 17 Jahre her, dass Marx seine ersten Sude in einer Doppelgarage braute. „Es ist der Wahnsinn, ich hätte niemals gedacht, dass wir in so kurzer Zeit soweit kommen würden,“ gesteht Marx voller Demut.

Durch die Realisierung von „Werk 2“ im Münchner Stadtteil Milbertshofen, das nach 18-monatiger Bauzeit im Juni 2020 seine Eröffnung feierte, hat sich für den Giesinger Bräu vieles verändert: Der Ausstoß hat sich erhöht, das Team hat sich erweitert und es gibt eine neue Volumensorte. Zudem ist die Braustätte nach dem Augustiner Bräu nun die zweitgrößte Privatbrauerei in der Biermetropole. Im neuen Standort befinden sich jetzt eine nagelneue Abfüllanlage, Vollgut- und Leergut-Lager, ein spezielles Labor, eine Rampe als Abholmöglichkeit für die rasant wachsende Kundenzahl sowie ein schicker Veranstaltungsraum mit Blick auf glitzernde Kessel.

Für die Realisierung des neuen Braustandortes musste Steffen Marx rund 20 Millionen Euro aufbringen. Der wohl wichtigste Teil der Investition: ein hauseigener Brunnen mit mehr als 150 Meter Tiefe und Wasser, das nach wissenschaftlichen Untersuchungen angeblich rund 12.000 Jahre alt ist.So sind jetzt alle Kriterien erfüllt, damit sich die Giesinger-Sude als „Münchner Bier“ einreihen können und theoretisch auch auf dem Oktoberfest ausgeschenkt werden dürfen. Dass die Erfolgsgeschichte vom Giesinger Bräu wirklich außergewöhnlich ist, vermerkt auch Georg Rittmayer, Präsident der Privaten Brauereien Bayerns, voller Hochachtung: „Die kurze Firmengeschichte ist geprägt von viel Mut, Entschlossenheit und tollem Unternehmergeist.“

Auf dem Weg zum Münchner Bier hat sich der Giesinger Bräu – ohne Stillstand – in rasendem Tempo weiterentwickelt, auch bei den Suden. Erst vor ein paar Monaten launchte die Mannschaft um Steffen Marx ein „Münchner Helles“, das nun – dem eigenen Wasser sei Dank – das EU-Siegel der geografisch geschützten Angabe „Münchner Bier” trägt. Dabei handelt es sich um das erste filtrierte Bier aus dem Hause Giesinger und gleichzeitig um die künftige Volumensorte. Das Brau-Team unter der Leitung von Simon Roßmann tüftelte rund zwei Jahre bis zum perfekten Rezept. Einzige Direktive aus der Chefetage: Das Bier muss bei einer Blindverkostung mit den anderen Münchner Hellen klar erkennbar sein.

Die Vorgabe von Marx wurde perfekt umgesetzt. So zeigt sich das goldfarbene, glanzfeine Endergebnis mit 4,8 Prozent Alkohol, einer eigenen Charakteristik mit sanfter Hopfigkeit und hoher Drinkability. Nicht nur die Brauer, sondern auch Bernhard Pillep, Mitgründer und Gesellschafter vom Giesinger Bräu, ist stolz auf das Produkt: „Wir haben jetzt ein sehr süffiges, original Münchner Bier, mit dem wir jetzt auf Augenhöhe mit den anderen sechs Stadtbrauereien stehen.“

Was 2006 in einer Garage in München begann, zwei Jahre später zur ersten Brauerei-Neugründung seit Jahrhunderten in der Stadt führte, war wohl erst durch diverse Crowdfunding-Aktionen möglich. Nach anfänglicher Experimentierphase fand Marx 2011 das Anwesen in der Martin-Luther-Straße gegenüber der Giesinger Heilig-Kreuz-Kirche, die heute als Logo fungiert. Für den Umbau des Gebäudes wurden rund fünf Millionen Euro benötigt. Schon damals stammten etwa zehn Prozent des Investments aus einer Schwarmfinanzierungskampagne. Wenig später konnte die Braustätte mit Bräustüberl eröffnet werden.

All das ist erst möglich geworden durch Crowdfunding-Aktionen der Giesinger und ihrer damit verbundenen Fan-Base. Mit der aktuellen Kampagne, die unter dem Kampfnamen „Rendite from Hell“ initiiert wurde, sollen die Kapazitäten im „Werk 2“ wegen der neuen Volumensorte „Münchner Hell“ und der gestiegenen Nachfrage ausgebaut werden. Damit geht die Vergrößerung von Gär- und Lagerkeller einher. Zudem soll die Energieversorgung um einen Dampfkessel erweitert, die Leergut-Kapazität erhöht und neue Marketing-Aktivitäten rund um die Etablierung des Bieres finanziert werden. Wie bei den bisherigen Crowdfunding-Projekten konnten Investoren wieder Genussscheine mit sechs Prozent Zinsen kaufen, die in Form von Bier- und Verzehrgutscheinen ausgeschüttet werden. Auch dieses Mal war die Nachfrage wieder höher als das Angebot. Das Ziel von zwei Millionen Euros wurde mit 1726 Investoren um 500.000 Euros sogar weit überschritten.

Bei solchen Möglichkeiten gehen die Ideen nicht aus. So denken die Macher um Steffen Marx gerade über ein alkoholfreies Bier-Getränk nach und auch fassgereifte Sude stehen in der Planung. Das größte Augenmerk liegt aber derzeit aber auf dem Ausstoß. Im „Werk 2“ produzieren die Brauer in einem 100 Hektoliter-Sudhaus aktuell rund 20.000 Hektoliter von Hellem, Pils und Weißbier – alle anderen Sorten werden in kleineren Chargen noch in Giesing hergestellt. In diesem Jahr will das Marx-Team die 40.000er Marke reißen.

Und wenn das erreicht ist, steht Marx und seine Truppe vor der größten Herausforderung einer Münchner Brauerei: ein Bierzelt auf dem Oktoberfest. Bis es allerdings so weit ist, möchte das Giesinger Team erst mal Festzelterfahrung sammeln und Routine auf diversen Stadtfesten gewinnen. „Bevor wir uns an das Oktoberfest-Abenteuer wagen,“ sagt der Brauereichef, „müssen wir erst prüfen, was da alles auf uns zukommt.“ Marx gibt zu, dass er sich ein Zelt für 2000 Besucher, das dreimal am Tag bespielt wird, derzeit noch nicht zutraut – vielleicht aber in vier bis fünf Jahren.

Erschienen im Meininger’s CRAFT Magazin für Bierkultur.

Brauerei Göller: Senkrechtstart mit Bierkalender

Regionalität, Spaß-Events und Craftbier-Initiative: Ein junges Team aus den drei unterfränkischen Brüdern Fritz, Max und Felix Göller beweist, wie eine mehr als 500 Jahre alte Traditionsbrauerei mit neuen Ideen und kreativen Suden auf Erfolgskurs fahren kann. Ein Portrait.

Die Göllers.

Das Frankenland gilt als das Bier-Eldorado schlechthin. In keiner anderen deutschen Region gibt es mit rund 300 Betrieben so viele Brauereien wie im Nordosten des Freistaats Bayern. Eine der ältesten Braustätten finden Gerstensaftfans im unterfränkischen Zeil am Main, zwischen Schweinfurt und Bamberg gelegen. Hier, wo im 17. Jahrhundert noch Hexen verbrannt wurden und sich romantische Gassen mit Kopfsteinpflaster an alten Fachwerkhäusern vorbeischlängeln, befindet sich direkt in der Altstadt die mehr als 500 Jahre alte Brauerei Göller. Nach langer Familientradition leitet heute eine neue Generation das Unternehmen und überrascht immer wieder mit unkonventionellen Ideen. „Unsere Eltern haben uns einen erfolgreichen Betrieb überlassen“, sagt der 30-jährige Max Göller, „trotzdem haben wir vieles noch verbessert und verändert um die Weichen in die Zukunft zu stellen.“

So haben die Geschwister zunächst das Sudhaus weiter modernisiert, das Sortiment mit Kreativ-Bieren aufgefüllt sowie die urige Brauereigaststätte „Zum Hirschen“, einschließlich Biergarten für 400 Gäste, nach langjähriger Verpachtung wieder in Eigenregie übernommen. Auch den Ausstoß konnte das Nachfolgeteam auf 50.000 Hektoliter Bier und 10.000 Hektoliter alkoholfreie Getränke steigern. Den drei Brüdern, die früher schon in den Schulferien ihrem Vater in der Brauerei geholfen haben, war schon im Jugendalter klar, dass sie irgendwann gemeinsam das Familienunternehmen leiten wollen. So hat jeder den passenden Ausbildungsweg eingeschlagen, um ein optimales Team zu bilden. Der älteste Sohn Fritz übernahm als Diplom-Braumeister die Verantwortung für die Produktion und leitet mit Felix den technischen Bereich der Braustätte, Max ist für Verkauf und Vertrieb sowie für die Traditionsgaststätte verantwortlich. „Wir haben den Betrieb in allen Kompetenzfeldern so aufgestellt, wie wir ihn uns immer vorgestellt haben“, bekräftigt der 32-jährige Fritz Göller.

Bis die Brauerei zu dem wurde, was sie heute ist, musste der Betrieb im Laufe seiner Geschichte viele Turbulenzen durchstehen. Im Jahr 1514 wurde der „Alten Freyung“, wie das Gelände der Brauerei heißt, das Brau- und Schankrecht vom Erzbistum Bamberg verliehen. In den heutigen Familienbesitz kam die Braustätte erst fast 400 Jahre später, nachdem sie Joseph Göller mit seiner Frau Magarete im Jahre 1908 erwarb. Damals lag das Hauptgewicht der Bierproduktion auf der hauseigenen Gaststätte und ihrem Biergarten. 1949 übernahm den Betrieb Josephs Göllers Sohn Franz-Josef, der 1976 als Deutschlands bester Brauer ausgezeichnet wurde. 2013 wiederholte Sohn Felix diesen Erfolg.

Schon Franz-Josef Göller schaffte es mit neuen Ideen, die Bierproduktion Mitte der 1980er Jahre von 5000 auf rund 25.000 Hektoliter zu steigern. Aus Platzmangel verlagerte der Senior 1995 Filtration, Abfüllung, Verwaltung und Vertrieb aus der Zeiler Altstadt in das nahegelegene Gewerbegebiet. So konnten Gär- und Lagerkeller permanent erweitert sowie neue Malzsilos angeschafft werden. 2015 war es dann so weit, dass Fritz und Max ins Unternehmen einstiegen. Zwei Jahre später kam auch der heute 28-jährige Felix dazu.

Als Erfolgsgeheimnis der Brauerei Göller sehen die Unterfranken ihre stark ausgeprägte Regionalität. So stammen Braugerste und Weizen von heimischen Landwirten aus dem direkten Umkreis. Gemälzt wird das Getreide in Bamberg und Schweinfurt. Auch beim Hopfen greifen die Jungunternehmer überwiegend zu nationalen Sorten. Neunzig Prozent ihres Bieres verkaufen sie im Umkreis von nur rund 50 Kilometern. Ein weiterer Aspekt ist die Nachhaltigkeit, die in der deutschen Brauwirtschaft eine immer bedeutendere Rolle spielt. So arbeiten die Göllers im Sudhaus mit einem energiesparenden Schonkochsystem, setzen auf Photovoltaik sowie Solarthermie und installierten eine Stickstoffgewinnungsanlage zur CO2-Einsparung.

Für diese umweltschonenden Maßnahmen erhielt die Brauerei 2015 als einziges Unternehmen in der Kategorie „11-50 Mitarbeiter“ den Nachhaltigkeitspreis der Region Mainfranken. Seitdem modernisieren die jungen Chefs im Betrieb immer wieder aufs Neue. Die aktuelle Investition sind neue Kälteanlagen. Stolz sind die drei Göller-Brüder auch auf das Zertifikat des „Qualitätsverbundes umweltbewusster Betriebe“, dass sie angeblich als einzige Brauerei in Unterfranken tragen.

Aber auch die Biere aus dem Hause Göller räumen seit Jahren internationale Preise ab – sogar beim Meininger’s International Craft Beer Award. Im Portfolio finden Bierfans neben Pils, Dunklem, Kellerbier und Weißbier auch saisonale Bockbiere, einige alkoholfreie Sorten und eine traditionelle Serie als Hommage an Kaiser Heinrich, der ihnen einst das Brau- und Schankrecht verlieh. Darin enthalten: Ur-Stoff, Ur-Weisse und Naturradler. Als aktuelles Flaggschiff der Brauerei gilt aber das 4,9-prozentige, mild-würzige und süffige „Baptist Helles“, das ursprünglich als Sondersud fungierte. „Das Helle schlug vor allem bei jungen Leuten ein wie eine Bombe“, freut sich Felix Göller, „obwohl wir hier eigentlich gar keine Region für Helles sind.“

Der Baptist-Sud war ursprünglich nur als saisonaler Trunk für einen „Bierkalender“ geplant. Vor rund fünf Jahren hatte Felix Göller die Idee, solch einen Kalender mit zwölf Spezialitäten zu organisieren, darunter auch schon ein India Pale Ale, gehopft mit den Sorten Tradition und Lemondrop, eine Hopfenweiße mit Mandarina Bavaria, ein Summer Ale mit Cascade und El Dorado und ein Stout mit Kaffee- und Schokoladennoten. Kern der Aktion: Jeden ersten Samstag im Monat gib es einen Fassanstich mit einem anderen Bier und Live-Musik. Zudem hat Max Göller, der für die Gastronomie zuständig ist, zu jedem Anstich auch die Speisenkarte individuell dem Bier angepasst.

Der Bierkalender erwies sich als Volltreffer und lockt jeden Monat neue Kundschaft an. Schon das Event im Januar 2017 überraschte mit dem 5,9-prozentigen „Schottischen Lager“, das eine rauchig-torfige Note durch den Einsatz von Whisky-Malz erhielt. Dazu gab es Fish & Chips und einen Folk-Sänger, der für ordentlich Stimmung sorgte. „Zugegeben, anfangs waren wir sehr unsicher, ob solche Biere mit solchen Aktionen überhaupt ankommen“, erinnert sich Max Göller, „doch die Leute haben uns förmlich überrannt.“ So war das Fassbier, das eigentlich für einen Monat im Ausschank geplant war, an diesem Abend bereits um 18 Uhr ausverkauft.

Erschienen im Meininger’s CRAFT Magazin.

Firestone Walker: „Bier vor Ruhm“

Firestone Walker zählt nicht nur zu den wichtigsten Wegbereitern der internationalen Craftbier-Szene, der kalifornische Pionier hält auf der Liste der weltweit besten Brauereien auch einen Spitzenplatz. Jetzt feiert die Kult-Brauerei aus Paso Robles ihr 25-jähriges Jubiläum und blickt dabei auf eine turbulente Geschichte zurück

Wahrscheinlich gibt es in keinem anderen Land eine Brauerei, die über eine vergleichbare Gründungshistorie verfügt. Die Story von Firestone Walker beginnt – völlig untypisch für einen Bier-Produzenten – auf einem vierzig Hektar großen, südkalifornischen Weingut irgendwo zwischen San Francisco und Los Angeles. Von Rebensäften und lokalen Standardbieren gelangweilt, machten sich Adam Firestone und David Walker einst auf die Suche nach dem perfekten Bier. Anfangs wollten die beiden Schwäger bloß einen schmackhaften Sud für sich selbst sowie für die heimische Winzergemeinde brauen, die sich nach einem weinreichen Tag gern auch mal mit einem Bier erfrischt. „Aber dann geriet alles außer Kontrolle“, erinnert sich David Walker, „so richtig können wir noch immer nicht fassen, was da in den darauffolgenden 25 Jahren entstanden ist.“

Tatsächlich begann damals eine der größten Erfolgsgeschichten der Craftbier-Branche. Unter bescheidenen Anfängen – mit umgebauten Wein- und Milchtanks sowie Brau-Equipment vom Schrottplatz – zogen die beiden Gründer in einen alten Schuppen inmitten von Rebengärten ihrer Familie und brauten dort ihr erstes Bier. Seinerzeit befand sich die Bier-Revolution noch in den Anfängen und industrielle Standardbiere dominierten im Land. So markierte der erste Sud der Kalifornier absolutes Neuland in der amerikanischen Bierszene: ein bernsteinfarbiges Double Barrel Ale (DBA) im Stil eines britischem Pale Ales mit großzügigem Hopfeneinsatz, das sie in Eichenfässern fermentierten. „Das DBA gehört heute immer noch zu meinen Lieblingsbieren“, gesteht Gründervater Walker, „ich trinke es jeden Tag mit großem Genuss aus einem Weinglas.“

David Walker & Adam Firestone – Credit Firestone Walker

Der Siegeszug der Brauerei begann jedoch, als Adam Firestone und David Walker 2001 ihre Braustätte aus den Weinbergen nach Paso Robles verlegten und gleichzeitig mit Matt Brynildson auch den perfekten Braumeister fanden. Der unter dem Spitznamen „Merlin“ agierende Hopfenzauberer hatte sich schon bald mit ikonischen Sud-Kreationen wie dem Pale 31, dem Union Jack sowie dem Pivo sowie mit jährlichen Anniversary Ales den Ruf als einer der weltweit besten Brauer erobert. Er wurde fünfmal beim „Great American Beer Festival“, sowie beim World Beer Cup als „Brewer of the Year“ ausgezeichnet. „Matt ist der perfekte Braumeister und wir wissen, dass unsere Biere bei ihm in besten Händen sind,“ schwärmt Adam Firestone über seinen besten Mann.

Zwei Bier aus der Merlin-Trickkiste, das schlanke und fruchtige Pale Ale „Pale 31“ und das kräftige Double IPA namens „Double Jack“, läuteten nach Ansicht vieler Craft-Aficionados vor gut zehn Jahren auch in Deutschland den Beginn einer neuen Bier-Ära ein. Damals hatten die hiesigen Craft-Pioniere von Braufactum die Sude der kalifornischen Craft-Brauer erst landesweit bekannt gemacht. „Wir waren seinerzeit richtig stolz, als unsere Biere auch in Europa eine Fangemeinde fanden“, sagt Walker. Da jedoch durch den langen Transport häufig die Frische der Sude litt, entschieden sich die Mancher alsbald in der britischen Thornbridge Brewery nahe Sheffield zu produzieren.

Nach Jahren der Expansion gehört Firestone Walker inzwischen mit einem Jahresausstoß von 650.000 Hektolitern zu den vier größten Brauereien in Kalifornien und zu den zwanzig größten der USA. Das Standardsortiment zählt knapp zwei Dutzend Sorten, überwiegend India Pale Ales (IPAs), aber auch Stout und Lager. Während in Paso Robles heute noch die Classics gebraut werden, sind mit Buellton und Venice zwei weitere Standorte im US-amerikanischen Sonnenstaat hinzugekommen – kreative Spielwiesen auf denen sich die Brauer auf limitierte und experimentelle Sude konzentrieren können. Die Biere lagern hier in gebrauchten Weinfässern aus der eigenen Firestone-Kellerei oder reifen in zugekauften Bourbon-, Brandy- und Tequila-Fässern.

Was heute für das ursprünglich branchenfremde Gründer-Team zum Tagesgeschäft gehört, war einst nur als Hobby-Brauerei geplant. Adam Firestone studierte nach dem Militärdienst Jura und übernahm schließlich das Familienweingut in dritter Generation. David Walker arbeitete als Manager in der Technologiebranche. Doch dann kam 1996 dieser legendäre Tag, auf dem 40-Hektar großen Chardonnay-Weingut der Firestones, als die beiden Genussmenschen enttäuscht über lokale Gerstensäfte debattierten und sich entschlossen, fortan ihr eigenes Bier zu brauen. Die Tatsache, dass er Ursprung der Braustätte inmitten kalifornischer Rebflächen lag, hat nach wie vor Einfluss auf den aktuellen Firestone-Walkers-Stil, bestätigt auch durch den Charakter der Firestone Walker „Barrelworks“.

Knapp fünf Jahre nach dem Start des Double Barrel Ales war die selbstgebaute Anlage komplett ausgelastet und auch die Location platzte aus allen Nähten. Im Jahr 2001 kauften die beiden Schwäger eine schlüsselfertige Anlage der SLO Brewing Company in Paso Robles, direkt am Highway 101, einer zentralen Fernstraße, beliebt auch bei ausländischen Touristen. Der Besucherstrom blieb nicht aus: Mit wachsenden Absatzerfolgen war die Kapazität des 12.000 Quadratmeter großen Produktionsareals schon bald ausgereizt und eine Erweiterung wurde unaufschiebbar. Ihre Expansionspläne konnten die beiden Gründer jedoch nur verwirklichen, in dem sie sparsam mit dem Geld umgingen. Alles was Firestone und Walker in den ersten 15 Jahren an Equipment anschafften, war gebraucht. „Bei dem schnellen Wachstum der Brauerei, verfügten wir immer nur über ein knappes Einkaufsbudget“, erklärt Adam Firestone seinen Sparkurs.

Zehn Jahre lang nutzte das Team jeden Zentimeter Platz in der Brauerei aus, um so effizient wie möglich zu arbeiten. Bereits 2012 erweiterten sie das 50-Barrel-System auf 65-Barrel und waren überzeugt, die Kapazitäten würden jetzt erst mal ausreichen. Aber als mit der Einführung des Firestone Walkers 805 im gleichen Jahr ein weiterer Meilenstein in der Craft-Szene hinzukam, brachen alle Dämme. Das Bier, ursprünglich nur für die regionale Vermarktung ausgelegt, wurde der Firestone-Walker-Mannschaft förmlich aus den Händen gerissen. Erneut stieß die Produktion an ihre Grenzen, so dass die Brauerei um ein 300-Barrel-Sudhaus vergrößert wurde. Die ursprünglichen Kessel dienen jetzt immerhin noch für Kleinserien.

Im Hauptquartier in Paso Robles findet heute überwiegend die Produktion der sogenannten Core-Range statt. Dazu gehören verschiedene Hazy-IPAs, aber auch das Double IPA namens „Double Jack“, die etwas leichtere Version „Union Jack“ sowie das Session IPA „Easy Jack“. Relativ neu im Portfolio sind das 5,5-prozentige Milk Stout „Nitro Merlin“, das vierprozentige, trübe IPA „Flyjack“, das angeblich nur 96 Kalorien pro Dose besitzt sowie das „Luponic Distortion IPA“, das mit 5,9 Umdrehungen eine neuseeländische Hopfenwucht der Sorten Nelson Sauvin, Nectaron, Riwaka und Motueka demonstriert. Im Portfolio sind aber auch noch das untergärige Biere wie das „Premium Lager“ und der 5,3-prozentige Traditionssud „Pivo Pilsner“ mit deutschem Saphir-Hopfen verankert.

Klar ist, das grüne Gold steht bei der Ausrichtung der meisten Bieren aus dem Hause Firestone Walker definitiv im Vordergrund. Auch wenn David Walker weiß, dass helle Lagerbiere weiterhin den Markt dominieren, so ist ihm bewusst, dass hopfenbetonte India Pale Ales immer noch als Spitzenreiter der Craft-Szene fungieren. Unabhängig von allen Trendbewegungen ist Walker überzeugt: „Neugier und Leidenschaft zu neuen Bier-Stilen und ungewöhnlichen Geschmacksrichtungen werden sich auch in Zukunft durchsetzen.“

So zählen für echte Craft-Nerds vor allem die fassgereiften Sorten zu den absoluten Aroma-Highlights von Firestone Walker. Erst vor einigen Wochen kam das limitierte Jahrgangsbier „Parabola“ heraus, ein Imperial Stout, das zwölf Monate in unterschiedlichen Fässern reift. Die „2021-Vintage-Version“ legte Matt Brynildson zwölf Monate in Bourbon Whiskeyfässer, um einen fast schon öligen Körper mit komplexen Aromen von Schokolade, Holz, Kaffee, Vanille sowie Schwarzkirschen und Pflaumen zu erzielen. Als kreatives Highlight gilt auch der helle Barley Wine „Gin Rickey“, in dem Limettenschalen, Muskatblüte, Koriander und Wachholderbeeren stecken. Der 11,3-prozentige Sud schlummert bis zur vollen Reife ganze 18 Monate in Gin-Fässern.

Weitere Sondersude finden Bierliebhaber in der Propagator-Serie, die im „Propagator R&D Brewhouse“ in Venice entstehen. Aktuell gibt es ein 8,3-prozentiges Rye Black IPA sowie zwei Single Hop IPAs mit den Hopfensorten Nectaron und Nelson Sauvin. In der Kreativwerkstatt „Barrelworks“ in Buellton hat sich das Brau-Team dagegen auf wilde Sude spezialisiert. Die Location gilt als eine der einflussreichsten Wild Ale-Produktionen der gesamten Craftbier-Branche. Von hier kommt auch das „Feral One“, ein Jahrgangsbier, das als Hommage an das Barrelworks-Gründungsjahr 2013 erinnern soll.

Neben geschmacklichen Innovationen gehören für Firestone und Walker auch die Themen Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung zu den wichtigen Erfolgsfaktoren der Brauerei. So stellt inzwischen eine knapp zehn Hektar großen Solaranlage sicher, dass der Großteil der Biere mit kalifornischer Sonne gebraut wird. Zwanzig Prozent des Energieverbrauchs des Sudhauses werden durch Dampfrückgewinnung der Kessel erzeugt und Millionen Liter Wasser werden von einem lokalen Reservoir eingespeist. Von den alljährlich anfallenden Biertrebern gehen rund 10.000 Tonnen an das Vieh lokaler Farmer. Für die beiden Gründer ist „die Brauerei ein Lebenswerk, das noch immer von uns, unseren Freunden, der Familie und den Kollegen getragen wird“.

Auch wenn der Corona-Hurrikan nicht spurenlos an der Brauerei vorübergezogen ist, blicken Adam Firestone und David Walker in eine rosige Zukunft und träumen von einem Ausstoß von einer Millionen Hektoliter. „Solange diese Dynamik bei uns lebendig ist und Bierbrauen ein leidenschaftliches Unterfangen mit sich ständig weiterentwickelnden Stilen und Marken bleibt, werden wir uns auch in schwierigen Zeiten behaupten können,“ resümiert David Walker. Sein Team strebe weiterhin danach, das perfekte Bier zu brauen, indem es mit Herz und Seele an dem Prinzip „Beer for Glory“ festhalte, das die Brauerei nach 25 Jahren so weit gebracht habe.

Erschienen im Meininger’s CRAFT Magazin für Bierkultur.

Brauer-Portrait: INALE – Gypsys mit ehrgeizigen Zielen

Andy und Matthias von INALE beim Tasting

Craftbier ist für die beiden gelernten Brauer Andy Marz und Matthias Pohl eine Lebenseinstellung. Durch ihre Tätigkeit beim Brauanlagenhersteller Krones konnten sie den internationalen Kreativbiermarkt genau beobachten und analysieren. So haben sie sich schließlich mit ihrer Marke „INALE“ auf die Fahnen geschrieben, dass sie nur mit absolut hochwertigen Produkten die Konsumenten überzeugen wollen. Deswegen setzen die Macher auf beste Rohstoffe, die wie sie selbst sagen „durch teils immense Einsatzmengen neue, völlig einzigartige Geschmackserlebnisse eröffnen.“ Aktuell sind Andy und Matthias noch als Gypsy-Brauer unterwegs und verwirklichen ihre Sude bei der Brauerei „Doppelleu“ in der Schweiz. Das Portfolio reicht von alkoholfreiem Pale Ale über Cream Ale, Wheat Ale, White Oat IPA und Brown Nut Ale. Neue Sorten sind bereits in Planung.

Welche Eigenschaften zeichnen eurer Meinung nach einen richtig guten Craft-Brauer aus?

Andy & Matthias: Ein guter Craftbrauer muss immer wieder den Fokus auf Qualität, handwerkliches Wissen und Können legen. Außerdem muss er Neuem offen gegenüberstehen. Im Idealfall findet sich genau dieser Anspruch einer Marke im Glas wieder. Das allein reicht aber mit Sicherheit nicht aus. Wir müssen den experimentierfreudigen Konsumenten begeistern und mitnehmen.

Was macht für euch ein wirklich außergewöhnliches Bier aus?

Matthias: Oft liegt ja das Außergewöhnliche in vermeintlich Einfachem. Daher überraschen mich immer wieder extrem gut gebraute, oft auch klassische Bierstile. Wir legen bei uns sehr viel Wert auf hohe Qualität und auch bei der Gestaltung der Flasche versuchen wir außergewöhnlich zu sein. Aber vor allen die harmonische und balancierte Rezeptur eines Bieres macht es schließlich einzigartig.

Andy: Biere deren Komposition passt: Aussehen, Geruch und Geschmack. Aber auch die, die mit Gegensätzen spielen. Ich freue mich immer wieder, wenn es jemand schafft, mit außergewöhnlichen Zutaten diese Balance einzufangen.

Was war das schrägste Bier, das ihr jemals getrunken habt?

Matthias: Im positiven Sinne das „Berry Vanilla Ale“ aus der Brewmaster Edition von Doppelleu. Mit Vanille und Erdbeere zu brauen ist schwierig und daraus einen leckeren, flüssigen Nachtisch zu machen, ist auch echt schräg.

Andy: Das Knox“ von Omnipollo hat mich umgehauen. Dabei handelt es sich um ein alkoholfreies, fruchtiges, spritziges und wahnsinnig leckeres Sauerbier.

Mit welchen ungewöhnlichen Zutaten würdet ihr gern einmal brauen?

Andy & Matthias: Besonders interessant finden wir momentan Alternativen zu klassischen Getreiden, etwa zum Brauen von glutenfreien Bieren. Aber auch die nahezu unerschöpfliche Vielfalt an obergärigen Hefen als Zutat und maßgebliche Geschmacksgeberin unserer Biere, fasziniert uns sehr.

Was sind eigentlich euere Lieblingsgerichte und was trink ihr dazu?

Matthias: Für mich verändert sich das immer wieder, so wie sich auch Geschmack generell verändert. Im Herbst und Winter liebe ich Schmorgerichte mit dunklen und kräftigen Soßen zu denen ich gerne ein dunkles, malzaromatisches Bier trinke, während im Sommer leichte, thailändische Reisnudelgerichte mit unserem IPA oder dem Cream Ale meine absoluten Favoriten sind.

Andy: Ich liebe Cobanos (Käsesandwich mit marinierter Wurst/Fleisch) dazu ein „0.1 PA-Alkoholfrei“ von uns und ich bin glücklich. Käse passt aus meiner Sicht immer wieder gut zum Bier und da ergeben sich viele Möglichkeiten gerade auch mal ganz privat ein kleines Foodpairing zu machen.   

Wie seht ihr die Entwicklung der Craft-Bierszene in fünf Jahren?

Andy & Matthias: In Deutschland wird sich Craftbier aus unserer Sicht weiter etablieren und eine immer größere Rolle in der Gastronomie spielen. Unsere Biere schmecken anders als die bekannten Bierstile und machen neugierig. Dabei wird alkoholfreies Craftbier immer mehr an Bedeutung gewinnen.

Und was habt ihr als Nächstes vor?

Andy & Matthias: Wir werden uns national weiterhin auf den indirekten Vertrieb fokussieren und unser Netzwerk weiter ausbauen. Wir wollen uns als neue Biermarke weiter etablieren und werden dabei sehr genau die Entwicklung des Biermarktes verfolgen. Wir haben mit unseren INALE-Bierstilen viel Raum für Neues geschaffen. Daher werden auch in Zukunft weitere neue Biere hinzukommen.

Bayerische Staatsbrauerei Weihenstephan: Erfolgsrezept mit Tradition und Innovation

Foto: Bayerische Staatsbrauerei Weihenstephan

Die Bayerische Staatsbrauerei Weihenstephan, einst gegründet von Benediktinermönchen, gilt mit ihrer rund tausendjährigen Geschichte als älteste Braustätte der Welt. Hinter den ehrwürdigen Mauern wirkt heute nicht nur hochmodernste Brautechnik, sondern auch ein Team mit vielen neuen Ideen.

Wer den heiligen Berg von Weihenstephan erklimmt, der betritt ein historisches Terrain, das umrankt ist von Legenden und Geschichten über Krieg, Plünderung, Zerstörung und wunderbaren Suden, die maßgeblich den Ruf des bayerischen Bieres begründeten. Seitdem hier oberhalb von Freising, rund 40 Kilometer nordwestlich von München, einst durstige Benediktinermönche begannen in ihren Sudkesseln zu rühren, hat sich einiges im Weihenstephaner Brautempel getan. „Unser Erfolgsrezept ist das Spannungsfeld zwischen althergebrachtem Wissen des Bierbrauens“, betont Brauereidirektor Dr. Josef Schrädler, „in Kombination mit moderner Wissenschaft.“

So gilt die Bayerische Staatsbrauerei Weihenstephan mit ihrer erstmals urkundlichen Erwähnung von 1040, als die Ordensbrüder das offizielle Brau- und Schankrecht erwarben, nicht nur als älteste Braustätte der Welt. Durch die Zusammenarbeit mit der Technischen Universität für Brauwesen und Getränketechnologie, die sich gleich nebenan befindet, zählt sie auch zu einer der innovativsten Bierproduktionen überhaupt. Bis die Brauerei sich mit diesem Status rühmen durfte, erlebten die Gründer turbulente Zeiten mit beispiellosen Schicksalsschlägen. Als die Weihenstephaner Mönche im Jahre 725 unter Leitung des heiligen Korbinian das Benediktinerkloster gründeten, folgte 955 die komplette Zerstörung der Braustätte durch die Ungarn. Nach dem Wiederaufbau plünderten und verwüsteten im Dreißigjährigen Krieg erst Schweden, dann Franzosen und später die Österreicher im Spanischen Erbfolgekrieg das Weihenstephaner Heiligtum. Zwischen 1085 und 1463 brannte das Kloster dann auch noch viermal vollständig ab und wurde durch drei Pestepidemien, Hungersnöte sowie ein starkes Erdbeben lahmgelegt.

Brauereichef Josef Schrädler. Foto: Bayerische Staatsbrauerei Weihenstephan

Erst 1803, während der Säkularisation, wurde die Klosterbrauerei aufgelöst und alle Rechte gingen an den bayerischen Staat über. Ihren heutigen Namen trägt die Staatsbrauerei erst seit 1921 und ist seitdem ein nach privatwirtschaftlichen Maßstäben geführtes Unternehmen. Dass die Braustätte heute über modernste Technik verfügt, ist größtenteils Brauereidirektor Josef Schrädler zu verdanken. Der 57-jährige Betriebswirtschaftler, der auch als Professor an der Weihenstephaner Universität lehrt, führt das Unternehmen seit gut zwanzig Jahren und schreckt vor keiner Prozessoptimierung zurück: „Wenn die Qualität unserer Biere in irgendeiner Weise noch besser werden kann, dann setzen wir das sofort um.“

Das Engagement der Freisinger Brauer wird sichtlich auch belohnt. Im Sortiment finden Bierliebhaber heute insgesamt 16 Sorten, die mit unzähligen Medaillen geehrt wurden. Als Flaggschiffe der Staatsbrauerei gelten ein bananiges Hefeweißbier und das „Original Helles“, das sich durch eine gewisse Malzigkeit und einen würzigen Hopfen-Touch kennzeichnet. Für Starkbier-Fans gibt es den 7,4-prozentigen, dunklen Doppelbock namens „Korbinian“ sowie den mehrfach prämierten Weizenbock „Vitus“ mit 7,7 Prozent Alkohol, der mit wuchtigen Noten von Banane und getrockneter Aprikose überzeugt.

1. Braumeister Tobias Zollo und Braumeisterin Sina Fürlauf

Braumeister Tobias Zollo, der einen Jahresausstoß von 450.000 Hektolitern verantwortet, erweitert sukzessive das Portfolio. So tüftelte er mit seinem Team ein Jahr lang an einem Rezept für ein neues Helles mit ganz unterschiedlichen Hopfensorten. „Obwohl wir mit unserem neuen Bier vor allem jüngere Zielgruppen ansprechen wollen, vereinen wir auch dabei Tradition mit Moderne,“ bekräftigt Zollo. So präsentiert sich das Helle denn auch mit frischem Design und in der bauchigen Retro-Euroflasche.

Dass all ihre Biere nach dem Reinheitsgebot und mit überwiegend regionalen Rohstoffen gebraut werden ist für die Freisinger zwar gesetzt, aber dabei beschreitet das Braukollektiv teilweise Wege, die den meisten Traditionsbrauereien noch fremd sind. Um sich auch in der Craft-Szene zu positionieren, setzen sie auf Kollaborationen mit ausländischen Kreativbrauereien. So entstand aus purer Experimentierfreude schon ein 10,5-prozentiges Champagner-Bier namens „Infinium“, das gemeinsam mit Samuel Adams aus Boston angesetzt und mit französischer Sekthefe vergoren wurde. Zudem brauten die Bayern vor zwei Jahren mit den kalifornischen Kultbrauern von Sierra Nevada den Kollaborationssud „Braupakt“. Dabei handelte es sich um ein Weißbier mit sechs Prozent Alkohol, das mit den amerikanischen Hopfensorten Chinook und Amarillo gebraut wurde. „Sobald es nach Corona wieder aufwärts geht, wird es wieder einen neuen spannenden Collab geben,“ verspricht Weihenstephaner Braumeisterin Sina Fürlauf. Ihr Team sei bereits mit australischen Brauern im Gespräch.

Josef Schrädler schätzt den Ehrgeiz seiner rund 160 Mitarbeiter. Seit der umtriebige Brauereichef in Weihenstephan die Geschäfte führt, hat sich vieles verändert. Die Staatsbrauerei vergrößert sich nicht nur stetig, auch der Absatz hat sich mehr als verdreifacht. Nach einer Investition von rund 16 Millionen Euro eröffnete er erst im vergangenen Jahr ein neues Logistikzentrum mit einer Fläche von 11.000 Quadratmetern, um auch bei einem Exportanteil von rund 60 Prozent die komplette Logistik aus einer Hand abwickeln zu können. „Da wir zu den modernsten Betrieben in unserer Branche gehören wollen, haben wir in den vergangenen Jahren sehr viel Geld in Technik investiert“, umschreibt Schrädler den Erfolg seiner Brauerei.

Foto: Bayerische Staatsbrauerei Weihenstephan

Dass sich niemand in der Staatsbrauerei auf den Lorbeeren ausruhen darf, gilt auf dem heiligen Berg als ungeschriebenes Gesetz. Aktuell ist ein neuer Lagerkeller und eine moderne Anlage zur Entalkoholisierung in der Planungsphase. Damit erhoffen sich die Freisinger vor allem einen Innovationssprung bei alkoholfreiem Weißbier, zumal sie schon seit langem bei solchen Suden einen kontinuierlichen Aufwärtstrend registrieren. Allein im vergangenen Jahr konnten sie mit ihrem Angebot ein Ausstoßplus von fast 40.000 Hektolitern verbuchen. Inzwischen gibt es auch ein bleifreies Helles, das auf neue Zielgruppen abzielt. „Unsere alkoholfreien Sorten sorgen jetzt auch außerhalb Deutschlands für steigendes Interesse“, weiß Matthias Ebner, der in der Freisinger Braustätte als internationaler Markenbotschafter fungiert.

Trotz zahlreicher Neuerungen und modernster Technik, präsentieren sich die Weihenstephaner nach wie vor als ältesten Braustätte der Welt. Vordenker Josef Schrädler ist sich aber bewusst, dass Tradition heute als Verkaufsargument allein nicht mehr reicht: „Es gehört zwar zum Zeitgeist, dass sich Verbraucher gern auf alte Werte besinnen und dabei regionale Produkte mit individuellem Charakter bevorzugen, aber man sollte dabei nicht vergessen, dass hinter einer alten Brautradition meist viel Erfahrung und hohe Qualität steht.“

Erschienen im MEININGER’S CRAFT MAGAZIN FÜR BIERKULTUR.

Brauer-Portrait: Jörn Mertins von der Brauerei Finne – „Ein Craft-Brauer muss mit Bier ins Bett gehen“

Jörn Mertins, Braumeister der Finne Brauerei in Münster

Münster galt einst als Bierstadt mit rund 100 Brauereien. Heute sind es nur noch sechs. Die wohl kreativste Braustätte der Stadt ist die Finne Brauerei im Kreuzviertel. Verantwortlich für die vielfältigen Bierspezialitäten ist Braumeister Jörn Mertins, der sich gern von Craft-Brauern rund um den Globus inspirieren lässt. So produziert er neben Helles, Pils, Scottish Ale und IPA auch saisonale Sude wie aktuell ein Maple Ale mit Ahornsirup. Alle Biere eignen sich auch ideal für den Einstieg in die Craftbier-Welt, denn sie bieten neben spannenden Aromen auch eine hohe Trinkfreude. Und das Besondere: Jörn verwendet nur Rohstoffe aus biologischem Anbau. Ziel des Finne-Teams ist es, irgendwann eine größere Brauerei in Münster zu besitzen, um die Sude in ausreichender Menge produzieren zu können.

Welche Eigenschaften zeichnen Deiner Meinung nach einen richtig guten Craft-Brauer aus?

Als Craft-Brauer muss man Bier lieben und ganz wichtig: Den Anspruch haben, dass Menschen, die das eigene Bier trinken, ebenfalls lernen Bier zu lieben. Dafür benötigt man höchste Ansprüche an den Brauprozess und die Rohstoffe. Man muss Kreativität einbringen und sich immer verbessern wollen. Mit Bier ins Bett gehen, davon träumen, und mit Bier wieder aufstehen. Und dann den besten Sud brauen, den man je zuvor gemacht hat. Das ist ein Craft-Brauer.

Was macht für Dich ein außergewöhnliches Bier aus?

Ein außergewöhnliches Bier ist ein Bier, auf das man außergewöhnlich oft Bock hat. Es muss das bestimmte Etwas haben, aber auch in der Reihe trinkbar sein. Für uns muss das nicht unbedingt heißen, dass Zutaten verwendet wurden, die man so noch nie in der Kombination gesehen hat.

Was war das schrägste Bier, das Du jemals getrunken habt?

Puh, da gab es Einiges. Schräg und gut war etwa das „Cucumber Killer Ale“, quasi ein Gurkenbier, oder auch das „Green Tea IPA’S“, eine besonders schöne Vereinigung von grünem Jasmin Tee und hopfenbetonten Bier.

Mit welchen ungewöhnlichen Zutaten würdest Du gern einmal brauen?

In schlechten Zeiten wurde früher häufiger auch mit Molke gebraut. Da wir in Münster eng mit der Hafenkäserei kooperieren, würden wir gerne zeitnah mal ein Molkebier ausprobieren. Darin dann Fenchel, Kümmel und Koriander mit einbrauen. Dann haben wir den Rotschmierkäse „Munterer Matrose“ der Hafenkäserei als Bier in der Flasche.

Was ist eigentlich Dein Lieblingsgericht und was trinkst Du dazu?

Da halten wir es westfälisch traditionell. Rinderroulade mit Salzkartoffeln und Rosenkohl. Dazu unser kräftiges Pils. Besser geht es nicht.

Wie siehst Du die Entwicklung der Craftbier-Szene in fünf Jahren?

Einige der größeren Player werden sicher weiterwachsen und ihre Biere deutschlandweit gut positionieren. Es werden aber auch einige auf der Strecke bleiben. Wir sehen Kollegen, die viel Aufwand betreiben. Da muss es sich irgendwann auch finanziell lohnen, um am Ball zu bleiben. Das werden leider nicht alle schaffen. Wir persönlich glauben stark an den regionalen Charakter von Craftbier. Vor Ort kann man Menschen leichter erreichen und das Bier emotionaler präsentieren. Wir glauben, dass sich die erfolgreichen Craft-Brauer entweder mit einem externen finanziellen Antrieb deutschlandweit positionieren oder regionale Größen sind. Dafür muss man aber auch den Weg über den Lebensmitteleinzelhandel gehen. Der Absatz in kleinen Craftbier-Läden ist sehr überschaubar. Allein hier in Münster sind in den letzten drei Jahren drei Läden geschlossen worden. Somit gibt es hier gar keine kleinen Händler mehr. Leider.

Und was hast Du als nächstes vor?

Wir wollen unsere „Seasonal Brew“-Reihe weiter verfestigen. Neben unseren sechs Klassikern bringen wir zu jeder Jahreszeit ein neues Bier raus, das zur Jahreszeit passt. Das kommt klasse an und holt viele Craftbier-Neueinsteiger gut ab. Zudem wollen wir eine neue Pale Ale Reihe starten.

Brauer-Portrait: Felix vom Endt von Orca Brau – Vom Bierblogger zum Kreativbrauer

Felix vom Endt von Orca Brau

Felix vom Endt gilt als einer der umtriebigsten Brauer im Lande. Der 33-Jährige stammt eigentlich vom bayerischen Starnberger See, zählt zu den ersten Bierbloggern der Republik, begann das Brauhandwerk auf einer längeren Kanadareise wirklich zu lieben, arbeitete nach seiner Rückkehr bei der „Berlin Beer Academy“ in der Hauptstadt und ging dann bei der Craft-Brauerei „Heidenpeters“ in die Lehrjahre. Sein Traum, einen eigene Braustätte zu eröffnen, rückte näher, als Johannes Heidenpeters neue Kessel kaufte. Felix übernahm das alte Equipment und gründete 2017 im Norden von Nürnberg, in der Heimatstadt seiner Frau, seine eigene Marke „Orca Brau“. Dort produziert er nun auf seiner 5-Hektoliter-Anlage besonders kreative Sude jenseits des Massengeschmacks und gern auch fernab des deutschen Reinheitsgebotes. Felix braut nach dem „Natürlichkeitsgebot“ und setzt gern Biere mit frischen Himbeeren, Rosmarin oder Zitronenzesten an. Mit seinen Sorten lädt er seine Fans immer wieder auf eine Reise in neue Genusswelten ein.

Welche Eigenschaften zeichnen Deiner Meinung nach einen richtig guten Craft-Brauer aus?

Wenn wir über „craft beer“ reden, dann denke ich immer sofort an Kreativität, Mut und absolute Besessenheit vom Produkt mit all seinen Facetten. „Craft beer“ beginnt bei mir im Kopf. Es ist eine Philosophie, eine Grundeinstellung das „Bier“ neu zu denken, voran zu treiben und immer weiter zu entwickeln. Ebenso muss eine ordentliche Portion Mut vorhanden sein, da „Craft Beer“ ein Produkt ist, dass sehr speziell ist, erklärt werden muss und einfach viel Geld kostet.

Alles keine einfachen Voraussetzungen…

Ja, vor allem muss sich die Besessenheit zum Produkt in all seiner Vielfalt zeigen. Es geht um Qualitätsbewusstsein, Einsatz bester Rohstoffe, nie still zu stehen und mit sich und seinem Bier zufrieden zu sein. Dazu gehört Fortbildung und Weiterentwicklung sowie einer großen Liebe zum Bier. Ganz zuletzt sollte man probieren immer wieder auch die Eigenschaften Spaß und Lockerheit mit reinzunehmen. Ich glaube nur dann geht die Mischung auf. Eine große Herausforderung.

Was macht für Dich ein wirklich außergewöhnliches Bier aus?

Es muss mich auf irgendeine Art emotional berühren, da ist der Stil eigentlich fast egal. Das kann ein Lagerbier genauso wie ein Barrel Aged Imperial Stout oder andere Sorten sein. Das kann vom einzigartigen Geschmack hin zu der Umwelt, in der ich das Bier trinke, alles sein.

Was war das schrägste Bier, das Du jemals getrunken hast?

Da gab es eine Menge Sorten im Laufe der Jahre. Ein paar sind etwas stärker in Erinnerung geblieben und verblassen auch nicht so schnell. Da ich auch selbst manchmal gerne „schräge Zutaten“ verwende, ist es aber trotzdem die größte Herausforderung, damit so arbeiten zu können, dass sie gleichzeitig auch trinkbar sind. Wenn ich mich an meine aktive Zeit während „orca brau“ erinnere, also die letzten drei Jahre, dann kommt eigentlich immer wieder die „Room-Serie“ von „Freigeist Bierkultur“ in meinen Kopf. Das „Tomato Bier“, das wir zusammen mit „Freigeist“ und „Pirate Brew“ gebraut haben, war trotz des Einsatzes von Tomatenpüree, Salz, Chipotles und einigen weiteren Zutaten ein wirklich erstaunliches, aber trinkbares Bier, das ist schon schräg.

Mit welchen ungewöhnlichen Zutaten würdest Du gern einmal brauen?

Ungewöhnliche Zutaten sind bei uns eigentlich so ein Steckenpferd. Mir fallen auf Anhieb gleich einige ein, die tatsächlich auch schon länger auf der Liste stehen, das verrate ich aber nicht. Aktuell finde ich das Brauen mit historischen Kräutermixturen sehr spannend. Mit der Thematik „Gruit Ales“ wollen wir uns in diesem Jahr etwas stärker auseinandersetzen, auch die norwegischen Farmhouse Ales, bei denen einfach mal die Würze durch einen Baumstamm geführt oder mit ganzen Ästen gebraut wird, gefällt mir sehr. Grundsätzlich sind wir als Brauerei im Knoblauchland Nürnberg ansässig, eines der größten zusammenhängenden Gemüseanbaugebiete Deutschlands. Hier gibt es auch noch viele Kleinbetriebe, die spannende Sachen machen und wenn man manchmal mit dem Fahrrad durch die Felder radelt, begegnet man ganz interessanten Sachen, die man auch direkt vor Ort einfach mal testen kann. 

Was ist eigentlich Dein Lieblingsgericht und was trinkst Du dazu?

Ich esse und koche unglaublich gern. Lieblingsgerichte habe ich viele, aber ich nehme immer ganz gern die Pizza, in allen Varianten. Erinnert mich immer ans „craft beer“, die Grundvoraussetzung ist immer gleich und der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Dazu ein schönes schlankes hopfig fruchtiges Pale Ale und alles ist gut.

Wie siehst Du die Entwicklung der Craft-Bierszene in fünf Jahren?

Es wird sich mehr und mehr die Spreu vom Weizen trennen. Der Markt in Deutschland ist aktuell unglaublich klein, hat aber noch eine Menge Potential. Wir werden mehr und mehr lokale und kleine Craft-Bierbrauereien sehen, die in ihrem regionalen Markt großen Erfolg haben werden. Hier zählt vielleicht manchmal die Devise „weniger ist mehr“. Es gilt auch, die Balance zwischen traditionellen und modernen Bierstilen zu halten. Pale Ales, IPAs und weitere eher klassische „craft beer“-Sorten werden mehr und mehr Mainstream und „normal“ werden. Ein gutes Lagerbier in Form von einem Hellen oder Pils wird essenziell sein.

…und wie siehst Du die Preisgestaltung?

Es wird einen Preisrutsch nach unten geben, aber auch im höherpreisigen Segment werden sich einige Brauer ansiedeln können. Es wird sich eine starke Nische entwickeln, in der auch wirkliche Spezialitäten-Brauereien Erfolg haben können. Insgesamt wird es ein paar Brauereien gegeben, die mit dem nötigen Kapital ein gewisses Wachstum erzielen können und wir werden sicherlich noch einige bekannte Namen erleben, die es in fünf Jahren nicht mehr geben wird.

Was hast Du als Nächstes vor?

Grundsätzlich habe ich leider immer viel zu viel vor und weiß manchmal gar nicht was als nächstes kommt, aber aktuell ist alles ziemlich einfach. Wir bekommen ab Mitte des Jahres eine neue Brauanlage (10hl-System), neue Tanks, einen neuen Boden und so weiter. Wir werden also endlich nach drei Jahren so langsam erwachsen und können uns damit für die Zukunft richtig gut aufstellen, was für uns als Familie die perfekte Ausgangsposition ist, um unseren Traum weiter zu verwirklichen und die Selbstständigkeit als kleines Familienunternehmen zu leben. 

Brauer-Portrait: Hopfenkopf – „Die K/Craft liegt im Rohstoff“

Vom Hobby zum Beruf: Die drei Freunde Christian Krumbachner, Hans-Peter Gaßner und Robert Wurm aus Feichten an der Alz, nahe dem Pilgerort Altötting, gründeten vor knapp drei Jahren ihre Marke „Hopfenkopf“. Jahrelang tüftelte das Team in seiner Freizeit bereits im hauseigenen Keller mit einem 20-Liter-Kessel. Insgesamt 40 Testsude produzierten die Kumpels, bis endlich das Rezept für „s’Mandal“ stand und das Bier in den Verkauf ging. Dabei handelt es sich um ein klassisches Weißbier, das mit dem Hopfen Mandarina Bavaria gebraut wurde. Seit rund einem Jahr wurde die Hopfenkopf-Truppe um den österreichischen Kreativbrauer Martin Seidl erweiterte. Dieser brachte sein ungewöhnliches Stout „Schwarze Tinte“ mit ins Portfolio und schuf damit eine würdige Ergänzung für das oberbayerische Label. Gebraut wird in Bad Tölz und in Landshut.

Die Fragen beantwortete Martin Seidl:

Martin, welche Eigenschaften zeichnen Deiner Meinung nach einen richtig guten Craft-Brauer aus?

Craft heißt für mich nicht, dass jemand extreme Biere mit viel Hopfen oder Alkohol braut. Craft heißt für mich, dass ein Bier handwerklich und mit feinsten Rohstoffen produziert wird. Wir setzen beispielsweise bei unserem Hellen namens „Babba“ nur bestes Gerstenmalz aus kleinen Mälzereien und Hopfen direkt vom Bauern ein. Wir beschränken uns auf Hallertauer Mittelfrüh und Hersbrucker. Das sind beides keine Hochalphasorten, bringen aber eine hohe Süffigkeit und feinstes Aroma.

So unterscheidet sich unser Helles von herkömmlichen Industriebieren und macht es zu etwas Besonderen. Für uns gilt: Ein guter Brauer wird an seinem Hellen oder am Pils gemessen und nicht an IBU-Werten, hohen Stammwürzen oder alternativen Rohstoffen.

Was macht für Dich ein wirklich außergewöhnliches Bier aus?

Es sind vor allem die Rohstoffe und die Drinkability, die für mich ein besonderes Bier ausmachen. Als Beispiel nenne ich gern die Sorten von Schorsch Tscheuschner, dessen Schorschbräu-Sude zwar einen hohen Alkoholgehalt haben, aber dennoch sehr fein ausbalanciert sind. Ein außergewöhnliches Bier sollte also optimal abgerundet und dennoch nicht alltäglich sein.

Was war das schrägste Bier, das Du jemals getrunken hast?

Das war das „Mangalitza Milk Stout“ von der Brauküche 35. Es ist schon echt schräg, wenn geräucherte Schweinekopfhälften im Sud mitkochen und dann doch ein trinkbares Bier daraus wird. Beim Verkosten war ich überraschenderweise gar nicht so geschockt, wie beim Lesen der Braubeschreibung.

Mit welchen ungewöhnlichen Zutaten würdest Du gern einmal brauen?

Da ich Innviertler bin, stehe ich ja nicht immer unter den Vorgaben des Reinheitsgebots. Da wir in unserer Region gern auch Mostschädel genannt werden, würde ich gerne mal mit Mostbirnen oder Williamsbirnen brauen bzw. einen Hybrid aus Most und Bier herstellen.

Was ist eigentlich Dein Lieblingsgericht und was trinkst Du dazu?

Ich bin da ganz einfach gestrickt: Ein Wiener Schnitzel vom Schwein mit Semmelknödel (bei uns im Innviertel isst man das so!) und dazu unseren „Babba“. Gern aber auch Weißwürste mit unserem Weizen.

Wie siehst Du die Entwicklung der Craft-Bierszene in fünf Jahren?

Leider übertreiben es immer noch viele Craft-Brauer immer mit neuen extremen Bieren und ständig kommt ein neuer Bierstil auf den Markt, der viele Einsteiger eher verschreckt als anlockt. Viele Konsumenten sind dadurch überfordert. Ich bin der Meinung, dass in fünf Jahren leider die Hälfte aller neuen Crafties vom Bierfirmament verschwinden wird. Der Biermarkt wird nicht mehr Hektoliter hergeben, deswegen geht es darum, mit Verdrängung mehr zu produzieren.

Was heißt das konkret?

Wer sich künftig als Startup im Markt etablieren will, wird sehr schwer werden. Brauer, die sich schon einen Namen gemacht haben, nicht aufs Gypsy-Brauen angewiesen sind und ein gutes Vertriebsnetz haben, werden überleben. Auch die großen Brauereien werden ihre Hektoliter, die sie bis jetzt verloren haben, nicht kampflos aufgeben und deswegen auch mit neuen Bieren auf den Markt kommen. Das Haifischbecken wird also voller werden. Um kostengünstig produzieren zu können, ist es an der Zeit, dass sich viele „Kleine“ zusammentun und gemeinsam in Füllereien und Brauereien investieren. Das gilt auch für den Transport und bei der Bildung von Liefergemeinschaften, um miteinander die gleichen Händler zu bedienen. Nur so sind die meisten Startups überlebensfähig.

Brauer-Portrait: Hausfreund – „Ein Brauer muss sich an seinem Bier messen lassen“

David, Andy und Moritz von Hausfreund

„Einen Hausfreund braucht jeder“, heißt es bei den Machern der Marke Hausfreund aus Ottobrunn bei München, „mit ihm wird es nie langweilig.“ Und genau das haben sich Moritz, David und Andy auf die Fahnen geschrieben. Sie experimentieren fleißig bei den Rohstoffkombinationen und bringen somit bei hoher Trinkfreude einen kreativen Touch in ihre Sude. Moritz, der die Marke vor rund drei Jahren gründete, ist mit David für die Außendarstellung im Vertrieb und auf Festivals zuständig. Andy ist studierter Braumeister sowie ausgewiesener Hopfenexperte und somit zuständig für die Biere. Neben einem ungewöhnlichen Hellen, das mit den vier Hopfensorten Melon, Perle, Saphir und Cascade gebraut ist, führen die Münchner auch diverse andere Sorten: German Pale Ale, IPA, Imperial Stout und saisonale Sude wie etwa ein „Oktober Pale Lager“ oder einen „Wet Hop Weizendoppelbock“ im Portfolio.

Die Fragen beantworten Moritz und Andy gemeinsam:

Welche Eigenschaften zeichnen Eurer Meinung nach einen richtig guten Craft-Brauer aus?

Andy: Neben Tattoos und Bart, die Kenntnis der Rohstoffe und wie man sie einsetzt sowie Flexibilität im Prozess und vor allem gute Qualität des Endproduktes.

Moritz: … dem kann ich mich nur anschließen. Ein guter Brauer muss sich an seinem Bier messen lassen.

Was macht für Euch ein wirklich außergewöhnliches Bier aus?

Moritz: Eine außergewöhnliche Story, besondere Zutaten oder auch einfach eine außergewöhnliche Interpretation, die das Bedürfnis steigert, das Bier zu probieren.

Andy: Eine gute Drinkability gepaart mit gutem Aroma und außergewöhnlichem Geschmackserlebnis.

Was war das schrägste Bier, das ihr jemals getrunken habt?

Andy: Das war ein Oyster Stout, das mit Austernschalen gebraut wurde.

Moritz: Was ist schräg heutzutage? Man hört oft von sehr schrägen Bieren, leider bekommt man die selten tatsächlich in die Hände. Aber es gab schon einige Sude, die mir zwar aufgrund von Zutaten wie Thaibasilikum, Chili-Pfeffer, Salz usw. schräg klangen, aber doch sehr gut und ausgewogen geschmeckt haben. Es waren aber auch einige Sude dabei, die geschmacklich sehr schräg geblieben sind.

Mit welchen ungewöhnlichen Zutaten würdet ihr gern einmal brauen?

Andy: Mit sibirische Bärenknochen😉… Spaß beiseite. Das Reinheitsgebot limitiert uns natürlich bei ungewöhnlichen Zutaten. Wir haben angelehnt an die Single Hop IPA‘s (SHIPA) aber letztes Jahr Biere gebraut, bei denen wir den die Hopfensorten von nur einem Hof genommen haben (Single Farm Hops).

Moritz: Wir haben aber auch ein paar Ideen für Ausnahmegenehmigungen…

Was ist eigentlich Euer Lieblingsgericht und was trinkt ihr dazu?

Moritz: Ich esse am liebsten was Lokales mit einem lokalen Bier und lass mich überraschen. Ein schönes Cordon Bleu mit einem guten Hellen geht aber fast immer.

Andy: … oder eine Pizza Quattro Formaggi mit einem leichten Pale Ale.

Wie seht ihr die Entwicklung der Craft-Bierszene in fünf Jahren?

Moritz: Ich denke, dass vor allem das Segment Gasthausbrauerei bzw. „Brewpub“ wachsen wird. Sicher werden aber auch noch einige „Neue“ dazu kommen und auch noch mehr internationale Marken auf den deutschen Markt drängen. Alles in allem denke ich, dass die Szene noch deutlich wachsen wird.

Andy: Ich glaube, das Craft-Bier insgesamt noch regionaler werden wird und vor allem auch im regionalen Biermarkt aufgehen wird.

Und was habt ihr als Nächstes vor?

Moritz & Andy: Wir planen gerade ein Kollaborationsbier mit unseren Freunden von Higgins Ale Works und Jeremy von Neshaminy Creek Brewing Company. Außerdem arbeiten wir an einem neuen IPA, dass wir hoffentlich im Verlauf des Frühjahres präsentieren können.