India Pale Ales (IPA) genießen seit langem den Ruf als wandelbare Ikone der Craft-Bierbewegung. Nach „Session IPA“, „New England IPA“ und „Milkshake IPA“ markieren jetzt knochentrockene „Brut IPAs“ – gebraut mit speziellen Enzymen oder feinster Hefe – den aktuell heißesten Trend.
Vor der Experimentierfreudigkeit junger Craft-Brauer bei modernen IPAs blieb bislang keine Hopfen- oder Malzsorte und keine Hefekultur verschont. Auf der Jagd nach immer neuen Aroma-Kicks entwickelten kreative Hopfenzauberer jetzt das knochentrockene Brut IPA. Erfunden hat diese neue IPA-Spielart angeblich Kim Sturdavant, Braumeister von Social Brewing in San Francisco. Seine Idee: In den Sud kommt ein ganz spezielles Enzym (Amylase), das normalerweise bei Porter oder Stout eingesetzt wird, um diese Bierstile schlanker zu gestalten, ohne den Alkoholgehalt zu minimieren. „Es ist schon eine Herausforderung für jeden Brauer, ein solches Bier hinzukriegen“, sagt der kalifornische Aroma-Zauberer.
Sturdavants erste Brut-Version namens „Hop Champagne“ floss im November 2017 in der brauereieigenen Location vom Hahn. Seitdem scheint sich rund um den Globus ein neues IPA-Fieber auszubreiten. Vor allem in amerikanischen Craft-Locations sind Brut IPAs vom Zapfhahn nicht mehr wegzudenken. Aber was ist dies eigentlich für ein Bier? Der Begriff „brut“ wurde aus der Champagner-Welt adaptiert und steht ursprünglich für einen sehr trockenen Schaumwein. Auch beim Bier geht es jetzt um einen staubtrockenen, prickelnden Sud, mit geringen Malzcharakter und minimaler Restsüße. Dabei sollen die Fruchtnoten des Hopfens das Aroma dominieren, aber kaum Bittereinheiten aufweisen.
Zu den ersten Nachahmern von US-Brauer Sturdavant gehört Seth Wile von San Francisco Magnolia Brewing. Er setzt jedoch weniger auf fruchtig-saftige Hopfennoten, sondern kreiert seinen eigenen Touch mit eher würzig-blumigen Sorten. Eine besondere Interpretation kommt auch von Drake’s Brewing in San Leandro. Dort kreierte John Gillooly ein 7,8-prozentiges Extra Brut IPA mit der deutschen Bezeichnung „Trocken“. Für die weinigen Komponenten sorgt die Hopfensorte Hallertauer Blanc, die Zitrusnoten liefern Amarillo und Mandarina Bavaria.
Auch hierzulande tüfteln inzwischen Kreativbrauer an den ersten Brut IPAs. Einer der hiesigen Vorreiter ist Bryan France von Yankee & Kraut aus Ingolstadt. Der gebürtige Amerikaner entwickelte ein ureigenes Brut-Rezept und tauschte sich vor der Finalisierung des Trunks noch mit US-Brauer Sturdavant aus. Jetzt kam das 6,8-prozentige, schlanke und sehr fruchtige Brut IPA namens „Dry Humor“ auf den Markt. Für die Aromatik sind die Hopfensorten Topaz, Ariana, Callista und Hüll Melon verantwortlich. France freut sich über diese Pionierleistung: „Es ist gar nicht so einfach, so ein Bier zu brauen, da hier sehr viele, perfekt aufeinander abgestimmte Komponenten zusammenkommen.“
Fast zeitgleich wie der Yankee-Tropfen stand das Brut IPA „Sonoma“ von Oliver Wesseloh in den Regalen. Das Besondere: Der Chef der Hamburger Kreativbrauerei Kehrwieder reduziert die Restsüße seines 8,5-prozentigen Bieres sogar auf 0,05 Prozent. Für Duft und Geschmack verwendet er sieben hocharomatische Hopfensorten: Hüll Melon, Callista, Ariana, Mosaic, Chinook, Amarillo und Simcoe. Das spannende an dieser IPA-Variante ist eine extrem hohe Fruchtigkeit bei sehr schlanken Körper und einer moderaten Bittere. „Wegen all diesen Charakteristika halte ich Brut IPAs derzeit für den nachhaltigsten Trend beim ganzen IPA-Ableger-Wahn“, urteilt Wesseloh.
Eine etwas leichtere Version führt Thorsten Schoppe von Schoppe Bräu in Berlin im Portfolio. Sein „Cuvée Brut x Ale“ mit sechs Prozent Alkohol bezeichnet er als „Schampus der Straße“. Der Berliner ließ das trockene Ale mit Champagner-Hefe vergären und aromatisierte es mit den Hopfensorten Hallertauer Blanc, Mosaic und Cascade. Eine weitere IPA-Besonderheit kommt von der Bunthaus Brauerei in Hamburg-Wilhelmsburg. Dort fließt seit kurzem ein „Nelson Sauvin Extra Brut“ vom Hahn, dass sie durch lange Beta-Amylasen und Zugabe weiterer Enzyme seinen trockenen Charakter bekommt. Der australische Nelson Sauvin Hopfen verleiht dem Sud einen fruchtigen Weißwein-Touch.
Auch Braufactum aus Frankfurt spielt sich bereits an trockenen IPAs. Chef Marc Rauschmann verzichtet dabei aber bewusst auf den Begriff „Brut“. Er bevorzugt „Dry“. Der erste Versuch war das Dry White IPA namens „Sina“, dass durch eine besondere Hefe sehr trocken wurde und vom Hopfenmix ein Aromaspektrum von tropischen Früchten und grüner Banane vorlegt. Für Yankee-Brauer France sind solche Entwicklungen noch lange nicht das Ende der Fahnenstange. Seine Prognose: „Craft-Bierfans dürfen sich auf eine neue IPA-Ära freuen.“
Erschienen im Meiningers CRAFT Magazin für Bierkultur.
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