Schräge Biere: Aromawummen im Milchshake-Stil

Immer mehr Brauer entdecken Vanilleschoten als ungewöhnliche Zutat für kräftige Sude. Mit dem exquisiten Gewürz erzielen sie ungewöhnliche Aromen in Stouts, Porters und IPAs, die häufig sogar an Eiscreme erinnern.

„Mexican Vanilla Piña Colada Milkshake IPA“ von Omnipollo

Vanille zählt zu den teuersten Gewürzen der Welt. Im Kilopreis sind die Schoten der Orchideen-Pflanze, die ursprünglich in Mexiko und Mittelamerika wuchs, heute überwiegend auf Madagaskar, Réunion und anderen Inseln im Indischen Ozean stammen, fast so teuer wie Silber. Grund dafür ist der aufwendige Reifeprozess. Erst durch monatelange Trocknungs- und Fermentierungsprozesse entsteht das typische Aroma der Vanille, das in fast keinem Luxus-Dessert fehlen darf und neuerdings auch immer häufiger in experimentellen Bieren auftaucht.

Für motivierte Craft-Brauer ist wohl kaum eine Zutat zu teuer. Denn vermehrt entdecken sie den Geschmack der Vanille für besonders aromatische Sude. Angeblich eignet sich die Königin der Gewürze überwiegend für dunkle und kräftigere Sorten wie etwa Stout oder Porter. Aber auch ein gut ausbalanciertes India Pale Ale harmoniert mit den aromatischen Schoten der südlichen Erdkugel. Dabei wird der Vanille-Geschmack durch verschiedene Methoden ins Bier gebracht. Die Schoten können mitgekocht, bei der Gärung hinzugegeben oder zur Veredelung mit ins Fass gelegt werden. Häufig wird aber auch nur preisgünstiges Vanilleextrakt zur Aromatisierung verwendet.

Zu den Vorreitern bei Vanille-Bieren zählen zählt die US-Brauerei 3 Floyds. Dessen „Pillar of Beasts“ präsentiert eine ganz besondere Aromawucht und legt dabei noch ordentliche 14,5 Prozent Alkohol vor. Bei dem Sud handelt es sich um einen Barley Wine, der zwölf Monate mit Vanilleschoten und Kakaobohnen in alten Bourbon-Fässern schlummert. Solch kräftige Sude harmonieren offensichtlich sehr gut mit dem besonderen Gewürz. Auch die renommierte Craft-Stätte Prairie Artisan Ales aus Oklahoma verfeinert ihr 13-prozentiges Imperial Stout „Prairie Bomb“ mit Zutaten speziellen Zutaten wie Schokolade und Chilli – die Vanilleschoten sorgen dabei für den Extrakick. Auf „ratebeer“ zählt diese Aromawumme zu den 50 besten Imperial Stouts der Welt.

Viele Craft-Fans rund um den Globus stehen inzwischen auch auf helle Vanilla-Biere. Einer der Renner der schwedischen Manufaktur Omnipollo ist das „Mexican Vanilla Piña Colada Milkshake IPA“, das aus einer Kollaboration mit der US-Brauerei Tired Hands Brewing Co. entstammt. Das IPA mit Laktose, Vanille und 7,2 Umdrehungen erlangt zusätzlich eine enorme Fruchtigkeit, die geschmacklich an exotischen Piña Colada erinnert. Auch die polnischen Brauer von Ale Browar legen mit ihrem Milkshake Pale Ale namens „Shake the World“ eine echte Vanille-Bombe vor, die sich in Verbindung mit Cascade-Hopfen wie ein prickelnder Milchshake präsentiert.

Als weitere Bier-Attraktion mit dem Gewürz aus dem Indischen Ozean gilt das 5,5-prozentige „Orange Velvet“ aus Norwegen. Die Brauer von Lervig Aktiebryggeri packten für dieses ungewöhnliche IPA neben Vanille auch frische Mango und Limette in die Sudkessel. In San Diego produzierten die Macher von Belching Beaver indes ein „Orange Vanilla IPA“, das geschmacklich an ein Orangen-Milcheis erinnert. Dass jedoch eine neuseeländische Brauerei namens McCashin’s sogar ein Pils mit Vanille aromatisierte, mag für Puristen ziemlich schräg klingen. Immerhin schnitt das „Coconut Vanilla Pilsner“ mit schlanken 4,6 Prozent bei der Bewertungsplattform „Untappd“ mit mehr als drei von fünf Punkten ab.

Erschienen im Meininger’s CRAFT Magazin für Bierkultur. (4/2019)

Schräge Biere: Immer auf die Nüsse

Erdnuss, Walnuss oder Pekannuss: Craft-Brauer entdecken Schalenfrüchte gerade als individuelle Zutat für ihrer Biere und kreieren damit ganz ungewöhnliche Aroma-Kicks.

Credit: Pixabay_Jackmac34

Für viele Menschen gibt es kaum einen besseren Snack zum Bier, als gesalzene oder geröstete Nüsse. Und weil das Pairing so gut funktioniert, packen mutige Brauer diverse Nussspezialitäten gleich mit in den Sudkessel. Das mag schräg klingen, aber einigen Craft-Zauberern gelingen derzeit wirklich köstliche Nuss-Biere, die ein wahres Geschmackfeuerwerk auf der Zunge zünden.

Craft-Brauer sind jetzt also auch auf die Nuss gekommen. So wundert es nicht, dass Liebhaber kreativer Sude immer mehr Biere in den Regalen finden, die mit Erdnüssen, Walnüssen, Haselnüssen oder Pecannüssen, aber auch mit Kastanien, veredelt sind. Dabei experimentieren Kreativbrauer fast mit jedem Bierstil. Nussvariationen finden sich in Pale Ales, IPAs, in Porters oder Stouts und erobern damit einen ganz neuen Aromenkosmos.

Wie gut die Kombination von Nüssen und Hopfen funktionieren kann, beweist die US-amerikanische Brauerei Noon Whistle aus Illinois, die erst kürzlich ein IPA namens „Mr. IPA-Nut“ auf den Markt brachte. Im Sudkessel landeten geröstete Honig-Erdnüsse, dessen Aroma sich im Geschmack mit fruchtigen Hopfennoten vereinen und ein salziges Finish ergeben. Das kommt bei Craft-Fans wohl so gut an, dass es nicht mehr ganz so einfach ist, dieses Nuss-IPA noch irgendwo zu bekommen.

Bei solchen Nachfrageerfolgen setzten auch andere US-Brauer auf Erdnusspower. So legte jüngst das Team von Loggers Brewing Company aus Michigan ein 5,6-prozentiges Bier mit dem seltsamen Namen „We Creamed our Peanuts Oatmeal Crème Peanut Stout” vor. Für den süßlich-originellen Geschmack gaben die US-Brauer rund 150 Kilo frischgeröstete Erdnüsse nebst Haferflocken in den Sudkessel. Die Zutaten formen das Bier zu einer echten Geschmackswucht. Wer es jedoch etwas weniger heftig mag, kann auf ein Pale Ale der Londoner Biermanufaktur Deviant & Dandy’s zurückgreifen, das auf einen sanften Nuss-Touch baut.

Seine Vorliebe für Schalenobst hat Florian Kuplent, Gründer der Urban Chestnut Brewing in St. Louis, offensichtlich gleich mit in seinem Firmennamen verarbeitet. Seine Brauerei heißt übersetzt nichts anderes als „städtische Kastanie“. So wundert es kaum, dass ein Ale namens „Winged Nut“ zu den Flaggschiffen des Hauses zählt. Das Chestnut-Team braut das Bier mit feingemahlenen Kastanien sowie Willamette-Hopfen und vergärt es mit bayerischer Weißbier-Hefe. Das Ergebnis ist ein leicht röstiges, bananiges dunkles Weizenbier mit ungewöhnlicher Bitter-Note und markantem Nuss-Aroma.

Neben Kastanien und Erdnüssen gelten auch Walnüsse als neue Aroma-Stars bei Craft-Brauern. Auch die Berliner Bierfabrik braute gerade erst wieder ihr 6,5-prozentiges, nachtschwarzes „Ahorn Walnuss Stout“. Dafür röstete das Team um Sebastian Mergel die Schalenfrüchte in Handarbeit. Am Gaumen präsentiert sich das Bier samtig-weich mit schokoladigen, holzigen und mild-süßen Aromen. Im Finish zeigen sich dann die Walnüsse gewohnt leicht pelzig und herb auf der Zunge.

Dass die Experimentierfreude der Brauer mit speziellen Nusskreationen noch längst kein Ende findet, zeigen auch viele andere Sude rund um den Globus. So finden Craft-Fans heute auch Brown Ales mit gerösteten Pekannüssen, Porter mit Macadamia-Nüssen und Milk Stouts mit Mandeln oder Pistazien. In Oregon lässt die Wolves & People Farmhouse Brewery ihr 4,7-prozentiges Table Stout namens „La Truffe“ sogar auf jeder Menge Haselnüssen zusammen mit weißen Trüffeln altern. Solche Biere sollen polarisieren, sind aber nicht unbedingt für den Jedermann-Geschmack.

Erschienen im Meiningers CRAFT Magazin für Bierkultur.