Zimt, Muskatnuss oder Safran: Craft-Brauer entdecken zunehmend die Welt der Kräuter und Gewürze als besondere Zutaten für ungewöhnliche Sude. Einige Biere gelten als wahre Spezialitäten, während andere ein echt schräges Spiel am Gaumen treiben.

Es gibt sie frisch, getrocknet, in verschiedensten Farben und Formen. Sie präsentieren sich in Blatt-, Rinden-, Wurzel-, Samen-, Blüten- oder Fruchtform und sind bekannt als Heilmittel, Wachmacher, Stimulanz und Würzzutat für Speisen sowie Getränke. So erstaunt es nicht, dass Craft-Brauer diese Zutaten auch gern mal in den Sudkessel packen.
Dass Biere auch mal mit Kräutern und Gewürzen gebraut werden ist eigentlich nichts wirklich Neues und obliegt einer uralten Tradition. Schon der altdeutsche Bierstil Gose oder auch das belgische Witbier, beide mit Koriander gebraut, gehören in der Craft-Bierszene bereits zum Standard. Doch für experimentierfreudige Brauer werden inzwischen auch exotischere Gewürze wie Safran, Zimt, Muskatnuss oder Vanille zunehmend interessanter – gerade jetzt in der kalten Jahreszeit. Ein Musterbeispiel für ein kräftiges Gewürzbier mit winterlichem Flair legte wegen hoher Beliebtheit gerade wieder Stone Brewing in Berlin auf. Beim „Xocoveza“ handelt es sich um ein 8,1-prozentiges Mokka-Stout, das neben Kakao, Kaffee und Milchzucker auch mit Chili-Schoten, Vanille, Zimt sowie Muskat aromatisiert ist. So präsentiert sich das nachtschwarze Bier mit schokoladigen, kaffeeartigen und süßlichen Aromen, die von den Gewürzen harmonisch begleitet werden.
Zwar nicht ganz so kräftig im Alkoholgehalt, dafür aber noch würziger, zeigt sich „La Dragonne“ von der Brasserie des Franches-Montagnes aus Saignelégier in der Schweiz, südwestlich von Basel. Das Bier legt 7,5 Prozent Alkohol vor und ist mit Zimt, Sternanis, Nelken, Koriander und Wacholderbeeren gebraut. Der schweizerische Sud zeigt sich auf der Zunge als durchaus gewöhnungsbedürftige, süßliche Gewürzbombe. Nicht ganz so süß, aber als echte Spezialität gilt dagegen das „Glühkriek“ aus der belgischen Brauerei Liefmans in Oudenaarde, südlich von Gent. Das Grundbier ist mit Kirschen vergoren und zur Vollendung mit Zimt, Nelke und Anis verfeinert.
Die Craft-Bierwelt ist voll von solchen Gewürzwundern. Besonders beliebt ist dabei vor allem Vanille. In Dänemark setzen die Kreativbrauer von Evil Twin mit Vorliebe auf die schwarzen Schoten. In ihr „Even More Bible Belt“ mit ordentlichen 13 Prozent Alkohol kommen allerdings noch Kaffee, Kakao und Chili um das komplexe und vanilleartige Aroma zu komplementieren. Und in Oklahoma packen die Biermacher von Prairie Artisan Ales neben Vanilleschoten noch mexikanische Ancho-Chilis in den Sud. So köstlich, dass das „Prairie Bomb“ auf der Bewertungsplattform „ratebeer“ unter die 50 besten Imperial Stouts gevotet wurde.
Aber nicht nur in nachtschwarzen Stouts können Gewürze wie Vanille, Zimt oder Nelken ihre aromatische Pracht entfalten. Die Brauer der Dogfish Head Brewery in Milton, Delaware, veredelten ihr goldfarbenes Farmhouse Ale „Fall on me“ mit Zimt, Orangenschale, Sternanis und Nelken. Das Aromaspiel erinnert an einen zimtigen, erfrischenden Cider. In Dänemark packten die Macher von Omnipollo in ihr Saison namens „Sisyfos“ für den besonderen Kick neben Apfelsaft und Honig noch Thymian. Und in Franklin, Tennessee, bewiesen die Kreativköpfe von Mantra Artisan Ales, das sich Safran und Kardamom im India Pale Ale perfekt ergänzen können.
Auch in Deutschland trauten sich schon einige Bierzauberer an solch wilde Experimente. Jüngst brachte Ratsherrn aus Hamburg ihr New Era Pilsner „Pfeffersack“ mit insgesamt 12 verschiedenen Gewürzen auf den Markt, das geschmacklich auf eine Reise in den Orient einlädt. Die Mixtur aus Koriander, Kardamom, Tellicherry-Pfeffer, Zimt, Piment, Ingwer, Rosenblütenblätter, Muskatblüte, Lavendelblüten, Minze, Lemon Myrtl und Vanille lassen wahrlich eine Gewürzbombe auf der Zunge explodieren. Ob solche Variationen aber wirklich jedermanns Sache sind, das muss jeder für sich entscheiden.
Erschienen im Meiningers CRAFT Magazin für Bierkultur.