Immer mehr Craft-Brauer schwören in der kalten Jahreszeit auf Sude mit speziellem Kaffeearoma – aber nicht als Wachmacher, sondern als extravagantes Geschmacksabenteuer. Manche Kreationen sind jedoch selbst für geschulte Zungen eine echte Herausforderung.
Was passiert wenn zwei Weltmeister aufeinander treffen? Sie vertragen sich. Das gilt auch für Bier und Kaffee, die zu den meistgetrunkenen Getränken auf diesem Planeten zählen. Aber der Umgang mit den beiden Genussfavoriten verändert sich gerade rasant. Stil, Rohstoffe, Herkunft und Herstellung spielen eine zunehmend wichtigere Rolle. Beim Kaffee sind beispielsweise immer mehr individuelle Bohnen-Röstungen und unterschiedliche Brüh-Methoden gefragt, während es beim Bier auf die individuelle Zusammensetzung von Hopfen, Malz und Hefe beim Brauprozess ankommt. Jetzt vereinen Craft-Brauer und Spezialitätenröster beide Genussmittel und kreieren einen neuen Trend: Bier mit Kaffee.
Prinzipiell gibt es Sude, die durch spezielle Malze nach Kaffee duften und schmecken, schon länger. Doch intensivere und spannendere Aromen erzielen Craft-Meister inzwischen mit echten Bohnen oder sogenannten Cold Brew-Varianten. Je nach Röstung des Kaffees entwickeln sich im Braukessel oder während der Gärung ganz individuelle Geschmacksnoten. Ein ganz besonderer Trunk, der inzwischen als ein Paradebeispiel für die neuen Coffee-Biere gilt, kommt von Stone Brewing. In das 8,7-prozentige „Americano Stout“ kippten die Brauer aus dem kalifornischen Escondido gleich kiloweise starkgeröstete Espressobohnen von einem lokalen Röster in die Maische und packten noch reichlich Columbus-, Chinook-, Amarillo- und Cascade Hopfen dazu. So bekommt der Trunk neben einem dominanten Kaffee-Charakter auch einen leichten Zitrusgeschmack hinzu.
Noch kreativer geht Left Hand Brewing aus Colorado bei ihrem 6-prozentigem “Hard Wired Coffee Porter Nitro” ans Werk. Braumeister Matt Thrall brüht für sein Porter einen Cold Brew Coffee auf, der allerdings nicht wie üblich mit kaltem Wasser angesetzt wird, sondern mit Bier. Der Prozess dauert volle 24 Stunden. Dann erst kommt das Bier-Kaffee-Gemisch als würzige Beigabe in den Sudkessel. Anschließend gibt Thrall noch Stickstoff dazu, der seiner Kreation ein noch cremigeres Mundgefühl – wie bei feinsten Mocca – verleiht.
Das US-Beispiel macht jetzt auch in Slowenien Schule. So laborieren die Macher der Pelicon Brauerei bei ihrem „Imperial Coffee Stout“ mit kaltem Kaffee im Bier. Der kohlenschwarze Slaven-Trunk erzielt runde acht Prozent Alkohol und ist mit dem Cold Brew aromatisiert. Das cremige Stout entwickelt röstige und schokoladige Noten. Die Süße gleichen die Brauer mit slowenischem Hopfen aus. „Eigentlich war das nur ein Experiment für eine Party, aber der Prototyp fing bei allen gleich richtig Feuer“, sagt Brauerei-Chefin Anita Calavita.
Nach dem Erfolg internationaler Brauer wagen sich jetzt auch immer mehr deutsche Manufakturen an Sude mit Kaffee. So überrascht Mathias Lottes von Braukraft aus Geisenbrunn bei München auf der diesjährigen Braukunst Live mit einem echten Showeffekt. Er hatte extra eine Kaffeemaschine mit einer besonderen Röstung dabei. Lottes mischte vor den staunenden Augen der Besucher den heißen Espresso mit seinem Oatmeal Stout namens „Choco-Lata“. Ergebnis: Der Kaffee verstärkt nicht etwa die Röstaromen des Bieres, sondern hebt vielmehr die Fruchtigkeit und die natürlich Säure der Espressobohnen hervor. „Der Mix aus beiden Komponenten holt im Sud das jeweils Beste hervor“, freut sich Braukraft-Chef Lottes.
Nach einer anderen Rezeptur arbeitet Hohmanns Brauhaus in Fulda. Dort packt Thorsten Susemichel lieber kiloweise Bohnen in die Bierwürze, als diese zu mischen. Aber der Braumeister verrät auch: „Das Verfahren, mit dem wir die genaue Menge der Kaffeebohnen bestimmen, ist ziemlich aufwändig.“ Nach langer Experimentierphase ist er mit seinem „Enzo“, so der italienisch angehauchte Name seines Espresso-Bieres, allerdings hochzufrieden. Im Endergebnis zeigt sich der würzige Charakter des Kaffees, der den Geschmack mit röstigen Noten und kräftigem Schokoladenaroma abrundet.
Ähnliche Geschmacksmuster bringt ein mit 5,4-prozentiges „Coffee Porter“ der Camba Bavaria aus dem bayerischen Truchtlaching an den Gaumen. Der Trunk duftet nach Lakritz und Kakao sowie getrockneten Feigen und gewann schon mehrere Medaillen beim Meininger International Craft Beer Awards. Craft-Fans werden sich jedoch wundern, dass auf der Flasche anstatt Bier, der Begriff „Biermischgetränk“ steht. Hier hat wieder mal das bayerische Reinheitsgebot zugeschlagen, das selbst ganz natürliche Beigaben wie Kaffeebohnen untersagt.
Erschienen im Meininiger CRAFT Magazin.
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