Ein Bier mit Fichtennadeln? Da dreht sich eigentlich schon der Magen, bevor der Sud im Glase schäumt. Da fragt doch jeder: „Schmeckt das denn nach Wald?“. Mittlerweile habe ich das „Hops & Needles“ von Brewcifer (nicht Lucifer!) schon häufiger getrunken und bin von Mal zu Mal mehr davon begeistert. Allein der Mut und die Idee, frische Fichtentriebe in den Hopfensaft zu mischen ist allein ein großes Lob wert. Der Hamburger Brauer Jochen Mader, ein gelernter Klangdesigner, wollte einfach mal wild experimentieren – und dabei nach allen Regeln der Kunst auf das Reinheitsgebot pfeifen. Hier die Fakten:
Bierstil: Pale Ale
Brauerei: Brewcifer, gebraut und abgefüllt bei Buddelship Brauerei Hamburg
Alkoholgehalt: Sechs Prozent
Stammwürze: 13.8° Plato
Farbe: golden
Schaum: feinporig
Bittere: 35 IBU
Hopfen: Citra, Amarillo und Simcoe
Malz: Pilsner, Wiener, Weizen
Extras: Fichtennadeln, Dinkelflocken
Im Duft versprüht das Pale Ale fruchtige Noten von Clementine, tropischen Früchten und Grapefruit. Die Fichtennadeln halten sich hier noch eher im Hintergrund, aber sie sind da. Im Geschmack dann vollmundig fruchtig, harmonisch gepaart mit brotig-süßlichen Malzaromen. Nach meinem Empfinden dringen die Hopfennoten mit Mango, Clementine und Aprikose mit einem Hauch Grapefruit jedoch stärker durch. Yuhu! Und dann entwickeln sich auch die Fichtennadeln. Kräuterig und doch etwas waldig fließt das Ale würzig und elegant über die Zunge. Es schmeckt also wirklich ein bisschen nach Wald! Die 35 Bittereinheiten im Abgang spürt man kaum.
Fazit: Durch die Fichtentriebe erhält das Bier ein ganz besonderes Aroma, das auch für erfahrene Craft-Fans ein echtes Novum darstellt. Die Kombination der Aromahopfen setzt dem Brewcifer-Trunk aber dann den Hut auf. Ergebnis: Eine ganz tolle Interpretation eines Pale Ales.
Fabian Harrwich und ich im Craft Beer Store in Hamburg
Die Verkaufspreise bei manchen Craft-Bieren lösen immer wieder Diskussionen unter den Fans aus. Darf ein Bier wirklich 25 Euro kosten, oder schrecken solche Preise nicht eher potentielle Craft-Bierfans ab? Zurzeit besteht ein echter Preiswirrwarr, der so manchen Genießer verunsichert und sogar abschreckt. Ist ein Bier, das zehn Euro kostet wirklich besser als ein handwerklich hergestelltes Bier für zwei Euro? Was darf ein gutes Craft-Bier wirklich kosten? Biersommelier Fabian Harrwich, der beim Craft Beer Store in Hamburg arbeitete und jetzt bei der Ratsherrn Brauerei tätig ist, vertritt dazu eine eigene Meinung:
Für mich gehört es neben dem Brauen spannender, innovativer, kreativer Biere genauso dazu, dass der Brauer sein Produkt entsprechend für den Verkauf kalkuliert. Ein Craft-Bier zeichnet sich, je nach Bierstil, u.a. dadurch aus, dass der Anteil der eingesetzten Zutaten höher ist. Also mehr Hopfen bei Pale Ales und IPAs oder mehr Malz bei Stout sowie Porter. Von daher sind allein die Herstellungskosten schon höher, als bei einem Bier das in großen industriellen Maßstäben produziert wird. Auch der Zeitraum, in dem ein Craft-Bier entsteht, dauert in den meisten Fällen länger und ist mitunter auch aufwendiger.
Auf der anderen Seite finde ich es allerdings noch viel wichtiger, dass die Verbraucher verstehen, warum ein Produkt auch mal etwas mehr kostet. Ist es qualitativ hochwertig, dann gestaltet sich der Preis eben auch mal etwas höher. Ich ziehe hier gerne den Vergleich zu guter Schokolade, Kaffee oder auch Wein. Bei diesen Produkten hat der Verbraucher bereits „gelernt“ nicht gedankenlos zu konsumieren, sondern sich mit den Geschmäckern, Aromen und Eindrücken mehr auseinander zu setzen. Der Preis sollte nicht vor einem Kauf abschrecken.
Ob ein Bier nun 25 Euro kosten darf, hängt von dem Bierstil ab. Für einen im Bourbon Fass gelagerten Doppelbock in einer 0,75 Liter Flasche ist dieser Preis absolut gerechtfertigt, wo hingegen für ein 0,33 Liter Pale Ale schlichtweg abstrus. Der entsprechende Preis sollte sich aus drei verschiedenen Faktoren gestalten: Gebindegröße, Bierstil und Herstellungskosten. Sein Bier unter Wert zu verkaufen ist genauso unfair gegenüber den anderen Craft-Bier-Brauern, wie astronomische Preise zu verlangen. Fazit: Ein gutes Ale darf so viel kosten, wie es dem Brauer wert ist.
Das ist doch mal ein echtes Comeback: Ende Januar 2015 soll mit Beginn der Bockbierzeit die Rezeptur eines traditionsreichen Craft-Bieres nach Hamburg zurückfinden, die bei den Hanseaten seit einigen Generationen fast in Vergessenheit geraten war. Zuletzt sorgte in den 50er Jahren eine Kooperative verschiedener Hamburger Brauereien mit einem gemeinsam produzierten „Senatsbocks“ für Aufsehen. Immerhin wurde der Anstich des ersten Fasses von trinkfesten Sportsmännern wie Boxweltmeister Max Schmeling und Fußball-Star Uwe Seeler begleitet.
Auch der neue Doppelbock entstand auf Grundlage eines Gemeinschaftsprojektes von fünf Brauereien: Blockbräu, Joh. Albrecht, Gröninger, Kehrwieder und Ratsherrn. Nach einer gemeinsam abgestimmten Rezeptur wurde der Sud bereits im Oktober letzten Jahres angesetzt. Nach Aussagen seiner Macher ist der Senatsbock mit fünf Malzsorten gebraut und geht geschmacklich in Richtung Zartbitterschokolade und Espresso.
Erstmals probieren können Craft-Fans diesen Starkbiertrunk am 29. Januar auf dem schwimmenden Wahrzeichen Hamburgs, der Rickmer Rickmers, wo die ersten Fässer feierlich angestochen werden. Nachdem hier Kreative gemeinsam mit Traditionalisten am Sudfass standen, wartet die Szene in der Hansestadt auf ein spannendes Bockbier.
Oliver (Olli) Wesseloh, Brauer und Biersommelier, und Friedrich (Fiete) Matthies, Absolvent der Brauerei- und Getränketechnologie waren viel unterwegs in den letzten Jahren. Sie sahen sich in der neuen Welt der Craftbiere um, fuhren durch die USA, besuchten die Karibik, um bei der Rückkehr in ihre Heimatstadt Hamburg eine eigene Kreativbrauerei zu gründen.
So leicht war das für die beiden Nordlichter allerdings nicht. Die Suche nach einem geeigneten Standort zog sich immer weiter hin und die Sehnsucht nach dem eigenen Bier, wie sie selber sagen, wurde immer mächtiger. Also entschlossen sich der 40-jährige Olli und der 26-jährige Fiete zum Brauen in Kooperation mit befreundeten Brauereien. Zum Beispiel im FANØ BRYGHUS in Dänemark.
Im Herbst 2012 gründeten sie die Kreativbrauerei Kehrwieder. Eine stillgelegte Brauerei aufzukaufen sei zu teuer. Also schweißten sie Milchtanks selbst zusammen und funktionierten sie um: Am Boden der Bottiche steckt nun anstatt einer Kühlung ein Heizelement. Die Eigenkreation steht bislang noch ungenutzt in einer Garage von Freunden. Seit einem Jahr suchen die beiden Brauer eine Halle, in der sie sich weiter verwirklichen können – vielleicht kennt jemand eine passende Lokation.
Foto: Kreativbrauerei Kehrwieder
Das Brauer-Portrait – 7 Fragen an Oliver Wesseloh und Friedrich Matthies
1. Wann und wie tranken Sie ihr erstes Bier?
Olli:
Das war mit Sicherheit ein norddeutsches Pils, von dem ich offensichtlich damals schon nicht allzu beeindruckt war, da es keine bleibenden Eindrücke hinterlassen hat.
Fiete:
Das ist schon lange her, deswegen geht es mir da ähnlich wie Olli. Aber eines der ersten Biere trank ich im Apfelbaum bei einem meiner besten Freunde. Wir waren noch sehr jung.
2. Wann und warum haben Sie sich für den Brauerberuf entschieden?
Olli:
Die Idee entstand 1991 nach einem Schüleraustausch mit kanadischen Kollegen. Erst waren die Kanadier bei uns. Als wir sie vom Flughafen abgeholt haben, fragte ich, ob sie etwas Besonderes machen wollen. Antwort: Reeperbahn sehen und deutsches Bier trinken. Den Wunsch haben wir ihnen gerne erfüllt. Von da an haben die Kanadier jeden Abend in einer Kneipe verbracht. Als wir dann schließlich in Toronto ankamen sind wir auch gleich in eine Bar gegangen, wo es „The Labatt’s Blue“ gab. Welches von den Kanadiern mit „it’s pisswater, isn’t is?“ kommentiert wurde. Während der ganzen Zeit in Toronto schwärmte jeder von deutschem Bier, als sie mitbekamen, dass ich Deutscher bin. Diese Eindrücke resultierten schnell in die Idee in Kanada deutsches Bier zu brauen. (damals war ich noch jung und wusste es nicht besser;)
Fiete:
Ich musste mir mit 15 ein Schulpraktikumsplatz suchen und da ich keine Lust auf einen 08/15 Beruf hatte, habe ich lange überlegt, bis mein Vater mir von unsern Dortmunder Vorfahren und dessen Brauerei erzählte, die es da aber leider schon lange nicht mehr gab. Naja, dann machte ich Praktikum bei der Holsten Brauerei und mir war klar was ich werden will.
3. Auf welches Bier sind Sie besonders stolz und warum?
Olli und Fiete:
Definitiv unser erstes Bier. PROTOTYP! Ein kalt gehopftes starkes Lager. Wir haben uns gegen den Trend entschieden mit einem Ale anzufangen und haben bewiesen, dass Lager mehr kann als man bisher in Deutschland annehmen musste.
4. Was macht für Sie ein wirklich gutes Spezialitätenbier aus?
Olli und Fiete:
Es sollten ausgetretene Pfade verlassen werden. In dem Bier muss etwas zu entdecken sein, es muss etwas ganz Eigenes haben und bei jedem weiteren Schluck müssen sich mehr bzw. neue Nuancen auftun. Ekstase für die Sinne!
5. Was sind Ihre Lieblingshopfensorten?
Olli:
Saazer, Cascade, Simcoe und Amarillo
Fiete:
Das ist gar nicht so einfach zu beantworten. Zum einen gibt es so viele Hopfensorten, die ich noch nicht probiert habe und zum anderen kommt es natürlich auf das Bier an dem ich den Hopfen zugebe. Aber bis jetzt sind auf jeden Fall Simcoe, Saazer, Tettnanger und Amarillo vorne mit dabei.
6. Was ist für Sie der schönste Ort der Welt?
Olli:
Elbstrand Hamburg!
Fiete:
Naja für ein Hamburger gibt es ja keine große Auswahl 🙂 . Obwohl ich sehr gerne reise freue ich mich immer wieder auf Hamburg!
7. Was sind Ihre persönlichen Ziele?
Olli:
Weiterhin spannende Biere zu brauen. Ein Teil derer zu sein, die den deutschen die Biervielfalt allgemein schmackhaft machen. Zu guter letzt unsere Brauerei an den Punkt zu bringen, dass wir davon leben können und ich trotzdem genug Zeit für meine Familie habe.
Fiete:
Olli hat schon sehr schöne Ziele genannt, die ich mit Sicherheit auch sehr gerne erreichen möchte! Und ob man dann, wenn man sich einige Craft Brewer in den USA anguckt, von Zielen oder Träumen sprechen muss wird sich in den nächsten Jahren zeigen. Aber so eine Brennstoffzelle für die Brauerei oder ein eigener Hopfengarten wären schon schön.