Kommentar: Das Schweigen der Zapfhähne

Es ist ein wahrlich bedenklicher Zustand: Dreiviertel aller Gastronomen fürchten wegen andauernder Covid-19-Beschränkungen und daraus resultierenden Umsatzeinbrüchen inzwischen um den Fortbestand ihrer Betriebe, wie aktuelle Umfragen der Branchenverbände ergeben. Es müsse sogar damit gerechnet werden, dass jeder vierte Betrieb in Insolvenz gehe.

Der Eiertanz der Bundesländer zwischen Geboten und Verboten, mit seinen Ausgangssperren, Maskenpflichten und Kontaktbeschränkungen, nervt inzwischen die ganze Szene rund ums Bier und schürt Insolvenzängste. Besonders betroffen sind Brauereien mit angeschlossener Gastronomie. Ihnen fehlt durch das Corona-Chaos im Lande derzeit jegliche Planungssicherheit. Die gesamte Branche – Wirte wie Brauer – fühlt sich von der Politik allein gelassen und wegen neuer Virus-Mutationen grassiert bereits die Angst vor dem nächsten Lockdown.

Dabei haben sich insbesondere die Gastronomen, wie kaum eine andere Berufsgruppe, geradezu heldenhaft an die strengen Corona-Auflagen gehalten. Sie haben Hygienevorschriften und Maskenpflichten zementiert, Trennwände installiert, Tische versetzt, sowie neue Heizsysteme und Luftreiniger gekauft. Da trotzdem die Zapfhähne schweigen müssen, versuchen viele Betreiber das Geschäft irgendwie noch mit To-Go-Angeboten am Laufen zu halten – aber die Einnahmen decken nicht einmal die Kosten.

Zwar wurden den Gastronomen großzügige Finanzhilfen versprochen, doch vielerorts werden – wegen angeblich mangelhafter Software – Abschlagszahlungen entweder gar nicht oder nur scheibchenweise ausgezahlt. Das alles ist ziemlich peinlich für diesen Staat. 

Viele Gastronomen und Brauer denken gerade darüber nach, das Handtuch zu werfen. Aber trotz all dieser Umstände wäre ein unüberlegtes Kapitulieren definitiv der falsche Weg. Auch die Welt vor exakt hundert Jahren war von Unternehmenspleiten, Massenentlassungen und einer spanischen Grippe-Pandemie geprägt, die mehr als zwanzig Millionen Tote forderte. Danach begannen jedoch die golden zwanziger Jahre, in denen das Leben in den Städten tobte wie nie zuvor und die Zapfhähne in den Taprooms, Bierbars und Szene-Kneipen wieder glühten.

Erschienen im Meininger’s CRAFT Magazin für Bierkultur.

Kommentar: Keine Panikmache

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Nein, Corona ist noch nicht vorbei. Auch wenn der Bierabsatz hierzulande im ersten Halbjahr gegenüber dem Vorjahr insgesamt um fast sieben Prozent eingebrochen ist, so können zumindest Craft-Brauer beruhigt durchatmen. Neben kleineren Kollateralschaden sind sie bislang keineswegs so hart betroffen, wie anfangs prophezeit. Vielmehr trifft der Einbruch vor allem Großbrauereien und Gastronomie mit voller Wucht.

Fest steht jedoch: Nur weil draußen eine Covid19-Pandemie tobt, ist die Lust auf kreative Sude niemand vergangen. Entlassungen und Kurzarbeit in der Wirtschaft haben dazu geführt, dass insbesondere Homeworker viel mehr Craftbiere zuhause konsumieren als jemals zuvor.  

Gewinner der aktuellen Krise sind deshalb vor allem die Online-Biershops. Was wegen dem Lockdown durch fehlende Absätze in der Gastronomie verloren ging, konnten viele Craft-Brauer über das Internet-Geschäft weitgehend kompensieren. Corona-bedingt wird hier derzeit mehr Bier verkauft als sich die Betreiber wohl je erhofften. Nebeneffekt: Seitdem der Internetverkauf brummt, nehmen jetzt sogar renommierte Gourmet-, Wein- und Spirituosen-Portale kreative Sude in ihr Angebot auf.

Leidtragender der Covid19-Epidemie ist jedoch noch immer die Gastronomie. Aber seitdem nach Beendigung des Lockdowns die Beschränkungen gelockert wurden, Craft-Kneipen, Wirtshäuser und Biergärten wieder öffnen dürfen, geht es auch hier langsam bergauf. Inzwischen sind in der Szene viele neue Ideen entstanden, die sich auch nach der Epidemie für den Craft-Fan nachhaltig auswirken dürften.

Was wirklich wehtut, sind die Absagen der vielen Craftbier-Feste. Aber die Verschnaufpause nutzen viele Kreativ-Brauer, um Neuausrichtungen ihrer Marke vorzunehmen sowie mit solider Planung ihr Zukunftsgeschäfts zu gestalten. Außerdem brodelt es derzeit kräftig in den Versuchskesseln und die Craft-Gemeinde kann sich auf viele neue Sude freuen. Also: Keine Panikmache, bleibt optimistisch – Maske aufsetzen, Abstand halten und weitertrinken.

Erschienen im Meininger’s CRAFT Magazin für Bierkultur.

Kommentar: Stunde der Kreativen

Ein Taifun fegt derzeit über die Craftbier-Szene hinweg und hinterlässt überall schwere Verwüstungen. Sein Name: Covid-19. Bars, Kneipen, und Restaurants mussten quasi über Nacht schließen. Brauereien und Gastronomie kämpfen mit Kurzarbeit und Entlassungen. Lieferketten brechen weg, Absatzzahlen gehen in den Keller und der Export erlebt eine Vollbremsung. Und alle Craftbier-Events wurden abgesagt. Besonders schlimm: die komplette Stornierung von Aufträgen bei Fass-Ware. Zahlreiche Braustätten müssen deshalb ihre Produktion herunterfahren oder zumindest vorübergehend stilllegen.

Das teuflische Corona-Virus trifft alle Player in der noch jungen Craftbier-Branche gleichermaßen hart und unvorbereitet: Brauer, Händler, Gastronomen, Biersommeliers und viele andere. Am härtesten hat es aber Craft-Produzenten erwischt, die über finanzielle Verpflichtungen erst jüngst ihre eigene Braustätte errichteten. Allein Gypsy-Brauer mit schlanken Kostenstrukturen und wenig Personalaufwand dürften die derzeitige Absatzflaute deutlich besser überstehen.

Jede Krise kennt Sieger und Verlierer. Kreative Brauer nutzen die erzwungene Corona-Pause aktiv und tüfteln an neuen Vertriebsideen. So finden im Internet derzeit die ersten Bierfestivals statt, hauseigene Online-Shops oder neue Internet-Pubs entstehen und über Videoportale werden virtuelle Brauereiführungen und Verkostungen mit Live-Musik sowie Food-Pairings angeboten. Inmitten des Taifuns spüren viele Brauer – insbesondere auf allen Social-Media-Kanälen – derzeit eine große Welle der Solidarität.

Das stimmt zuversichtlich: Wenn der ganze Covid-19 -Wahnsinn vorbei ist, dürfte die Craft-Community im Idealfall von den jetzt erprobten Konzepten nachhaltig profitieren. Nach dem Lockdown wird ein neues Lebensgefühl entstehen und die Menschen werden wieder rausgehen, feiern und ihr Bier unter Freunden trinken. Im Übrigen gilt: Bier hat in seiner Geschichte schon so einige Pandemien überstanden – sogar Pest und Cholera.

Erschienen im Meininger’s CRAFT Magazin für Bierkultur.

Corona-Krise: Wie geht es der Cast-Brauerei?

Covid-19 trifft auch die Craft-Bierbranche hart. Mit Kurzinterviews möchte ich die Community auf dem Laufenden halten, was bei Brauern, Biersommeliers, Händlern, Gastronomen und Bloggern derzeit passiert und wie all diese tollen Menschen mit dem Virus-Wahnsinn umgehen. Heute ging meine Mail an Zachary Clemens von der Cast-Brauerei aus Stuttgart.

Hallo Zach, wie wirkt sich die Corona-Krise auf Euer Tagesgeschäft aus?

In diesen verrückten Zeiten konzentrieren wir uns auf unsere Getränke- und Supermärkte hier in der Region und versuchen damit die trockenen Kehlen zuhause zu befriedigen. Zum Glück trinken die Leute nicht weniger, sondern einfach nur in den eigenen vier Wänden. Dafür haben wir kurzfristig auch einen Webshop mit Hauszustellung eingerichtet.

Welche Probleme sind durch die Schließung der Bars, Taprooms und Restaurants entstanden?

Leider sind hier viele tolle Kunden weggefallen. Allerdings gehen einige Gastronomen jetzt auch neue Wege und nutzen andere Absatzkanäle. Uns unterstützt beispielsweise das „O-Reilly´s Irish Pub“ in Stuttgart mit einem Versandservice von Beer Mystery Boxen. Und das ganze jetzt schon zum vierten Mal.

Jede Krise hat Sieger und Verlierer. Was lernen wir aus der jetzigen Situation?

Wir müssen vieles neu bewerten, Kunden, Endkunden und natürlich die ganze Situation. Es wird in Zukunft alles etwas anders laufen und darauf müssen wir uns einstellen.

Welche Tipps könnt ihr Kollegen geben?

Seid nicht statisch, sondern entwickelt euch weiter. Hört auf eure Kunden und versucht das Beste aus der Situation zu machen. Bloß nicht den Kopf in den Sand stecken.

Wie sieht der Craft-Biermarkt nach Covid-19 aus?

Es wäre toll, wenn man das schon wüsste. Ich denke es wird sich so einiges ändern und auch ändern müssen. Aber vielleicht ist das genau das Richtige.

Corona-Krise: Wie geht es dem Brauhaus Lemke?

Covid-19 trifft auch die Craft-Bierbranche hart. Mit Kurzinterviews möchte ich die Community auf dem Laufenden halten, was bei Brauern, Biersommeliers, Händlern, Gastronomen und Bloggern derzeit passiert und wie all diese tollen Menschen mit dem Virus-Wahnsinn umgehen. Heute ging meine Mail an Oliver Lemke von der Brauhaus Lemke aus Berlin.

Hallo Oli, wie wirkt sich die Corona-Krise auf Euer Tagesgeschäft aus?

Das Tagesgeschäft wurde und wird ziemlich durcheinandergewirbelt, weil ja bekanntlich alle Bars, Kneipen und Restaurants geschlossen sind, hat sich unser Bierabsatz komplett verschoben. Fassware geht so gut wie gar nicht mehr, dafür ist unser Flaschenvertrieb wichtiger geworden. Diese Krise ist in 20 Unternehmensjahren nicht die erste – und dank eines super Teams entwickeln wir immer wieder neue Ideen und Ansätze, um uns durch diese Zeit zu manövrieren. Viele Themen, über die wir im üblichen Tagesgeschäft vor Corona immer nur geredet haben, setzen wir jetzt einfach um.

Welche Probleme entstehen durch die Schließung der Bars, Taprooms und Restaurants?

Das liegt auf der Hand: Für uns ist der Bierabsatz eingebrochen. Genauso wie wir als Brauerei, haben auch Spirituosen-Manufakturen, Weingüter oder regionale Lebensmittelproduzenten ihre Kunden verloren – hoffentlich nur für eine gewisse Zeit. Wir sind weiterhin mit vielen unserer Abnehmern in der Gastronomie in Kontakt. Einige haben auch auf Angebote zum Mitnehmen umgestellt, andere bleiben geschlossen und harren der Dinge.

Jede Krise hat Sieger und Verlierer. Was lernen wir aus der jetzigen Situation?

Es wirkt wie eine Floskel, aber es zeigt sich wieder mal: Ein Unternehmen muss sich laufend neu erfinden und immer wieder neue Wege gehen. So auch jetzt! Wir müssen immer beweglich bleiben, uns verändern und unvorhergesehenen Situationen anpassen können.

Welche Tipps könnt ihr Kollegen geben?

Positiv bleiben und auf die Rückkehr zur Normalität hinarbeiten. Nutzt die erzwungene Pause und geht Projekte an, die im üblichen Tagesgeschäft aus Zeitgründen immer wieder stecken geblieben sind.

Wie sieht der Craft-Biermarkt nach Covid-19 aus?

 Wenn ich das wüsste, würde ich als Hellseher arbeiten und damit wohl eine Menge Geld verdienen.

Corona-Krise: Wie geht es Hopfenkopf Bräu?

Covid-19 trifft auch die Craft-Bierbranche hart. Mit Kurzinterviews möchte ich die Community auf dem Laufenden halten, was bei Brauern, Biersommeliers, Händlern, Gastronomen und Bloggern derzeit passiert und wie all diese tollen Menschen mit dem Virus-Wahnsinn umgehen. Heute ging meine Mail an Martin Seidl von Hopfenkopf Bräu aus dem südostbayerischen Feichten an der Alz.

Hallo Martin, wie wirkt sich die Corona-Krise auf Euer Tagesgeschäft aus?

Im Bereich der Flaschenbiere sind wir normal unterwegs und der Abhof-Verkauf ist sogar gestiegen. Bei der Fassware stagniert das Geschäft komplett, da unsere Gastronomen gerade alle geschlossen haben. Das Lager steht voll. Für mich entfällt ein großer Teil des Umsatzes wegen ausfallenden Braukursen, Seminaren und Bierverkostungen. Da das Projekt Hopfenkopf/Dietrachinger aber nicht nur auf dem Bein des Bierverkaufs steht, werden wir die Krise gut überstehen. Wir haben jetzt Zeit, unsere Pläne wie Brauereiumbau und kommende Baumaßnahmen besser aufzuarbeiten.

Welche Probleme entstehen durch die Schließung der Bars, Taprooms und Restaurants?

Durch die Schließung der Gastronomien ist der Fassbierverkauf völlig zum Erliegen gekommen – und wie wohl jeder weiß: mit Fassbier lässt sich mehr Geld verdienen als mit Flaschenbier. Zudem ist die Nachfrage an unseren Spezialbieren fast gänzlich zurückgegangen, da die meisten in der Krise auf Helles und Weißbier zurückgreifen. Wenn nicht bald eine Lockerung kommt, kann es sogar sein, dass die Bars und Gastronomen, die wir beliefern, gar nicht mehr aufsperren.

Das würde bedeuten, dass wir die ganze Überzeugungsarbeit umsonst gemacht haben, dass die Gastronomen auf gutes handgebrautes Bier umsteigen. Und: Es gehen treue und tolle Kunden verloren.

Jede Krise hat Sieger und Verlierer. Was lernen wir aus der jetzigen Situation?

Die Sieger in der Krise sind eindeutig die Großbrauereien, da sie eindeutig mehr Kapital auf der Seite haben und die Menschen in solchen Zeiten oft eher zu günstigeren Produkten greifen. Trotzdem fällt auf, dass auch sehr viele Konsumenten in der Krise vermehrt regionale Biere trinken. Tödlich für kleine und mittelständische Brauereien ist auch das Verbot von Festen, bei denen Regionalität immer gepunktet hat. Man lernt aus dieser Situation das Gastronomen für uns der beste und zuverlässigste Partner sind. Ich denke, dass auch Startups und kleine Brauereien nach der Krise (sofern sie diese überlebt haben) gestärkt aus der Situation gehen, da viele Menschen sicher danach mehr auf Regionalität und Qualität setzen werden. Zumindest hoffe ich das.

Welche Tipps könnt ihr Kollegen geben?

Ich rate jedem, wenn es erforderlich ist, sich bei „Startnext Coronahilfe Crowdfounding“ anzumelden. Das hat bei einigen Kollegen schon sehr geholfen.

Wie sieht der Craft-Biermarkt nach Covid-19 aus?

Nach der Krise wird von vielen Qualität und Regionalität besonders geachtet. Alle, die ein solides, trinkbares Bier und einige geniale Spezialitäten auf dem Markt haben, werden sicher profitieren. Jene, die nur auf extreme „Überdrüberbiere“ setzen,  werden früher oder später die Bühne des Bierbrauens verlassen. In diesem Sinne wünsche ich allen Kollegen allzeit gut Sud und viel Erfolg. Es wird bald besser!

Corona-Krise: Wie geht es der Brauerei Flügge?

Covid-19 trifft auch die Craft-Bierbranche hart. Mit Kurzinterviews möchte ich die Community auf dem Laufenden halten, was bei Brauern, Biersommeliers, Händlern, Gastronomen und Bloggern derzeit passiert und wie all diese tollen Menschen mit dem Virus-Wahnsinn umgehen. Heute ging meine Mail an Joachim Amrhein von der Brauerei Flügge aus Frankfurt am Main.

Credit: Brauerei Flügge

Hallo Jo, wie wirkt sich die Corona-Krise auf Euer Tagesgeschäft aus?

Vor ein paar Wochen wussten wir freitags nicht, was die Woche drauf passieren würde. Wir haben einen Not-Produktionsplan gemacht, damit wir für den Fall, dass das Leben wieder losgeht, schnell ein bis zwei Biere abfüllbereit haben. „Fränk“ und „Fil“ waren derzeit ohne Püree im Tank und wir hatten beschlossen, dass da auch erst mal keins reinkommt. Es wäre für uns schon schlimm genug, die „Weisse“ wegzukippen. In der ersten Woche des „Lockdown“ haben wir dann so langsam angefangen, unser Online-Geschäft zu stabilisieren. Aktuell dreht sich im Grunde alles um die Liquiditätsplanung. Ein „Tagesgeschäft“ im eigentlichen Sinn findet nicht statt.         

Welche Probleme entstehen durch die Schließung von Bars, Taprooms und Restaurants?

Durch den Lockdown sind etwa 80 Prozent unseres Umsatzes von heute auf morgen weggebrochen.

Jede Krise hat Sieger und Verlierer. Was lernen wir aus der jetzigen Situation?

Das ist momentan schwer zu sagen. Da möchte ich momentan auch nicht wirklich gern eine Prognose abgeben.

Wie sieht der Craft-Biermarkt nach Covid-19 aus?

Ich wünsche mir, dass die Leute endlich aufwachen und aufhören, ständig dem billigsten Schnäppchen hinterher zu rennen und sich mehr auf lokale Erzeuger konzentrieren – auch wenn die Produkte dort einen Euro mehr kosten.

Corona-Krise: Wie geht es der Kehrwieder Kreativbrauerei?

Covid-19 trifft auch die Craft-Bierbranche hart. Mit Kurzinterviews möchte ich die Community auf dem Laufenden halten, was bei Brauern, Biersommeliers, Händlern, Gastronomen und Bloggern derzeit passiert und wie all diese tollen Menschen mit dem Virus-Wahnsinn umgehen. Heute ging meine Mail an Julia Wesseloh von der Kehrwieder Kreativbrauerei aus Hamburg.

Oli und Julia Wesseloh von der Kehrwieder Kreativbrauerei
Credit: Julia Schwendner

Hallo Julia, wie wirkt sich die Corona-Krise auf Euer Tagesgeschäft aus?

Divers. Der Bereich Gastronomie ist zu einem Zeitpunkt weggebrochen, an dem die Produktion auf Hochtouren lief, um das Ostergeschäft zu versorgen. Wir konnten durch den Fokus auf unseren bereits bestehende Online-Shop zwar etwas kompensieren, jedoch ist die Arbeit dadurch viel kleinteiliger und aufwändiger geworden. Es ist halt ein Unterschied ob man Fassbier in die Gastronomie oder eine Palette an einen Großhändler liefert, als die gleiche Menge gemischt in Versandkartons packt. Das Schöne ist aber, dass wir dadurch eine engere Bindung zu unseren Endkunden aufbauen und sehr positives Feedback erhalten. Das motiviert uns gerade sehr.

Welche Probleme entstehen durch die Schließung der Bars, Taprooms und Restaurants?

Die Gastronomie ist neben den Veranstaltungen unser Sprachrohr zu den Konsumenten. Was jetzt fehlt ist die persönliche Ansprache und Empfehlung. Wir kompensieren das zurzeit durch verstärkte Online-Präsenz wie etwa mit virtuellen Brauereiführungen, Verkostungen oder der Jubiläumsfeier für unser „Prototyp“. Die war bereits beim Hamburger Event „Galopper des Jahres“ geplant. Wir haben kurzerhand von dort aus eine virtuelle Feier in die Wohnzimmer der Gäste gespielt. Die Einnahmen der Eintrittskarten, die wir hierfür verkauft haben, kommen dem Galopper zugute. Denn im Gegensatz zu unseren Gastropartner haben wir noch auf anderen Wegen Möglichkeiten Umsätze zu generieren.

Jede Krise hat Sieger und Verlierer. Was lernen wir aus der jetzigen Situation?

Im Kleinen, dass man immer darauf vorbereitet sein sollte flexibel zu reagieren. Im Makroökonomischen, dass solche Situation nur gemeinschaftlich und solidarisch gemeistert werden können.

Welche Tipps könnt ihr Kollegen geben?

Jammern hilft nicht. Jede Krise hat auch ihre Chancen und wenn man die jetzt erkennt, können neue Ideen, im Idealfall auch dazu führen, dass man nach der überstandenen Krise weiterhin davon profitiert, beispielsweise wenn die eigene Online-Präsenz ausgebaut wurde.

Wie sieht der Craft-Biermarkt nach Covid-19 aus?

Gute Frage. Ärmer an Vielfalt? Regionaler? Erste Kommentare von Kollegen in den sozialen Medien lassen befürchten, dass die Konzerne die krisengebeutelten Gastronomen nach überstandener Krise so mit Lieferverträgen zuschnüren, dass die kleinen und mittleren auf lange Sicht kein Bier mehr an den Hahn bekommen. Die Frage wird auch sein, ob und wie viele diese Zeit überstehen. Darüber hinaus wundert es uns, dass noch nicht die großen Übernahmen angefangen haben, denn es wird sicher viele kleine und mittlere Brauereien geben, die in der aktuellen Situation einer Übernahme eher zustimmen würden, als in einem wachsenden Markt. Nach überstandener Krise wird der Markt sicher deutlich regionaler sein. Viele Brauereien veranstalten gerade diverse Soli-Aktionen in ihrer Region, die die Bindung dort deutlich stärken werden. Gleichzeitig kaufen viele Verbraucher wieder bewusster ein und greifen verstärkt zu regionalen Produzenten.

Corona-Krise: Wie geht es ÜberQuell?

Covid-19 trifft auch die Craft-Bierbranche hart. Mit Kurzinterviews möchte ich die Community auf dem Laufenden halten, was bei Brauern, Biersommeliers, Händlern, Gastronomen und Bloggern derzeit passiert und wie all diese tollen Menschen mit dem Virus-Wahnsinn umgehen. Heute ging meine Mail an Axel Ohm von ÜberQuell aus Hamburg.

Axel Ohm von ÜberQuell

Hallo Axel, wie wirkt sich die Corona-Krise auf Euer Tagesgeschäft aus? 

Wie für alle Gastronomen und Brauereien mit Ausschank entfallen auch für uns die Umsätze im Restaurant, Brewpub, Biergarten und Veranstaltungsraum. Nur durch unser Pizza- und Bier To Go-Angebot konnten wir bisher etwa 20 Prozent der Gastroumsätze retten. Nach der ersten Corona-Verordnung haben wir mit digitalen Tastings und dazu passenden Bierboxen gestartet. Unser Restaurant wurde kurzfristig zu einer Packstraße umgebaut, so dass wir die täglichen Bestellungen abwickeln können. Der Online-Shop mit den „Spaß am Glas“ Web-TV-Sendungen hat einen weiteren Teil der Verluste kompensieren können.

Unsere Küchenteam hat zusammen mit anderen Hamburger Gastronomen „Kochen für Helden“ in Hamburg gestartet. Die wohltätige und von uns zu 100 Prozent finanzierte Aktion versorgt alle mit Mahlzeiten, die dafür sorgen, dass unser Leben unter den derzeitigen Umständen weiterlaufen kann. Aktuell haben wir eine Crowdfunding-Kampagne auf Startnext  (Status 23.04. bei 42.000 Euro) mit dem Ziel die Aktion mit Hilfe von anderen weiterlaufen zu lassen. Trotz Kurzarbeit haben wir zu tun und dabei noch das beste Teambuilding seit Gründung unserer Brauerei am Laufen.

Welche Probleme entstehen durch die Schließung der Bars, Taprooms und Restaurants?

Keine Perspektiven wie es wann weiter gehen wird. In der Kombination mit Kurzarbeit ist das für alle Mitarbeiter demotivierend und existenzbedrohend.

Jede Krise hat Sieger und Verlierer. Was lernen wir aus der jetzigen Situation?

Miteinander ist immer besser als gegeneinander, weil in der Gemeinschaft neue Perspektiven entstehen können. Oder: jeder sollte einen Dagobert Duck in der Familie haben. 

Welche Tipps könnt ihr Kollegen geben?

Seine Stärken und Schwächen analysieren und sich die Frage stellen, ob Motivation, Talent und Finanzkraft auch noch in sechs Wochen vorhanden ist, um seine Gastronomie und Brauerei weiterführen zu können.

Wie sieht der Craft-Biermarkt nach Covid-19 aus?

Die Herausforderungen für Craft-Brauer waren bereits vor der Corona-Krise deutlich spürbar und werden größer. Es wird in Zukunft weniger Gastronomien und Händler geben, die ein Craft-Biersortiment führen werden. Zusätzlich entfallen noch über Monate Craftbier- und Food-Festivals. Online-Shops und schnelle Lieferdienste werden immer wichtiger.

Corona-Krise: Wie geht es Amperbräu?

Covid-19 trifft auch die Craft-Bierbranche hart. Mit Kurzinterviews möchte ich die Community auf dem Laufenden halten, was bei Brauern, Biersommeliers, Händlern, Gastronomen und Bloggern derzeit passiert und wie all diese tollen Menschen mit dem Virus-Wahnsinn umgehen. Heute ging meine Mail an Matthias Bachhuber von Amperbräu aus Neuhimmelreich.

Das Amperbräu-Team

Hallo Matthias, wie wirkt sich die Corona-Krise auf Euer Tagesgeschäft aus?

Wir spüren einen leichten Umsatzrückgang. Dieser hält sich aber zum Glück bislang noch in Grenzen, da wir sehr stark in den Vertrieb im Einzelhandel investiert haben. Drastischer macht sich die Krise bei den Veranstaltungen bemerkbar. Wir waren in den vergangenen Jahren von Frühling bis Herbst auf vielen Stadtfesten und Festivals vertreten. Durch die Absagen werden wir sehr wahrscheinlich auf einer großen Menge bereits abgefülltem Fassbier sitzen bleiben.

Welche Probleme entstehen durch die Schließung der Bars, Taprooms und Restaurants?

Davon sind wir glücklicherweise noch nicht so betroffen, da wir in der Gastronomie bislang nicht stark vertreten sind. Wir können die kritische Situation der Gastronomen aber durchaus nachvollziehen und versuchen sie soweit wie möglich zu unterstützen, indem wir ausgelieferte Ware zurücknehmen und in den Einzelhandel stecken.

Jede Krise hat Sieger und Verlierer. Was lernen wir aus der jetzigen Situation?

Wirkliche Sieger wird es in dieser Branche aktuell wohl nicht geben, denn Bier ist schlichtweg ein soziales Getränk. Es gibt aber schon Tendenzen dahingehend, dass manche Brauereien etwas besser in dieser Krise bestehen. Fixkosten niedrig zu halten ist hier ein wichtiger Punkt. Wir haben beispielsweise schon länger überlegt in eine eigene Anlage zu investieren, sind aber letztlich doch bei dem Betriebsmodell einer Gypsy-Brauerei geblieben. Das hat sich in der heutigen Situation aufgrund der niedrigen Fixkosten als die richtige Entscheidung herausgestellt. Auch für die Lohnbrauerei ist das in der aktuellen Zeit ein Vorteil, da wir trotz der Krise für eine gewisse Auslastung der Anlagen sorgen. Außerdem hat sich unser Konzept bewährt, den regionalen Markt zu fördern.

Welche Tipps könnt ihr Kollegen geben?

Durchhalten und nicht die Flinte ins Korn werfen! Bier hat über die Jahrhunderte schon so einige Krisen überlebt.

Wie sieht der Craft-Biermarkt nach Covid-19 aus?

Wir erwarten, dass der Craft-Biermarkt die Krise besser meistern wird als die meisten denken. Mehr Sorgen machen wir uns da über die vielen handwerklichen, mittelständischen Traditionsbrauereien. Diese leiden ganz besonders unter der geschlossenen Gastronomie und den abgesagten Volksfesten sowie ihren nicht ausgelasteten Anlagen und Mitarbeitern. Gerade diesen Kollegen drücken wir in diesen Tagen besonders die Daumen!