Früher trank man Bier meist nur aus Steinkrug, Willibecher oder Pilsstange. Mit wachsender Sortenvielfalt wird es jedoch immer wichtiger, das passende Glas zum jeweiligen Sud zu wählen. Aber wer weiß schon, welches Bier aus welchem Trinkgefäß am besten schmeckt.

Für echte Connaisseurs in der Welt der Biere gilt Belgien als wahres Wunderland. In jeder Bar stehen dort mindestens zwanzig Biersorten auf der Karte. Und zu fast jedem Trunk – egal ob Tripel, Dubbel oder Lambic – serviert der Kellner auch noch ein ganz spezielles Glas. Diese Tradition ist im Königreich fast so alt wie das Brauen selbst, denn seit jeher gehört zum perfekten Biergenuss von Flamen und Wallonen auch das passende Gefäß. Heute weiß man auch hierzulande: Form, Wand und Öffnung eines Glases sind für das Genussgefühl eines Gerstensaftes ebenso entscheidend wie Hopfen, Malz und Hefe.
Seit den Anfängen der Craft-Bierbewegung und der damit verbundenen Sortenvielfalt gibt es inzwischen zunehmend auch die passenden Trinkgefäße. Erfahrene Craft-Experten wissen, dass derselbe Sud in unterschiedlichen Gebinden völlig anders schmecken kann, als immer nur im selben Glas. Nur das passende Trinkgefäß kitzelt schließlich alle Aromen aus Weißbier, Stout, IPA & Co. heraus.
Grundsätzlich gelten beim Biergenuss die Regeln: Bauchige Gläser, die sich nach oben hin verjüngen, bündeln die Aromen und konzentrieren das Bukett. Hohe und schmale Formate fördern die Kohlensäure und sorgen meist für kräftigen sowie stabilen Schaum. Dünnwandige Gläser lassen Duft und Geschmack von filigranen und komplexen Suden besser wahrnehmen und pushen den Biercharakter. Dickwandige Trinkgefäße, wie etwa der Steinkrug, halten hingegen das Getränk länger kühl. Außerdem sind Öffnung und Rand dafür verantwortlich, auf welchen Punkt der Zunge das Bier trifft. Die Glasform bestimmt zudem Fließ- und damit auch die Trinkgeschwindigkeit. Studien ergaben beispielsweise, dass große robuste Gläser wie Maßkrug oder Weißbierglas eher zum schnelleren Biergenuss in kräftigen Schlucken animieren, während edle Craft-Säfte besser in kleineren Gefäßen munden.
Traditionsgefäß: Der Steinkrug ist einer der Urvater aller Trinkgefäße. Allerdings gilt er fast als ausgestorben. Varianten aus Glas lösten ihn ab. Dennoch freuen sich Bierfans, wenn sie in traditionellen Braugaststätten noch Helles, Bockbier oder Festbier im dickwandigen Gefäß, manchmal sogar noch mit Silberdeckel obendrauf, serviert bekommen. So ein uriger Steinkrug lädt zum rustikalen Trinkgelage mit kräftigem Anstoßen ein. Im schweren Steingefäß bleibt der Inhalt zwar lange kühl, aber weder Farbe noch Aromen sind deutlich erkennbar.
Probierpokal: Das Verkostungsglas eignet sich vor allem für professionelle Tastings jeden Bierstils. Durch die bauchige Form des Trinkgefäßes entfaltet sich das komplette Aromaspektrum. Nach oben hin verjüngt sich das Glas, der Rand ist etwas nach außen gewölbt. Wegen diesen Eigenschaften konzentriert sich das Bukett und das Bier fließt langsam auf die gesamte Zunge. So können Connaisseurs das gesamte Geschmacksbild analysieren.
Schüttstange: Kölsch gilt als eher kohlensäurearmes Bier. Daher benötigt es ein hohes, schlankes und schmales Zylinder-Glas. Die Form sorgt dafür, dass der obergärige Sud trotzdem einen frischen Charakter vorweist und der meist nicht so üppige Schaum stabil bleibt. Leichtigkeit, geringe Größe und die schmale Öffnung der Kölsch-Stange laden zum raschen Trinken ein. Das Bier wird eher geschüttet und kommt deshalb hinten auf der Zunge an. Erst im Nachgang zeigen sich die Hopfennoten.
Durstlöscher: Wegen der hohen, schlanken Form besitzt die Kohlensäure im Weißbierglas genügend Spielraum, der Schaum verdichtet sich und bleibt stabil. Am Fuß verjüngt sich das Glas, damit das Bier länger frisch bleibt. Die breite Öffnung lässt das Bukett der typischen Weizenbieraromen atmen aber nicht so leicht verfliegen. Beim Trinken wird das Glas gekippt, sodass große Schlucke erlaubt sind und das Weißbier auf den hinteren Bereich der Zunge trifft.

Aromaverstärker: Hoch, dünnwandig und geriffelt ist das optimale IPA-Glas. Durch die Kombination der bauchigen Form mit einer Verjüngung nach oben, entfaltet sich der komplette Duft des Hopfens. Der geriffelte Stiel belüftet das Bier und schäumt beim Genuss immer wieder auf. Das aromatische IPA fließt wegen des dünnwandigen und schmalen Mundrandes direkt, aber langsam auf die Mitte der Zunge. So breiten sich alle Aromen vollständig aus.
Schwergewicht: Um den röstigen Charakter von dunklen Bieren hervorzuheben, greifen Craft-Fans gern zum dünnwandigen Stout-Glas. Die ausgedehnte Form – ähnlich wie beim Rotweinglas – unterstreicht die aromatischen Akzente von Röstmalz. So zeigt ein Stout seine vollen Kaffee-, Kakao- und Schokoladennoten. Die obere Verjüngung des Glases verdichtet den Schaum, der Fuß macht ihn stabil und hält die Frische des Sudes. So ein Glas lädt zum langsamen Genießen ein.
Universalgebinde: Die Pilstulpe ist wie der Verkostungspokal universell einsetzbar, allerdings ist die Fließgeschwindigkeit etwas rasanter. Wegen der Höhe des Trinkgefäßes bleibt das Bier aber auch länger frisch. Im bauchigen Teil sammeln sich die Aromen, der verjüngende Part konzentriert sie. Wer das Gebinde am Stil anfasst, dem bleibt das Bier länger kühl. Besonders geeignet sind Tulpen für hopfenbetonte, frische Sorten wie Pils, aber auch für belgische Ales mit starken Hefenoten.
Erschienen im Meiningers CRAFT Magazin für Bierkultur.
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