Gourmet-Menüs werden meist von feinen Weinen begleitet. Jetzt entdecken immer mehr Top-Köche, das auch Bier zur Haute Cuisine grandios passt
Jörg Sackmanns Restaurant in Baiersbronn ist rappelvoll. Der Schwarzwald-Sternekoch ist trotz Hochbetriebs immer für Überraschungen gut. Die Stammgäste staunen, als der Aperitif zum dreierlei Amuse Bouche gereicht wird: kein Champagner, sondern ein „Boon Framboise“ – ein rubinrotes belgisches Bier, das mit frischen Himbeeren im Fass nachvergoren wurde. Fernsehkoch Sackmann ist von solchen Kombinationen begeistert:„Es macht mir inzwischen einen Riesenspaß, das perfekte Gericht zu edlem Bier zu finden.“
Im Windschatten der Craft-Bier-Bewegung versucht sich auch die deutsche Spitzengastronomie an einer Alternative zu Wein: Bierspezialitäten. Genießer, die bislang auf teure Bordeaux, Riesling und Brunello schworen, lassen sich beim Zehn-Gänge-Menü immer häufiger handwerklich produzierte Biere schmecken. Das einst als Grillwurstbegleiter verschrieene Industrieprodukt hat es auf die Menü-Karten der Sterne-Restaurants geschafft. „Mittlerweile passen experimentierfreudige Köche ihre Gerichte sogar speziellen Biertypologien an“, sagt Eckart Witzigmann – und der muss es wissen.
Zu diesen Küchenzauberern gehört auch Jörg Sackmann. Der 55-Jährige Schwarzwälder war einer der ersten, die sich an spannende Kombinationen aus Bier und Spitzenküche herantrauten. „Die Aromen von Getränk und Speise müssen harmonieren“, sagt er. Gemeinsam mit Marc Rauschmann, Chef von „Braufactum“ und Pionier der deutschen Craft-Bierszene, stellt Sackmann regelmäßig ein Spitzenmenü zusammen. „Viele Gäste sind erst überrascht“, sagt Rauschmann, „und nach dem ersten Schluck total begeistert.“ Berauscht, könnte man sagen. Die Kreationen des Duos Sackmann/Rauschmann klingen köstlich und schmecken auch so: saftiges Schweinekinn auf Tafeltrauben, alten Karottensorten und Süßkartoffelgelee, dazu herb-würziges, aber dennoch fruchtiges Bier namens „Progusta“ aus dem Hause Braufactum. Oder Jakobsmuschel mit Chicken-Wing, Daikoncreme, Zitrusfrüchten und Risoninudeln mit dem Saisonbier „Sorachi Ace“ der New Yorker Brooklyn Brauerei. Diese US-Leckerei schmeckt dank spezieller Hopfenbeigaben nach exotischen Früchten und passt perfekt zu Muschelgerichten.
Solche Kombinationen machen Schule. Andere Spitzenköche wie Shane McMahon, Alexander Schütz oder Werner Licht experimentieren ebenfalls mit modernen Craft-Bieren. Der Münchner Licht präsentiert Bier nicht nur im Glas, sondern verwendet es auch zum Kochen. Kalbstafelspitz schmort er in süffigem Märzenbier, Saibling-Filets mariniert er mit passenden Hopfensäften – oder er zaubert dazu eine Senfkörner-Biersauce. Sogar Desserts lassen sich prima mit Gerstensaft kreieren, meint Licht. Sein Geheimtipp: Biertiramisu mit Apfelragout. Und was dazu? Ganz klar: Bier. Cappuccino kann ja jeder.
Erschienen im November 2015 im FOCUS Magazin.
Sehr schön und informativ. Schade bloß, dass Du immer nur in Süddeutschland trinkst. OK, ich geb zu, südlich des Mains ist gut Essen&Trinken leichter zu finden.
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