Pils-Verkostung: Kühl, herb und hopfig

Pils ist – mit Abstand – der beliebteste Gerstensaft an deutschen Theken. Aber stimmt es wirklich, dass alle Sorten gleich schmecken. Biersommelier-Weltmeister Sebastian Priller testete die zehn beliebtesten Premium-Marken.

Foto: www.sandmann-fotografie.de - Matthias Sandmann
Sebastian Priller-Riegele beim Degustieren – hier allerdings kein Pils

Vormittags schon Bier zu verkosten, gehört für Sebastian Priller zur beruflichen Routine. Für ihn bedeutet eine Degustation nicht Arbeit, sondern – selbst nach langjähriger Praxis – noch immer purer Genuss. Um das Farbspiel des ersten Pils zu analysieren, streckt der ehemalige Biersommelier-Weltmeister sein Glas der Sonne entgegen, die durch die Blätter einer 200 Jahre alten Buche scheint. Dann schnuppert der 40-Jährige am Schaum und nimmt einen winzigen Schluck. „Bier sollte man, anders als bei Weinverkostungen, unbedingt runterschlucken“, rät der Augsburger Probier-Profi. Erst im Rachen würden sich die Bitterstoffe zeigen, die für ein Pils exemplarisch sind.

Pils – daran lässt auch der Deutsche Brauerbund keine Zweifel – ist der Germanen liebster Trunk.  Nach den Zahlen der Berliner Branchenvertreter liegt der Anteil am gesamten Ausstoß bei mehr als 55, der Verkaufsanteil sogar bei rund 70 Prozent. Vor allem Männer stehen auf den hopfig-herben Gerstensaft. Jeder Zweite greift Umfragen zufolge mindestens einmal pro Woche zum Pils. Kritiker behaupten jedoch, dass sich die gängigen Sorten in den vergangenen Jahrzehnten immer mehr vereinheitlicht haben und sich heute geschmacklich von Laien kaum noch voneinander unterscheiden lassen. Priller urteilt über diesen Mythos differenzierter: „Zwar weist der Grundcharakter hohe Ähnlichkeiten auf, dennoch lassen sich Unterschiede in Bezug auf Säure, Herbe, Fruchtkomponenten und Malzintensität zu finden.“

Im Test analysiert der Augsburger Sommelier-Champion die zehn der hierzulande meistgetrunkenen Premiumsorten,  darunter Bitburger, Veltins, Warsteiner, Krombacher, Hasseröder, König Pilsner, Radeberger sowie Jever, Becks und Holsten. Aber was kennzeichnet eigentlich ein gutes Pils? Für Bier-Experte Priller muss es eine duftende Hopfennote aufweisen sowie frisch und spritzig im Antrunk sein. Am Gaumen soll es einen schlanken und harmonischen Körper erkennen lassen sowie eine überraschende und angenehme Bittere im Nachtrunk zeigen. Weil das Bitburger Pils genau über diese Eigenschaften verfügt, schneidet das Bier aus Rheinland-Pfalz im Test am besten ab. Dicht gefolgt von Veltins, bei dem Priller allerdings etwas die „Hopfigkeit“ fehlt.

Becks belegt den dritten Platz. Es zeigt eine würzige Hopfenblume in der Nase, fruchtige Noten im Geschmack, aber für den Biersommelier zu wenig Herbe im Gesamtbild. Dennoch ist ein Becks Pils für ihn „ein schönes, rundes Bier“. „Friesisch-herb“ heißt der Claim der Jever Brauerei aus Ostfriesland. Dem kann Priller nicht ganz zustimmen. Ihm fehlt hier die stiltypische Bittere, die in den früheren Bieren noch den Typus des norddeutschen Gerstensaftes ausmachte. Radeberger sei im Vergleich dazu „sehr harmonisch ausbalanciert, aber zu neutral“. Krombacher erinnert den Ex-Weltmeister eher an ein bayerisches Helles, da der Malzgeschmack überwiegt. König Pilsner präsentiert eine leichte Säure mit einer zarten Zitrusnote. „Ziemlich schlank und neutral“, wertet Priller. Hasseröder ist ihm für ein klassisches Pils ebenfalls „zu schlank und zu getreidig im Aroma“, außerdem würden die typischen Hopfennoten fehlen. Auf den hinteren Rängen schneiden nach Prillers Bewertung die Produkte von Warsteiner und Holsten hab. Warsteiner aus Nordrhein-Westfalen gilt für ihn eher als Durstlöscher, der etwas den Pils-Charakter vermissen lässt. Das Holsten  Pils dagegen sei zwar spritzig und erfrischend, „dennoch zu wenig ausbalanciert“, bedauert der Biersommelier.

Sebastian Priller ist selbst ein großer Pils-Liebhaber. Auch in seiner Brauerei, dem Brauhaus Riegele in Augsburg, wird diese Sorte gebraut. Pils ist für ihn eine klassische Erfrischung und eigne sich hervorragender als Aperitif. Aber er bedauert in seinem Gesamturteil, dass vielen Sorten ihre Individualität verloren gegangen ist:  „Um sich dem  Massenmarkt anzupassen ist der Hopfencharakter von vielen Brauereien in den vergangen Jahren leider deutlich reduziert worden.“ Selbst für Experten sei es schwierig, noch eine Geschmackspolarisierung zu entdecken.

Erschienen im Bier Spezial des FOCUS Magazins.

2 Gedanken zu “Pils-Verkostung: Kühl, herb und hopfig

  1. Marcel

    Pilsz vom Spent Brewers collective aus Berlin – definitiv das beste in Deutschland auf dem Markt: klassisch, aber hopfenbetont mit typischen Pilsnerhopfen!

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