Salzburg-Special: Österreichs geheime Bierhauptstadt

Salzburg ist bekannt für eine hohe Brauereidichte, eigenständige Sude und gemütliche Bierlokale. Ein Trip durch die Hopfen- und Malzszene der Mozartstadt und seiner Region zeigt, dass in kaum einem anderen Landesteil von Österreich die Bierkultur so lebendig ist wie hier

Salzburg zählt zu den touristischen Hotspots in der Alpenrepublik. Zu den Highlights für mehr als 5,5 Millionen Besucher pro Jahr gelten aber nicht nur die weltweit bekannten Festspiele, das Geburtshaus von Wolfgang Amadeus Mozart oder die fast 1000 Jahre alte Festung Hohensalzburg, die über der barocken Altstadt thront und als Wahrzeichen der Metropole gilt. Die Stadt, durch dessen Mitte sich idyllisch die Salzach schlängelt, pflegt eine uralte Brauhistorie mit jahrhundertealten Brauereien, aber inzwischen auch eine neue quirlige Bierszene mit jungen Craft-Machern, Bierbars und traditionellen Wirtshäusern.

Während die Landeshauptstadt Wien mit seinen Heurigen Lokalen punktet, in denen der rund um die Stadt wachsende Wein die Hauptrolle spielt, gilt Salzburg inzwischen als geheime Bierhauptstadt des Landes. In der Barockstadt finden Freunde des Hopfen- und Gerstensaftes neben historischen Brauhäusern, die ihr Portfolio inzwischen durch kreative Sude ergänzen, auch an fast jeder Straßenecke spannende Bierlokale, urige Bräustüberl, gemütliche Biergärten, eine zentrale Ausbildungsstätte für Diplom-Biersommeliers und eine hochaktive Craft-Bierszene. Laut aktuellen Zahlen des österreichischen Brauereiverbands produzieren in Salzburg und der Region derzeit 13 Brauereien und 14 Hausbrauereien besondere Sude – für Österreich ein rekordverdächtiges Kontingent.

Damit trägt die Mozartstadt wohl auch zu einem erheblichen Anteil am österreichischen Pro-Kopf-Verbrauch bei Bier bei, der im internationalen Vergleich weltweit immerhin den zweiten Platz belegt. Insgesamt zählt der Branchenverband in Österreich bei landesweit nur knapp 9 Millionen Einwohnern mehr als 300 Braustätten mit rund 1000 verschiedenen Bieren und einem Gesamtausstoß von immerhin rund zehn Millionen Hektoliter – inklusive alkoholfreien Sorten. „Der Wirtschaftsmotor Braubranche läuft in Österreich sehr stabil und unabhängig von konjunkturellen Schwankungen“, sagt Verbandschef Siegfried Menz. Das sei vor allem der ausgeprägten Regionalität mit großer Biervielfalt, dem damit verbundenen Qualitätsanspruch zu verdanken.

Dass die Bierkultur insbesondere in Salzburg sehr lebendig ist, kann der Branchenprimus indes nur bestätigen. Als älteste Braustätte der Mozartstadt gilt das Hofbräuhaus Kaltenhausen, das der einstige Bürgermeister Johann Elsenheimer 1475 unter dem Namen „Kaltes Bräuhaus“ errichtete. Nach etlichen Besitzern, wie etwa der fürsterzbischöflichen Hofkammer, diversen Herzögen und dem geschichtsträchtigen Kaiser Franz I., zog einst eine Kurfürstin die Braustätte zu einem der führenden regionalen Industriebetriebe des 19. Jahrhunderts hoch.

Aber nach zwei Weltkriegen und zahlreichen Besitzerwechseln ebbte der Erfolg allmählich ab, bis der Betrieb 2011 eingestellt und das alte Sudhaus abgerissen wurde. Aber Kaltenhausen lebt weiter, wenn auch in anderer Form: Eine neue, vollautomatisierte Kleinanlage wurde installiert, auf der heute Braumeister Martin Simion mit seinem Team süffiges Kellerbier, bernsteinfarbenes Pale Ale oder ein kräftig gehopftes India Pale Ale mit der Hopfensorte Citra braut. Im Sortiment finden Bierliebhaber immer wieder auch saisonale und limitierte Spezialitäten. Darunter ein Bier, vergoren mit dem Saft reifer Veltliner-Weintrauben, eine weitere Sorte, die auf frischgehobeltem Zirbelholz reift oder einen etwa einen 9,5-prozentigen Barley Wine.

Reinhold Barta, GF, Braumeister, Biersommelier, Brauhaus Gusswerk, Hof, Salzburg, 20130923, (c) wildbild

Auch wenn im Salzburger Land uralte Biertraditionen weiter erfolgreich gepflegt werden, so setzen heute immer mehr Jungbrauer auf kreative Sude. Neben dem Team von Kaltenhausen gehört auch Reinhold Barta mit seinem 2007 gegründeten Brauhaus Gusswerk im nur wenige Kilometer von Salzburg entfernten Hof zu den neuen Sudzauberern der Region. Vor den Toren der Stadt produziert der umtriebige Chef der aufstrebenden Bio-Manufaktur neben klassischen Bierstilen wie Weizen, Wiener Lager und hellem Vollbier auch ganz besondere Spezialitäten. So führt Barta in seinem Segment ein Dry Stout namens „Das schwarze Schaf“, ein dunkles Starkbier mit neun Umdrehungen und dem ungewöhnlichen Titel „Horny Betty“ sowie fassgereifte Aromabomben aus Ex-Bourbon oder Ex-Sherry-Fässern. Bei seinen biologisch-dynamischen Bieren setzt der Gusswerk-Chef auf Natürlichkeit und Regionalität. „Nachhaltigkeit und schonender Umgang mit Ressourcen,“ so Barta, „war für mich schon immer immens wichtig und integrativer Bestandteil unserer Philosophie.“

Besonderen Wert auf die Auswahl der Rohstoffe legt auch die fast 530-jährige Stiegl Brauerei mit ihrem „Gut Wildshut“, rund 30 Kilometer vom Haupthaus des Traditionsbetriebes entfernt. Dort betreibt ein Team eine eigene Bio-Landwirtschaft und kultiviert Urgetreidesorten wie die Alpine Pfauengerste oder den Laufener Landweizen. Diese Sorten werden vermälzt und in den „Wildshuter Bierspezialitäten“ umgesetzt. Zwar zählen zu den Stiegl-Flaggschiffen eher die Lager- und Märzenbiere. Aber die größte Privatbrauerei des Landes, in dessen Brauwelt sich auf 35.000 Quadratmetern das größte Biermuseum Österreichs befindet, ist auch bekannt für hohe Experimentierfreude.

Foto: Wildbild/Sandra Hallinger

Neben Märzen, Hellem, Pils und Weizen setzt das Stiegl-Kollektiv auch auf Pale Ale und innovative Biere wie etwa ein nachtschwarzes „Baltic Chili Porter“ mit Charapita-Chili, ein „Gin Style IPA“ mit Wacholder oder eine erfrischende Berliner Style Weiße mit Himbeeren sowie Jahrgangsbiere wie beispielsweise das beliebte „Faux Pas Apricot“, ein fassgereiftes Marillen-Starkbier. Alle Stiegl-Biere tragen als Garantie für Qualität und lange Reifung das Gütesiegel „Slow Brewing“. Für Brauereiinhaber Heinrich Dieter Kiener ist die Mitgliedschaft in dieser Qualitätsvereinigung selbstverständlich: „Der Hektik unserer Zeit erteilen wir mit unserer Art zu brauen eine klare Absage.“

Dieselbe Philosophie pflegt auch Seppi Sigl von der 1601 gegründeten Trumer Privatbrauerei im rund 15 Kilometer entfernten Obertrum, die er in achter Generation führt. Trumer ist seit nunmehr acht Jahren Mitglied bei „Slow Brewing“. Das Besondere an den Suden der Braustätte ist nicht nur die lange Reifezeit, sondern auch die Verwendung von Naturhopfen sowie ein patentiertes, offenes Gär-System, wobei Gerb- und Bitterstoffe in Handarbeit abgeschöpft werden. Durch dieses Verfahren schmecken die Trumer-Biere besonders mild. Spitzenreiter von Seppi Sigl sind das international ausgezeichnete, 4,9-prozentiges „Trumer Pils“ sowie das Session Pils „Hopfenspiel“ mit schlanken 2,9 Prozent. Kaltgehopft ist es mit dem französischen Aromahopfen Triskel und US-Cascade. Einmal im Jahr kommt auch die „Hopfenernte“ auf den Markt. Ein Bier, das meist etwas kräftiger und mit Hopfen eingebraut ist, der direkt vor der Trumer Haustür wächst. Seppi Sigl plant auch Neuerungen in der Brauerei: „Künftig werden wir definitiv in Nachhaltigkeit investieren und denken gerade auch über eine neue leichte Pilsspezialität nach.“

Sepp Sigl
Credit: Michael Königshofer moodley brand identity

Nur einen Steinwurf von der Trumer Privatbrauerei entfernt, befindet sich das österreichische Mekka für angehende Biersommeliers. Im Bierkulturhaus von Axel Kiesbye dreht sich alles um Hopfen- und Malzsäfte, aber auch um Technologie und Sensorik. Brauingenieur Kiesbye und sein Team haben sich in der Akademie auf das Biersommelierwesen spezialisiert. Neben der Ausbildung bieten die Obertrumer aber auch Braukurse sowie sogenannte Grand Cru-Seminare an, in denen es um spezielle Foodpairings und neue Technologien des Craft-Bierbrauens geht. In diesem Jahr startet auch das „Braumeister Camp“ die nächste Runde, bei dem Teilnehmer gemeinsam mit renommierten Brauern aus aller Welt ihr eigenes Bier produzieren und sich fachlich austauschen können.

Axel Kiesbye in Action
Credit: Bierkulturhaus

Zu den diesjährigen Stars gehören etwa Scott Jennings von Sierra Nevada Brewing aus den USA, Nikolas Marjanovic von der Beavertown Brewey aus England und Oliver Wesseloh von der Kreativbrauerei Kehrwieder aus Hamburg. Axel Kiesbye legt bei seinen Angeboten viel Wert darauf, den Nerv der Zeit zu treffen. „Ich versuche die Zukunft unserer Branche zu deuten und so die Kursinhalte attraktiv weiter zu entwickeln“, sagt er. Seiner Ansicht nach werde beispielsweise die Bedeutung von klimaschonenden Brautechniken und die Bier-Auspreisung mit Bio- und anderen Gemeinwohl-Auszeichnungen auch an Bedeutung für Diplom-Biersommeliers gewinnen.

Augustiner Salzburg

Nicht alle Macher der Salzburger Bierkultur setzen auf Modernität. Als eine der wichtigsten Traditionalisten in der Stadt gilt der Augustiner Bräu. Seit 1621 wird im Stadtteil Mülln, am Fuß des Mönchsbergs, süffiges Bier gebraut und auch dort genossen. Das urige Bräustüberl gilt als Österreichs größte Biergaststätte und der angeschlossene Biergarten als größter des Landes. Um in der quirligen Atmosphäre ein Bier zu bekommen, müssen Gäste zuerst bezahlen, sich aus dem Regal einen Steinkrug nehmen um sich dann das goldfarbene Märzen von den Schankburschen ganz frisch aus Holzfässern einschenken lassen. Im „Schmankerlgang“ finden Hungrige an Verkaufsständen die passende Speise zum Trunk.

Ein weiterer historischer Hotspot ist „Die Weisse Brauerei“. Seit mehr als hundert Jahren wird im Salzburger Stadtteil Schallmoos feinstes Weißbier gebraut. Im zweiten Weltkrieg wurde die Braustätte zwar von einer Bombe getroffen, vollständig zerstört, aber einige Jahre später wiederaufgebaut. Weißbier zählte damals nicht unbedingt zu den beliebtesten Stilen der Österreicher, so dass die Weisse damals die einzige Produktion für diese obergärige Spezialität in der Region war. In den 1980ger Jahren übernahm Hans Georg Gmachl die Brauerei, die er derzeit gemeinsam mit dem Brauer Wolfgang Schweitl führt. Das inzwischen allseits beliebte Bier wird auch heute noch nach traditionellem Rezept gebraut und im eigenen Wirtshaus ausgeschenkt.

Salzburgs Erfolgsgeschichte als heimliche Bierhauptstadt der Alpenrepublik ist untrennbar mit der regionalen Gastronomie verbunden. Attraktive Bierlokale findet der Salzburg-Besucher in jedem Stadtteil. Wer die Mozartstadt bereist, sollte jedoch unbedingt auch beim Gablerbräu, beim Sternbräu oder im s’Kloane Brauhaus einkehren. Die Wirtshäuser servieren neben österreichischer Küche meist ihre eigenen naturtrüben Biersorten.

 Zu den beliebtesten Bierlokalen der Stadt zählt zudem die Trumerei, die neben ihren eigenen Suden auch eine umfangreiche Bierkarte mit internationalen Craft-Sorten anbietet. Aber auch die Salzburger Volkswirtschaft „Fuxn“ mit ausreichender Bierauswahl und modernen Speisen sowie der älteste Bierkeller Salzburgs namens „PitterKeller“ sind einen Besuch wert. Dort servieren die Kellner neben diversen Biersorten auch kreative Bier-Cocktails. Nicht zu vergessen ist der Belgier Dirk Baert mit seinen Lokalen „Alchimiste Belge“ und der „Beffa Bar“, die angeblich die größte Auswahl an belgischen Bieren in ganz Österreich aufweisen. Auch wenn sich Traditionalisten erst noch an Lambic, Witbier und Trappistensude gewöhnen müssen, so freut sich Baert inzwischen über den regen Zuspruch seines Angebots – und nicht nur bei internationalen Touristen.

Erschienen im Meininger’s CRAFT Magazin für Bierkultur.

Hoppebräu: Von wilden Hühnern und wilden Hunden

Seine ersten Sude braute er in der Garage seiner Eltern, machte zeitgleich eine Brauerlehre und zog eine Gasthausbrauerei auf der Insel Mauritius hoch. Als Gypsy-Brauer etablierte sich Markus Hoppe mit seiner Marke Hoppebräu in der bayerischen Craft-Szene und gilt heute mit eigener Familienbrauerei als Erfolgsbeispiel für viele seiner Kollegen.

Credit: Hoppebräu

Wer das bayerische Oberland mit seiner malerischen Bergkulisse, gemütlichen Biergärten und urigen Traditionswirtschaften bereist, der begibt sich auf einen Trip durch die Seelenlandschaft der Bajuwaren. In dieser ländlichen Bilderbuchregion gibt es seit April dieses Jahres an der Bundesstraße 472 zwischen Miesbach und Bad Tölz einen neuen Hotspot für Liebhaber kreativer Sude. In der 6000-Seelen Gemeinde Waakirchen nahe des Tegernsees, wo bunte Geranien die Balkone der alten Bauernhäuser schmücken, erfüllte sich Markus Hoppe einen Lebenstraum. Hier, an seinem Heimatort, errichtete der junge Hopfenkünstler seine eigene Brauerei mit kultiviertem Pub und heimeligen Biergarten. Für einen Mann, der gerade erst sein 30. Lebensjahr erreicht hat, eine wahre Meisterleistung: „Das brauchte einen ganz schön langen Atem“, bekennt Markus Hoppe schmunzelnd, „aber wenn die Realisierung einer Brauerei so einfach wäre, dann würde es wohl jeder machen.“

Ein solches Vorhaben fernab der Craft-Monopolen Berlin, Hamburg oder München erfordert viel Willensstärke, Mut und finanzielle Risikobereitschaft. Was Markus Hoppe dabei ziemlich kalt lässt, ist zudem die Tatsache, dass er sich dennoch in einem harten Konkurrenzumfeld bewegt. Denn in einem Radius von vielleicht dreißig Kilometern befindet sich fast ein Dutzend namhafter Traditionsbrauereien, wie das Tegernseer Brauhaus, die Klosterbrauerei Reutberg sowie der Weißbierspezialist Hopf. Doch lange vor dem Start, analysierte er das Marktumfeld und hat heute etwas vorzuweisen, was kaum einer der umliegenden Konkurrenten bieten kann: „Bei uns zählen die Identifikation als Familienbetrieb und die damit verbundene Authentizität, vor allem aber unsere Kreativbiere, die es in dieser Form bei keinem unserer Konkurrenten gibt.“

Dass es sich bei Hoppebräu um einen hochengagierten Familienbetrieb handelt, spürt jeder, der schon mal in Waakirchen eingekehrt ist. Seine Mutter leitet mit viel Charm die gemütliche Gastronomie, die den bierseligen Namen „Zapferei“ führt. Der Vater fungiert als betriebswirtschaftlicher Berater und packt überall dort an, wo gerade Not am Mann ist. Seine Frau Christina bezeichnet der junge Brauereichef als Kopf der Marke, sie erledigt alle organisatorischen Aufgaben, kümmert sich um das Marketing und den Auftritt in den sozialen Medien. Sein jüngerer Bruder ist gelernter Destillateur und unterstützt mit seinem Wissen die Barrel Aged-Spezialitäten aus dem Hause Hoppebräu.

Auf seine bescheidene Art macht Markus Hoppe keinen Hehl daraus, dass er ohne die Unterstützung seiner Familie, wohl noch längst nicht da wäre, wo er heute mit seinem Betrieb steht. So wollte er gleich nach der Realschule eine Brauerausbildung antreten. Seine Eltern legten ihm allerdings nahe, doch erst das Fachabitur zu machen. Markus quälte sich durch die Fachoberschule und ein angepeiltes Studium zum Bauingenieur, trat er gar nicht erst an. Er entschloss sich Brauer zu werden.

Zu dieser Zeit war der Oberbayer noch nicht mal ein bewusster Bierbekenner. Erst nachdem er sich für eine Lehre bei der rund 30 Kilometer entfernten Maxlrainer Brauerei entschied, infizierte er sich mit dem Virus Bier. Um erste Sude zu realisierten, kaufte er sich 2010 eine 100-Liter Brauanlage und begann in der Garage seine eigenen Biere zu brauen. Der erste Gerstensaft, den Hoppe in seinen Töpfen zusammenrührte, war ein Märzen, das nach seinen Aussagen „sogar ganz gut schmeckte“. Der zweite Sud dagegen, ein Helles, sei ungenießbar gewesen und auch Weißbier habe er damals in kleineren Mengen nie so richtig hinbekommen.

Den Anspruch, ein gutes Bier zu brauen, hatte der engagierte Freizeitkoch aber von Anfang an. Seinen Ausbildungsbetrieb in Maxlrain bezeichnet der Waakirchner heute als Sprungbrett auf dem Weg zum Kreativ-Brauer. Immerhin konnte er innerhalb seiner Lehre ein Praktikum bei Brewdog in Schottland absolvieren. Hier tauchte er tief in die Philosophie hopfenbetonter Sude ein. Die Brauhunde boten ihm sogar eine Stelle an, die er allerdings ablehnte. Über den Maxlrainer Braumeister bekam er den Kontakt zur Firma Johann Albrecht, die weltweit Gasthausbrauereien verkaufen. Das Unternehmen hatte gerade ein Projekt auf der Insel Mauritius begonnen und wollte ihn dort als Braumeister einstellen. Der Braulehrling war anfangs unschlüssig, ob er den Schritt so weit von zuhause wagen sollte, sagte aber schließlich zu. Seine heutige Frau Christina erinnert sich: „Ich habe Markus damals gesagt, wenn du das allein wegen mir nicht machst, dann bist du echt dumm.“

Auf dem rund 9000 Kilometer entfernten Eiland im indischen Ozean zog er dann nahe der Hauptstadt Port Louis, die Flying Dodo Brauerei hoch und experimentierte erstmals mit Rohstoffen, die in seiner Heimat das Reinheitsgebot untersagt hätte. Das Flaggschiff der Braustätte war ein schlankes Blond, gebraut mit Zuckerrohr und gestopft mit Cascade-Hopfen. Neben verschiedenen India Pale Ales mit unterschiedlichen Hopfenspielen entwarf der Nachwuchsbrauer auch ein Imperial Stout, für das er Pinien-Rinde am Strand sammelte, trocknete und zur Nachgärung in den offenen Bottich packte. „In den 14 Monaten auf Mauritius habe ich wirklich alles ausprobiert, was irgendwie möglich war,“ bekennt der Oberbayer. Erst auf der Insel habe er die ganze Vielfalt kreativen Bierbrauens kennengelernt.

Mit der Intention, eine neue Biervielfalt nach Bayern zu bringen, kam Markus Hoppe zurück in sein Heimatdorf und experimentierte in der Garage seiner Eltern wie ein Besessener auf seiner 100-Literanlage. Seine Marke nannte er anfangs schlicht „Markus Hoppes Garagenbräu“. Aber kaum meldete er ein Gewerbe an, schon stand die Lebensmittelaufsicht vor der Tür und zwang ihn mit seinen Kesseln umzuziehen. Das Equipment wanderte ins ehemalige Schlachthaus auf dem Bauernhof seiner Großeltern – dort waren die Wände gefliest und es gab Heißwasseranschluss. Die neuen Biere kamen im Freundeskreis so gut an, dass der Jungbrauer mit der Produktion kaum nachkam. Inzwischen bedient er nahezu alle Vereine im Dorf, und rückt seine Sude zunehmend auf die Getränkekarten der umliegenden Gastronomie. 

Schon bald reichten die heimisch produzierten Mengen nicht mehr aus um die Nachfrage zu stillen. So wurde Markus schließlich zum Gypsy-Brauer, und er begann einige Sude im österreichischen Schwoich zu brauen. Auf der Rückfahrt von der Brauerei fragte er seinen Vater, wie er denn nun das hopfengestopfte Lager nennen solle. Dieser meinte daraufhin: „Alle sagen zu dir, du bist ein wuider Hund, wieso nennst du das Bier nicht einfach wuider Hund?“. Der Name stand fest und der Weg zur heutigen Wuid-Serie war gelegt. Beim zweiten Bier, dem India Pale Ale, fungierte der Opa als Testperson. Der nippte am Glas, verzog das Gesicht und sagte: „Das schmeckt ja vogelwuid!“ Somit war das „Vogelwuid IPA“ geboren.

Mit diesen beiden Sorten leistete der Gypsy-Brauer schon 2013 echte Pionierarbeit in der bayerischen Craft-Szene. Die freien Kapazitäten waren in Schwoich jedoch bald ausgereizt, sodass er mit seiner Produktion zum Wildbräu nach Grafing bei München wechselte. Zeitgleich holte er sich noch den Braumeister-Titel und sprach beim Waakirchner Bürgermeister vor, der ihn aber wegen seines Vorhabens eine eigene Brauerei im Ort zu errichten, regelrecht auslachte. Als Markus Hoppe 2016 eine Existenzgründerförderung erhielt, begann er intensiv mit der Planung seines Bierreichs.

Sein Glück war es, sagt er heute, dass seine Unternehmung noch nie schlechte Zahlen schrieb. Er hatte immer alle Einnahmen in seinen Betrieb reinvestiert und sich selbst nur wenig gegönnt. So konnte er schon vor dem Bau der Brauerei einen stabilen Marktwert und ein konstantes Wachstum verbuchen. Damit gelang es ihm beispielsweise finanzielle Unterstützung von der Regierung von Oberbayern zu bekommen, die ihm einen Zuschuss von 287.000 Euro gewährte. Auch Firmen wollten sich am Hoppe-Bräu beteiligen, das schlug er aber aus. „Die ganze Finanzierung war alles in allem ein echt brutaler Akt“, bekennt er ohne Reue.

Auch wenn der Jungbrauer zugibt, dass er viel Lehrgeld blechen musste, so hat sich die Mühe für ihn gelohnt. Inzwischen zählt er zu den bekanntesten Craft-Brauern der Nation. Der erste Spatenstich fand im April 2018 statt, bei dem Markus Hoppe die Freudentränen nur so über die Wangen kullerten. Ein Jahr danach eröffnete er sein Bier-Erlebniszentrum – und nur wenige Monate später musste er bereits die Brauerei um das Rolec-Sudhaus herum mit drei neuen Tanks erweitern. Machte seine Braumanufaktur 2016 noch etwa 1000 Hektoliter pro Jahr, waren es 2018 schon 2500 und in 2019 rechnet er mit einem Ausstoß von 4000 Hektolitern, die er wiederum innerhalb der nächsten drei Jahre auf 7000 ausreizen will. Sein Zugpferd ist inzwischen ein Helles, das vor allem den Regionalmarkt bedient.

Bei allen Erfolgen, auch mit Auszeichnungen für seine Biere, ist Markus Hoppe auf dem Teppich geblieben. Neben seiner Wuid-Serie mit Session Pale Ale, IPA, hopfengestopftem Lager, Double IPA und Amber Ale braut er zunehmend auch klassische Bierstile. Neben dem Bestseller Helles, auch Weißbier und Märzen – natürlich mit individuellem Hoppe-Touch und immer mit regionalen Zutaten. Wichtig ist es dem Braumeister, dessen Lieblingsplatz für ein Feierabendbier die Hausbank an der Ostseite der Brauerei ist, dass alle seine Sorten „rund, stimmig, charaktervoll und süffig“ sind. „Ich sehe unsere Sorten als Bindeglied zwischen traditionellen und extremen Bieren“, bekräftigt der 30-Jährige. Er versteht das als Brückenschlag zwischen Tradition und Moderne, den viele Traditionsbrauereien derzeit gerade versuchen nachzuvollziehen.

Bei seinen Bieren hält sich der Chef von Hoppebräu strikt ans Reinheitsgebot, setzt aber auch auf Experimentierfreude. Seiner Meinung nach sind die Möglichkeiten, die das Gesetz hierzulande vorschreibt, noch längst nicht ausgereizt. Auf einer kleinen Versuchsanlage laboriert er bereits fleißig mit Sauerbieren, die mit Fruchtzucker vergoren werden. In den Kessel kommen alle möglichen Früchte, die in der Region wachsen. Vor allem Zwetschgen haben es ihm angetan.

Jetzt kam aber erst mal die neue Version seines alljährlich aufgelegten Imperial Stouts auf den Markt, dass er wieder in Whiskyfässern der nur 20 Kilometer entfernten Kultbrennerei Slyrs am Schliersee reifen ließ. Diesmal handelte es sich um Fässer einer Mountain-Edition, die auf 2000 Höhenmetern in den bayerischen Alpen lagerten. Um die hohe Kunst des Barrel Agings zu beherrschen, errichtete Markus Hoppe im Keller der Brauerei einen speziellen Reiferaum, in dem er die Luftfeuchtigkeit exakt regulieren kann. „Innovation ist sehr wichtig, um sich selbst weiterzuentwickeln und neue Bierstile auszuprobieren“, urteilt das typisch bayerische Mannsbild.

Alle Biere des umtriebigen Braumeisters können Interessierte auch in seiner „Zapferei“ genießen. In der gemütlichen Location fließen die Sude aus elf Hähnen, einer davon ist für wechselnde Gastsorten vorgesehen. Zudem gibt es eine Speisekarte mit zünftigen Brotzeit-Schmankerln und ein paar warmen Gerichten, wie einem speziellen Hoppe-Dog, Biergulasch oder Bierbratwürste. Die Zutaten stammen allesamt von Landwirten aus der Gegend, das Wild wird in den Bergen nahe der Brauerei geschossen. Die hauseigene Gastronomie überlässt der Jungunternehmer aber seiner Mutter Susanne. „Unser Leben hat sich komplett verändert“, sagt die quirlige Hoppe-Mama, „ich hätte nie gedacht, dass die Gastronomie so einschlägt.“ Häufig helfen auch ihre Schwester und die Schwiegermutter ihres Sohnes mit.

Zu den Hoppes kommen nicht nur neugierige Craft-Bierfans, sondern auch Ausflügler und Urlauber, vor allem aber fast alle Dorfbewohner, die eine Brauerei in ihrem Heimatdorf als echten Glücksfall verstehen. An Sonn- und Feiertagen bringen Stammtischler manchmal sogar ihre Instrumente mit und unterhalten mit Ziehharmonika und Gitarre die Gäste mit altbayerischem Liedgut. Und wenn der Chef sich nicht gerade ums Bierbrauen kümmert oder hin und wieder mal mit seinem Sohn in den Bergen des Voralpenlandes unterwegs ist, dann lässt er sich auch immer wieder mal in seiner Location sehen. „Das schafft Transparenz, baut Vertrauen auf und sorgt für den Gewinn neuer und nachhaltiger Kunden“, weiß Markus Hoppe. Aber dem Brauer ist auch klar, dass man sich niemals auf seinen Lorbeeren ausruhen darf. Er setzt auf Expansion und habe noch so einige Ideen in der Schublade – die will er aber noch nicht verraten.

Erschienen im Meininger’s CRAFT Magazin für Bierkultur.

Schräge Biere: Doppelter Rausch

Eine weltweit geschätzte Zauberpflanze ist bekannt durch viele Namen: Hanf, Cannabis oder Marihuana. Aber beim Genuss dieses Allroundgewächses geht es nicht nur um den Joint, sondern vielmehr um eine Universalpflanze, die bei Craft-Brauern und -Genießern immer beliebter wird.

Credit: NickyPe_Pixabay

Hanf gehört zu den ältesten Nutzpflanzen der Welt und gilt seit Jahrtausenden als eines der wirkungsvollsten Heilmittel für Erkrankungen jeglicher Art. Wen wundert da, dass das vielseitige Cannabisgewächs, als entfernter Verwandter des Hopfens, zunehmend auch im Sudkessel von Craft-Brauern landet. Wer sich hierzulande beim Genuss von Hanfbier allerdings einen doppelten Rausch verspricht, der dürfte enttäuscht sein. Nur in Ländern, in denen der Cannabis-Konsum gesetzlich erlaubt ist, kann ein Craft-Sud auch mal zur sanften Droge werden.

Aber den meisten Brauern geht es bei ihren Hanfbieren gar nicht um den Rausch, sondern vielmehr um das würzige und blumige Aroma der Pflanze. Verwendet wird das Gewächs in getrockneter Form, als Öl oder Extrakt. Manche Brauer setzen die Hanfblüten auch wie Hopfen beim Dry Hopping ein. Seit der Legalisierung von Marihuana in einigen US-Bundesstaaten hat sich Cannabis als Zutat im Bier dort sogar zum Trend entwickelt. Allerdings sind Sude, die mit dem berauschenden Stoff Tetrahydrocannabinol (THC) versetzt wurden, meist alkoholfrei.

Das gilt auch für die beiden erfolgreichen Sorten der „Ceria Brewing Company“ aus Colorado. Im würzigen Witbier namens „Grainwave” stecken fünf Milligramm THC, im IPA „Indiewave“ sogar noch etwas mehr von der psychoaktiven Substanz. Eine anregende Wirkung verspricht der Braumeister bereits nach 15 Minuten. Auch die Brauer der Flying Dog Brewery aus Maryland infundierten ihr „Hop Chronic IPA“ mit THC. Dafür kollaborierten sie mit einer spezialisierten Medical-Firma, sodass das Bier speziell für Cannabis-Patienten gedacht ist, die die therapeutischen Cannabinoide nicht rauchen wollen.

Solche berauschenden Sude suchen Hanf-Fans hierzulande bislang vergebens. Cannabis wird bei deutschen Brauern vielmehr als Aromabringer eingesetzt. Hanfbier-Vorreiter Philipp Overberg von der Gruthaus Brauerei in Münster produziert schon seit vier Jahren ein obergäriges, 5,6-prozentiges Landbier mit regionalen Cannabisblüten und grasigen, fast heuartigen Aromen. In Berlin führt die BRLO Brauerei sogar zwei „Cannabidiol-Biere“ im Sortiment. Ein knackiges Pils sowie ein 7,5-prozentiges Double IPA. Und in München hat der Hopfenhäcker ein 4,9-prozentiges Weißbier-Mixgetränk im Portfolio, das Werner Schürgraf für den würzig-blumigen Charakter mit Hanfblüten kaltstopft.

Auf Hanfblüten schwören auch die Macher vom österreichischen „BrauSchneider“. Ihrem 5,2-prozentigen „Hanfbier“, das angenehm nussige Noten hervorbringt, werden neben den Blättern reichlich Blüten hinzugefügt. Zu den Klassikern unter den Cannabis-Bieren zählt das „Californian Moonshine“ von „Tom & Harry Brewing“ aus der Steiermark. Das karamellige Lager ist mit österreichischen Cannabidiol-Hanfblüten gebraut, die sich mit Zitronennoten und einem würzigen Hanf-Touch vermählen.

Besonders beliebt ist der Einsatz von Cannabis auch in Biermischgetränken. So erweiterte Craftwerk Brewing aus Bitburg gerade das Portfolio mit einem „IPA Hanf-Radler“, bestehend zu 50 Prozent aus dem „Hop Head7 IPA“ und zu 50 Prozent aus Hanf-Zitronenlimonade. Das prickelnde Radler mit dem Geschmack von Zitrusfrüchten, Maracuja und einem grasigen Hanf-Touch macht zwar nicht high, ist aber eine wahre Erfrischung im Sommer.

Erschienen im Meininger’s CRAFT Magazin für Bierkultur.

Sorten-Special: Highway to Hell

Kaum ein klassischer Bierstil erlebt gerade so einen Höhenflug wie das Bayerisch Hell. Jedoch nicht nur im Freistaat wächst die Beliebtheit dieses Traditionstrunks stetig. Auch fernab des Weißwurst-Äquators setzen Brauereien immer häufiger auf diese süffige Sorte.

Credit: manfredrichter_pixabay

Für jährlich rund 40 Millionen Touristen gilt Bayern als eine der beliebtesten Ferienregionen in ganz Europa. Die Reisenden aus aller Welt kommen aber keineswegs allein wegen des weiß-blauen Himmels, der königlichen Schlösser oder der Bilderbuchlandschaften des Voralpenlandes. Gäste rund um den Globus wollen sich ebenso an den mehr als drei Dutzend regionalen Bierspezialitäten und der damit verbundenen Lebensart erfreuen. Spitzenreiter unter den süddeutschen Suden ist neben dem Weißbier vor allem das Bayerisch Hell, das in keinem Biergarten und zu keiner deftigen Brotzeit fehlen darf. Was für viele Touristen jedoch zum spannenden Maßkrug-Abenteuer wird, gilt bei den Bajuwaren seit jeher als Grundnahrungsmittel.

Die zunehmende Beliebtheit des Bayerisch Hell beweisen auch aktuelle Zahlen. So fällt gut ein Fünftel des Bierausstoßes im Freistaat inzwischen auf solch untergärige Biere. Aber die Lust auf solch süffige Sude geht inzwischen weit über den Weißwurst-Äquator hinaus. Im vergangenen Jahr erzielte das klare, goldfarbene Bier ein bundesweites Plus: Fast 2,1 Millionen Hektoliter Helles haben die Deutschen im ersten Halbjahr 2019 getrunken – das machte eine etwa vierprozentige Steigerung zum Vorjahreszeitraum aus.

Als verantwortlich für den Helles-Trend gilt vor allem die Augustiner Brauerei in München. Mit der Sorte „Edelstoff“ und „Hell“ baute sich die 1328 gegründete Braustätte vor allem bei jungen Leuten einen wahren Kultstatus auf. Das ist auch die Folge kluger Marketingstrategie: Als die meisten Großbrauereien auf moderne Glasbehälter wechselten, blieb Augustiner der bauchigen Euro-Flasche treu und schaffte es, dass dieses 0,5-Liter Gebinde heute als Sinnbild für Helles aus Bayern gilt. Laut Marktforschungsinstitut Nielsen hält das „August“ beziehungsweise das „Gustl“, wie die jungen Münchner das Bier auch gern bezeichnen, mit einem nationalen Handelsmarktanteil im Sortensegment von rund 30 Prozent Platz eins der Rangliste unter den etablierten Sorten.

Beim Hellen handelt es sich um ein sogenanntes Vollbier. Eine Biergattung, unter deren Bezeichnung die meisten deutschen Biere fallen, die eine Stammwürze von elf und bis maximal 16 Prozent vorweisen. Beim Bayerisch Hell liegt dieser Wert meist zwischen elf und zwölf Prozent. Der Alkoholgehalt reicht von etwa 4,5 bis 5,6 Prozent, was das Bier relativ schlank gestaltet. Gebraut wird es ausschließlich mit Gerstenmalz, häufig mit der Sorte Pilsner Malz – und natürlich nach dem deutschen Reinheitsgebot. Vor Abfüllung in Fass oder Flasche wird es klar gefiltert und präsentiert im Glas eine blanke, strahlende Optik.

Ein typisches Helles ist in der Regel ein eher schwachgehopftes Bier, das dennoch ein feinwürziges Aroma von Hopfensorten wie Hallertauer Tradition, Hallertauer Mittelfrüh oder Tettnanger sowie Hersbrucker aufweist. Die harmonische Herbe bewegt sich bei rund 15 Bittereinheiten. Selbst unter professionellen Brauern gehört diese bayerische Spezialität, die immer häufiger auch in attraktive 0,33-Liter Gebinde mit blauweißem Etikett verpackt wird, zu den kompliziertesten Bieren im Brauprozess. Helles verzeiht keine Fehler und braucht eine gewisse Balance, um die gewünschte Süffigkeit zu erzielen.

Das Helle blickt auf eine noch relativ junge Geschichte zurück. Erst Ende des 19. Jahrhunderts – mit der Erfindung der Linde’schen Kältemaschine – begann der Siegeszug solch untergäriger Biere. Sie benötigen für den Brauvorgang besonders niedrige Temperaturen von fünf bis zehn Grad und verlangen eine durchgängige Kühlung sowohl beim Gär- und auch beim Lagerprozess. So gilt als Geburtsstunde des Hellen der 20. Juni 1895, als die Münchner Spaten Brauerei ein „helles Lagerbier nach Art des Pilsener Bieres“ auf den Markt bringt. Anfangs soll die Biersorte umstritten gewesen sein, fand aber schnell zahlreiche Nachahmer. Mit wachsender Beliebtheit des süffigen Trunks begannen auch andere Münchner Brauereien auf diese Sorte einzusteigen. Und auch heute noch ist die Nachfrage des Hellen ungebrochen – und in modern interpretierter Form befördern auch Craft-Brauer die aktuelle Nachfrage.

Erschienene im Meininger’s CRAFT Magazin für Bierkultur.

Kommentar: Stunde der Kreativen

Ein Taifun fegt derzeit über die Craftbier-Szene hinweg und hinterlässt überall schwere Verwüstungen. Sein Name: Covid-19. Bars, Kneipen, und Restaurants mussten quasi über Nacht schließen. Brauereien und Gastronomie kämpfen mit Kurzarbeit und Entlassungen. Lieferketten brechen weg, Absatzzahlen gehen in den Keller und der Export erlebt eine Vollbremsung. Und alle Craftbier-Events wurden abgesagt. Besonders schlimm: die komplette Stornierung von Aufträgen bei Fass-Ware. Zahlreiche Braustätten müssen deshalb ihre Produktion herunterfahren oder zumindest vorübergehend stilllegen.

Das teuflische Corona-Virus trifft alle Player in der noch jungen Craftbier-Branche gleichermaßen hart und unvorbereitet: Brauer, Händler, Gastronomen, Biersommeliers und viele andere. Am härtesten hat es aber Craft-Produzenten erwischt, die über finanzielle Verpflichtungen erst jüngst ihre eigene Braustätte errichteten. Allein Gypsy-Brauer mit schlanken Kostenstrukturen und wenig Personalaufwand dürften die derzeitige Absatzflaute deutlich besser überstehen.

Jede Krise kennt Sieger und Verlierer. Kreative Brauer nutzen die erzwungene Corona-Pause aktiv und tüfteln an neuen Vertriebsideen. So finden im Internet derzeit die ersten Bierfestivals statt, hauseigene Online-Shops oder neue Internet-Pubs entstehen und über Videoportale werden virtuelle Brauereiführungen und Verkostungen mit Live-Musik sowie Food-Pairings angeboten. Inmitten des Taifuns spüren viele Brauer – insbesondere auf allen Social-Media-Kanälen – derzeit eine große Welle der Solidarität.

Das stimmt zuversichtlich: Wenn der ganze Covid-19 -Wahnsinn vorbei ist, dürfte die Craft-Community im Idealfall von den jetzt erprobten Konzepten nachhaltig profitieren. Nach dem Lockdown wird ein neues Lebensgefühl entstehen und die Menschen werden wieder rausgehen, feiern und ihr Bier unter Freunden trinken. Im Übrigen gilt: Bier hat in seiner Geschichte schon so einige Pandemien überstanden – sogar Pest und Cholera.

Erschienen im Meininger’s CRAFT Magazin für Bierkultur.

Kommentar: Craft-Freude ohne Dröhnung

Ein paar Beispiele für alkoholfreie Kreativsude

Wer früher ein alkoholfreies Bier an der Theke bestellte, konnte sich vor boshaften Diskriminierungen seiner Kumpels kaum retten: Warmduscher, Muschelschieber oder Schattenparker gehörten da noch zu den harmloseren Bemerkungen. Solche Attacken zeugten meist von peinlicher Unkenntnis, begleitet von Vorurteilen aus der Bierwelt von gestern.

Tatsächlich ist es noch gar nicht so lange her, dass alkoholfreie Sude als charakterlos und weitgehend genussfrei galten. Doch seit Craft-Brauer solche umdrehungsarmen Biere in ihr Portfolio aufgenommen haben, gibt es spannende Alternativen. Was einst als lahme Malzbrühe galt, ist dank intelligenter Rohstoffkombinationen zum hocharomatischen Trunk geworden. Vor allem Varianten mit speziellen Hefekulturen, die einen geringen Vergärungsgrad aufweisen, machen moderne Alkoholfreie zu wahren Geschmacksturbos, die nicht selten mit Aromen von Ananas, Kaffee oder Maracuja spielen. Ein Unterschied zu den stärkeren Verwandten ist da kaum noch festzustellen.

Kein Wunder also, dass selbst bei sinkenden Bierkonsum die „bleifreien“ Sude hierzulande immer beliebter werden. Immerhin tranken die Deutschen 2018 schon mehr als sechs Millionen Hektoliter. Aber immerhin soll es inzwischen rund 500 verschiedene alkoholfreie Sorten geben – darunter nicht nur Pils, Helles und Weißbier, sondern auch IPA, Porter oder Stout. Fest steht: Alkoholfreie Sude mit Kreativ-Touch sind mittlerweile fester Bestandteil der Getränkekarten in Bars, Kneipen und Restaurants.

Das ist keineswegs eine Frage von Fitnesstrend und Gesundheitsboom. Vielmehr werden die Alkoholfreien auch für Genusstrinker immer interessanter. Davon partizipieren vor allem Craft-Brauer, die mit hopfen- und malzstarken Alternativen punkten sowie sicherlich noch einige spannende Vertreter produzieren. Auch wenn eingefleischte Hop-Guys alkoholfreie Biere noch immer als „No-Go“-Drink bezeichnen, so ist ein wesentlicher Vorteil doch unbestrittenen: Selbst nach dem zehnten Glas in der Stammkneipe kann man noch im eigenen PKW nach Hause fahren.

Erschienen im Meininger’s CRAFT Magazin für Bierkultur.

Schräge Biere: Geschmackserlebnis aus dem Erdreich

Credit: Klosterbrauerei Neuzelle

Kartoffeln – in all ihren Erscheinungsformen – entwickeln sich immer mehr zu einer beliebten Zutat von Craft-Suden – vor allem in den USA. Obwohl nicht jedermanns Geschmack, überraschen manche Potato-Biere jedoch mit echten Aroma-Highlights.

Erdäpfel zählen zu den wichtigsten Grundnahrungsmitteln der Welt. Sie wachsen fast überall und gelten in verschiedenen Zubereitungsformen als nahrhafte Sattmacher schlechthin. Immerhin besitzen Kartoffeln viele Vitamine, Mineralstoffe, Eiweiß und Ballaststoffe sowie Stärke und Proteine. Rund 4000 Sorten soll es rund um den Globus geben. Die Erdfrüchte haben jetzt auch das Interesse von Craft-Brauern geweckt. Schließlich gelten Kartoffelchips und Bier seit jeher als Traumpaar auf Partys oder vor dem Fernseher.

Doch viel spannender scheint es für Brauer zu sein, die Erdäpfel mit in den Sudkessel zu packen. So wagen sich inzwischen immer mehr Craft-Avantgardisten an wilde Experimente, zumal sich die Feldfrüchte durch ihre natürlichen Inhaltsstoffe ideal für den Brauprozess eignen und den Eigenschaften von Getreide sehr nahekommen. Für ihre ungewöhnlichen Biere verwenden Crafter die Kartoffeln in jeder erdenklichen Form: geschält, ungeschält, gerieben, geröstet, gebraten, als Flocken oder Brei. Auch bei der Sortenauswahl schränken sich kreative Biermacher nicht ein. Am häufigsten kommt allerdings die Süßkartoffel zum Einsatz, die für süßlich-würzige Aromaspiele sorgt.

So nutzt auch die Fullsteam Brauerei aus Durham in North Carolina regionale Süßkartoffeln in Form von Püree für ihr 5,3-prozentiges Sweet Potato Lager namens „Carver“. Das bernsteinfarbene Bier mit süßlich-würzigem Aroma zählt zu den Klassikern der Brauerei und fließt dort rund ums Jahr frisch vom Hahn. Die Macher der Piney River Brewing Company aus Missouri dagegen sehen ihr sechsprozentiges „Sweet Potato Ale” eher als rein saisonale Spezialität. Für das Bier ließen sie sich von ihrer Lieblingsspeise inspirieren: dem Süßkartoffelkuchen, ein traditionelles Dessert im Süden der USA. Bevor die Erdäpfel aber in den Sud kommen, werden sie vorher sorgfältig angebraten. So bringt das Ale ein Aroma von gerösteten Süßpotaten, Gewürzen und Vanille auf die Zunge.

Ganz anders präsentiert sich das Bier von der Lazy Magnolia Brewing Company. Bei der Version der Mississippi-Brauer handelt es sich um ein nachtschwarzes, 4,5-prozentiges „Sweet Potato Stout“. Hierfür landen frischgeröstete Knollen sowie Laktose mit im Kessel. So erhält der Sud eine süßliche Cremigkeit bei röstartigen Schokoladengeschmack, gepaart mit Noten von Kaffee, Karamell und Milch. Überhaupt scheinen sich Süßkartoffeln gut mit anderen Zutaten zu vertragen. So schwören auch die Kreativbrauer von Vault Brewing aus Yardley, bei Philadelphia auf die pikanten Feldfrüchte, allerdings in einer Kombination mit mexikanischer Vanille, Muskatnuss und Zimt.

Neben den Potato-Pionieren sind noch zahlreiche weitere US-Brauereien wie etwa Funky Buddha Brewery, Salty Nut Brewery, Epic Brewing Company, aber auch die Brouwerij Troost aus den Niederlanden und die Klosterbrauerei Neuzelle mit Erdäpfelsuden am Start. Die Brandenburger führen ihr „Kartoffel Bier“ mit 4,5 Prozent Alkohol sogar ganzjährig im Portfolio. Es präsentiert sich in goldener Farbe, mit einem milden Kartoffelgeschmack und würzigen Akzenten. Während die Potato-Biere auf Bewertungsplattformen bisher nicht unbedingt immer höchste Punktzahlen erzielen, lohnt es sich aber allemal, einen solchen Trunk zu probieren.

Erschienen im Meininger’s CRAFT Magazin für Bierkultur.

Rauchiger Biergenuss

Ein jahrhundertealter Bierstil erfreut sich auch in der Craft-Szene zunehmender Beliebtheit. Während zwei Bamberger Braustätten noch immer die Tradition der letzten echten Traditionsrauchbiere pflegen, überraschen deutsche Jungbrauer mit vielen neuen Interpretationen.

Ofen in der Brauerei Spezial in Bamberg

Kaum ein Bierstil polarisiert so stark wie das Rauchbier. Dabei hatten wohl bis ins späte 18. Jahrhundert fast alle Sude ein markantes Raucharoma. Grund: Gerste konnte damals meist nur über offenem Feuer gedarrt werden. Erst viel später gelang eine effiziente Trocknung mit Kohle-, Gas- oder Ölheizungen. Mit der Brauerei Schlenkerla und der Brauerei Spezial gibt es allein in Bamberg zwei Braustätten, die sich dem klassischen Rauchbier verschworen haben und noch immer ihr Malz auf altehrwürdige Art selbst herstellen. „Es ist auch heute noch eine hohe Kunst, das Malz über offenem Feuer zu darren“, betont Sebastian Merz, Juniorchef von der Familienbrauerei Spezial, „denn es erfordert Können, Gefühl und Zeit, um die richtigen Bedingungen für ein gutes Ergebnis zu schaffen.“

Einen Schluck echter Tradition können Bierliebhaber deshalb am besten in Bamberg genießen. Mit den Brauereien Spezial und Schlenkerla, die beide von SlowFood Deutschland in die „Arche des Geschmackes“ aufgenommen und für ihre traditionelle Herstellung ausgezeichnet sind, gilt die Domstadt als das Rauchbier-Mekka schlechthin. Die Bamberger Spezialitäten, die von klassischem Rauchmärzen über Rauchlager, Rauchweizen oder Rauchbock reichen, sind mit mindestens 50 Prozent Rauchmalz gebraut und erinnern aromatisch an geräucherten Schinken. Das schmeckt allerdings nicht jedermann. Dennoch erfreut sich der rauchige Stoff steigender Beliebtheit, so dass sich auch immer mehr Craft-Brauer – allerdings in gemäßigten Schritten – an diese Typologie heranwagen. „Wir beobachten seit geraumer Zeit, dass Kunden aus dem Craft-Bierbereich verstärkt Rauchmalz ordern“, bestätigt Joachim Sandel vom Malzproduzenten Bestmalz in Heidelberg den Trend.

Auch wenn sich immer mehr internationale Braustätten an modernen Rauchbieren versuchen, so gilt Deutschland noch immer als der Hotspot für Sude dieser Art. Zu den Vorreitern bei neuen rauchigen Suden gehören hierzulande die Macher der Wacken Brauerei aus der gleichnamigen Hardrock-Gemeinde in Schleswig-Holstein. Das Team um Helge Pahl führt neben einem 6,2-prozentigen Smoked Porter mit feinem Rauchduft auch einen Weizendoppelbock mit den Namen der beiden Ziegenböcke des Germanengottes Thor „Tanngnjostir und Tanngrisnir“ im Portfolio, den die Wackener mit rund zehn Prozent Rauchmalz brauen. Das Raucharoma in diesen Suden ist zwar präsent, aber am Gaumen nicht allzu aufdringlich. Brauereichef Pahl ist bewusst: „Wir müssen unsere Kunden vor allem hier im Norden erst langsam an einen solchen Rauchgeschmack heranführen.“

Auch die Spezialitäten von Dirk Lamprecht sind in der Craft-Gemeinde immer mehr gefragt. Das neueste Werk des Münchner Trios von Testbräu ist ein dunkler Rauchweizenbock mit dem schaurigen Namen „Kremator“. Für das 7,2-prozentige Bier verwendeten die Bayern 18 Prozent Buchenrauchmalz von der Mälzerei Steinbach aus dem fränkischen Zirndorf und erzielen damit – wie Lamprecht selbst sagt – ein eher angenehm mildes Raucharoma, das sich auch für Einsteiger in die Welt der rauchigen Biere eignet. Der Münchner plant noch viel mehr mit dem polarisierenden Aroma zu experimentieren: „Es ist echt spannend, wie sich der Rauchgeschmack mit verschiedenen Hefen, Hopfen oder Früchten ergänzt – oder manchmal auch das genaue Gegenteil bewirkt.“

Experimentierfreudig in Sachen Rauchbier erweist sich auch die Ratsherrn Brauerei in Hamburg. Als wahre Besonderheit legt das Brauer-Team innerhalb der Serie „New Pilsner Era“ ein „Smoked Pilsner“ auf. Der Einsatz von 20 Prozent Rauchmalz soll den Genießer an ein Lagerfeuer am Elbstrand erinnern, versprechen die Hanseaten. Hopfensorten wie Herkules, Tradition, Select und Saphir komplementieren das Aromaspiel, mit dem Ergebnis, dass das Pils nach Leder und Schinkenspeck duftet und schmeckt, aber sich im Finish klassisch herb und mit hoher Drinkability präsentiert.

Auf einen sanften Rauch-Touch schwört die Mannschaft von Braufactum aus Frankfurt. Bei ihrem „Roog“ handelt es sich um ein 6,6-prozentiges Rauchweizen, dessen Aroma sich sehr vielfältig präsentiert. Neben Noten von Banane und Orangenzesten dringt ein Rauchton durch, der an Wacholderschinken und gebrannte Mandeln erinnert. Während Braufactum auf einen eher dezenten Rauchcharakter setzt, versucht es das Brauhaus Klüvers im holsteinischen Neustadt dagegen mit markanterem Aroma. Für ihr „Röker“ setzen die Neustädter ganze 40 Prozent Buchenrauchmalz ein, um somit ein angenehm malziges Gesamtbild mit schmeichelndem Schinkenanklang zu erzielen.

Manche Brauer wollen bewusst die klassische Schinkennote forcieren, andere laborieren für den gewissen Rauchkick im Bier mit speziellem Torfmalz. So auch Friedrich Matthies von Wildwuchs aus Hamburg. Sein „Alt Kanzler“ ist ein Altbier, das durch den Einsatz von Torfmalz ein Aroma vorlegt, das an Whisky von der schottischen Insel Islay erinnert. Ein echter Klassiker unter den torfigen Bieren ist der „Smokey George“ von der Brauerei Rittmayer aus dem fränkischen Hallerndorf. Ein siebenprozentiger dunkler Bock, gebraut mit „heftig getorftem schottischen Malz“ – wie es die Brauerei werbewirksam beschreibt. Der Geschmack ist wahrlich originell: Wer dieses Bier einmal probiert hat, wird es in jeder Blindverkostung wiedererkennen. Nicht umsonst wurde das rauchig-torfige Bier bereits mehrfach prämiert, ist aber durch seine Intensität auch nichts für zarte Gaumen.

Für Sebastian Merz von der Brauerei Spezial in Bamberg ist die Ablehnung so mancher Genießer vor allem gegen traditionelle Rauchbiere gänzlich unverständlich. Er produziert mit seinem Team rund 6000 Hektoliter feinster rauchiger Gerstensäfte pro Jahr – darunter ein bernsteinfarbenes Lager mit mildem Rauchgeschmack, ein etwas intensiveres, dunkles Märzen, sowie ein spritziges Weißbier. Aktuell liegt gerade wieder der siebenprozentige dunkle Bock vor. Der 32-jährige Franke ist stolz darauf, dass sich die fast 500 Jahre alte Brauerei, durch ihre traditionelle Herstellungsweise des Malzes von anderen Produzenten maßgeblich unterscheidet. Die Gerste kommt von nahgelegenen Feldern, die Darre wird noch per Hand beladen und ausgeräumt und die Buchenholzscheite im Ofen selbst nachgelegt. „Das ist manchmal ganz schön anstrengend“, sagt Braumeister Merz, „aber es zahlt sich im Geschmack unserer Biere aus.“

Frisch gezwickelt

Auch wenn die meisten der modernen rauchigen Biere mit industriell produzierten, raucharomatisierten Malzen hergestellt werden, befördern sie derzeit maßgeblich den wachsenden Markterfolg. „Wir profitieren vom Trend hin zu rauchigen Spezialitätenbieren“, bekräftigt Michael Hanreich, Braumeister beim Schlenkerla, der allein mit seinem Hellen den Ausstoß verdoppelt hat. Und wer sich dann immer noch nicht sicher ist, ob Rauchbier wirklich schmeckt, der sollte einer alten Bamberger Weisheit vertrauen: „Das zweite Seidla schmeckt besser als das erste, und das dritte schon besser als das zweite.“

Die wahrscheinlich beste Kombination: Schäuferle und Rauchbier

Erschienen im Meininger’s CRAFT Magazin für Bierkultur.

Kurztrip durch den IPA-Dschungel

India Pale Ales zählen zu den renommiertesten und beliebtesten Bierstilen der Welt. Aber erst mit Beginn der Craft-Bierbewegung entwickelten sich neue Spielarten der hopfigen Typologie. Inzwischen scheinen der Experimentierfreude keine Grenzen gesetzt.

Kaum ein anderer Bierstil performt derzeit so vielfältig wie India Pale Ale (IPA). Vor rund 30 Jahren war es der amerikanische Zündfunke, der auch die letzten Bierländer zum Brennen brachte. Nicht umsonst gilt das IPA als Mutter-Typologie der internationalen Craft-Bewegung. Obwohl häufig der Glaube vorherrscht, dass dieser Bierstil eine Neuerfindung der Kreativbrauer sei, pflegt der obergärige Hopfentrunk eine lange Tradition. So ranken sich um die Entstehung dieses Bieres etliche Mythen. Tatsache ist, dass IPA um das 18. Jahrhundert in England aus der Taufe gehoben und einst angeblich als „October beer“ gehandelt wurde. Brauer verwendeten erntefrische Rohstoffe und legten das Ale zur Abrundung für mehrere Monate in Holzfässer. Beschrieben hat man den Trunk aber schon damals als helles, starkgehopftes besonders bitteres Bier.

Die IPA-Legende besagt indes, dass die Briten während ihrer Kolonialzeit ein Bier entwickelten, dass für den langen Transport für ihre in Indien stationierten Soldaten mit größerem Hopfeneinsatz haltbarer gemacht wurde. Bis heute haben IPAs ihre typische Hopfigkeit nicht verloren – egal in welchem Land sie produziert werden. Doch inzwischen existieren zahlreiche Varianten, die teilweise sehr stark in Optik, Duft, Geschmack und Mundgefühl sowie Bitterkeit variieren. Verantwortlich dafür ist die internationale Craft-Bierbewegung, die vor keiner Mixtur zurückschreckt. Nachwuchsbrauer lassen ihrer Experimentierfreudigkeit freien Lauf und zaubern verschiedenste Unterkategorien wie etwa Westcoast-, Eastcoast-, New England-, Belgian-, Brut-, Milkshake-, White-, Black-, Rye- oder Session-IPA. Bei dieser nahezu unüberschaubaren Bandbreite verlieren nicht nur Konsumenten, sondern selbst Biersommeliers manchmal den Überblick.

Aber wie begann eigentlich der weltweite IPA-Trend? Die Erfolgsstory des modernen India Pale Ales startete vermutlich um 1975, als Anchor Brewing in San Francisco ein Christmas Ale auflegte, das mit dem damals noch sehr jungen Cascade-Hopfen gebraut wurde und etwa 40 Bittereinheiten besaß. Dieses Ale gilt als Senkrechtstarter der sogenannten Westcoast IPAs, die sich durch deutliche Fruchtnoten, eine ordentliche Herbe und eine gewisse Harzigkeit charakterisieren. Zu einem der besten Biere dieser Art gehört das achtprozentige „Pliny the Elder“ der kalifornischen Russian River Brewing aus Santa Rosa, nördlich von San Francisco.

Brauer der US-Ostküste wussten lange nicht, was sie dem Erfolg der Crafties aus Kalifornien entgegensetzen konnten. So entwickelten sie schließlich ihre eigene IPA-Variante: New England India Pale Ales (NEIPA), die gerade den wohl heißesten Trend der Craft-Bierszene darstellen, grenzen sich eindeutig von klassischen IPA-Vertretern ab. Dafür streben die Macher durch intensives, meist mehrfaches Hopfenstopfen und den Einsatz bestimmter Hefestämme, wie etwa der norwegischen Sorte Kveik, eine stabile sowie deutliche Trübung an. So wirken NEIPAS optisch häufig wie Fruchtsäfte. Aber auch in Duft und Geschmack präsentiert sich diese Ale-Art wie ein saftiger Tropenfrucht-Cocktail mit sanfter Bittere. Dieser Stil wird inzwischen auch lebhaft von deutschen Brauern interpretiert. Musterbeispiele typischer NEIPAs finden Aficionados beispielsweise im Portfolio der Macher von Frau Gruber, Brewheart oder Blech Brut. Häufig werden NEIPAs inzwischen auch als sogenannte Hazy IPAs vermarktet.

Milkshake IPA von Omnipollo

Ein vergleichbarer Vertreter der Ostküsten-Ales ist das Milkshake IPA – auch als Smoothie oder Slushie IPA bekannt. Craft-Brauer experimentieren dabei mit frischen Früchten, Gewürzen oder Laktose. Die Verwendung von Milchzucker erzielt dabei eine cremige Textur. Für den besonderen Kick wird häufig auch Vanille eingesetzt. Als einer der Topseller dieser IPA-Kategorie gilt das „Mexican Vanilla Piña Colada Milkshake IPA“, das aus einer Kollaboration der schwedischen Manufaktur Omnipollo und der US-Brauerei Tired Hands Brewing Co. entstammt. Das trübe Ale mit Zugaben von Laktose und Vanille erinnert geschmacklich an eine exotische Piña Colada, während der Geschmack des „Orange Vanilla IPA“ von Belching Beaver aus San Diego eher einem Orangen-Milcheis ähnelt.

Eine weitere In-Version ist knochentrockenes Brut IPA. Erfunden hat diese Spielart angeblich der Braumeister von Social Brewing in San Francisco. In den Sud kommt ein ganz spezielles Enzym (Amylase), das normalerweise bei Porter oder Stout eingesetzt wird. Dies macht das Bier vom Körper her schlanker, ohne jedoch den Alkoholgehalt zu minimieren. Der Begriff „brut“ wurde aus der Champagner-Welt adaptiert und steht ursprünglich für einen sehr trockenen Schaumwein. Auch bei diesem Bierstil geht es um einen staubtrockenen, prickelnden Sud, mit geringem Malzcharakter und minimaler Restsüße. Dabei sollen die Fruchtnoten des Hopfens das Aroma zwar dominieren, aber kaum Bittereinheiten aufweisen. Einige Brauer setzen dabei nicht auf Enzyme, sondern setzen auf besondere Mikroorganismen wie etwa Champagner-Hefe, die ebenfalls einen trockenen Charakter erzielt.

Auch bei deutschen Brauern ist der Brut-Trend angekommen. Zu den Vorreitern zählt das Kreativteam von Yankee & Kraut aus Ingolstadt. Für die Aromatik des schlanken und sehr fruchtigen Brut IPA namens „Dry Humor“ verwendet Braumeister Bryan France die Hopfensorten Topaz, Ariana, Callista und Hüll Melon. Zeitgleich legte auch Oliver Wesseloh von der Hamburger Kreativbrauerei Kehrwieder eine knochentrockene IPA-Version vor, die nur 0,05 Prozent Restsüße aufweist. Für die Fruchtigkeit sorgen insgesamt sieben Hopfensorten. Craft-Pionier Wesseloh sieht Brut-IPAs als nachhaltigsten Trend bei den vielen IPA-Ablegern und als erfrischenden Kontrast zu NEIPAs. Inzwischen führt der Hamburger gleich mehrere Sorten im Portfolio.

Neben Brut, Milkshake und Westcoast IPAs gibt es noch zahlreiche weitere Kategorien. So etwa eine interessante Version, die mit belgischer Hefe vergoren wurde. Craft-Fans stehen aber auch auf Black IPAs, die durch ihre schwarze Farbe bestechen und neben fruchtigen Hopfenanklängen auch angenehme Röstnoten vorlegen. White IPAs indes sind eine Kreuzung aus belgischem Witbier und amerikanischem IPA, während sogenannte Fruit IPAs meist mit Früchten wie Grapefruit, Mandarine oder Wassermelone gebraut werden. Rye IPAs sind mit Roggen gemaischt und Sour IPAs meist mit Milchsäurebakterien oder wilde Hefen angesetzt.

Alkoholfreies IPA von Riegele

Was die weltweite IPA-Szene vor allem auszeichnet, ist ein ständiger Run auf neue Geschmacksabenteuer. Als aktuelle Bereicherung der Craft-Bierbewegung gelten Session IPAs mit moderatem Alkoholgehalt oder sogar alkoholfreie Varianten. Selbst die Non-Alcoholic-Varianten erzielen durch viel Hopfeneinsatz oder Dry Hopping einschmeichelnde und fruchtige Aromen, die den typisch alkoholfreien Charakter überdecken und somit für Überraschungsmomente bei Verkostungen sorgen. Die Experimentierfreude bei India Pale Ale scheint unbegrenzt und bleibt wohl noch lange eine spannende Spielwiese für Kreativbrauer, Connaisseurs und Sommeliers.

Erschienen im Verbandsmagazin der Diplom Biersommeliers.

Kommentar: Stunde der Propheten

So mancher Craft-Fan dürfte erstaunt darüber sein, was selbsternannte Marktpropheten in letzter Zeit an Hiobsbotschaften über die Craft-Szene so rausposaunen: Demnach schwächelt der Absatz im Handel, die Branche habe ihren Zenit erreicht und alles in allem sei der Hype bei Kreativbieren inzwischen vorbei. Nach neusten Erhebungen des Marktforschungsinstituts Nielsen wurde 2018 im deutschen Einzelhandel angeblich erstmals weniger Craft-Bier verkauft als noch im Jahr zuvor. Der Markt für Craft-Biere – so das Urteil – befinde sich im Stadium der Konsolidierung.

Wir sollten uns grundsätzlich von solchen Umfragen nicht verunsichern lassen. Selbst wenn der Handel über sinkende Umsätze klagt, so darf man die vielen Craft-Events nicht vergessen, bei denen an einem Tag manchmal mehr ausgeschenkt wird als so mancher Supermarkt im ganzen Jahr verkauft. Vielmehr sollte der Einzelhandel auch mal über eine bessere Beratung zum Thema Kreativbiere nachdenken. Nur mal eben ein Regal mit alternativen Suden aufzustellen, reicht eben nicht aus.

Wenn sich der weltweit größte Braukonzern AB InBev an einem deutschen Craft-Pionier wie der Münchner Crew Republic beteiligt, mit Brewdog die wohl größte europäische Craft-Brauerei massiv in Berlin investiert, immer mehr Traditionsbrauereien sich an neue Hopfenbomben heranwagen und selbst einschlägige Braugiganten mit neuen Suden werben, kann das nicht bedeuten, dass ein Markt rückläufig ist. Ganz im Gegenteil. Forschungsergebnisse des renommierten Marktforschungsinstituts Mintel besagen vielmehr, dass Europa – und hier insbesondere Deutschland – inzwischen bei Produkteinführungen von Craft-Bieren sogar weitaus innovativer ist als Nordamerika.

Klar ist, der noch junge Craft-Markt durchlebt – wie auch jede andere Branche in ihren Anfangsjahren – gewisse Veränderungsprozesse. Konsolidierung ist dabei ein ganz normaler Prozess. Kreativbiere, so das Urteil wahrer Marktkenner, sind in der Gesellschaft angekommen. Definitiv! Auch wenn der Einzelhandel noch hinterherhinkt, steht fest: Der deutsche Craft-Biermarkt wird weiterwachsen und sich innerhalb einer Genussbranche weiter als feste Größe etablieren.

Erschienen in Meininger’s CRAFT Magazin für Bierkultur.