Salzburg-Special: Österreichs geheime Bierhauptstadt

Salzburg ist bekannt für eine hohe Brauereidichte, eigenständige Sude und gemütliche Bierlokale. Ein Trip durch die Hopfen- und Malzszene der Mozartstadt und seiner Region zeigt, dass in kaum einem anderen Landesteil von Österreich die Bierkultur so lebendig ist wie hier

Salzburg zählt zu den touristischen Hotspots in der Alpenrepublik. Zu den Highlights für mehr als 5,5 Millionen Besucher pro Jahr gelten aber nicht nur die weltweit bekannten Festspiele, das Geburtshaus von Wolfgang Amadeus Mozart oder die fast 1000 Jahre alte Festung Hohensalzburg, die über der barocken Altstadt thront und als Wahrzeichen der Metropole gilt. Die Stadt, durch dessen Mitte sich idyllisch die Salzach schlängelt, pflegt eine uralte Brauhistorie mit jahrhundertealten Brauereien, aber inzwischen auch eine neue quirlige Bierszene mit jungen Craft-Machern, Bierbars und traditionellen Wirtshäusern.

Während die Landeshauptstadt Wien mit seinen Heurigen Lokalen punktet, in denen der rund um die Stadt wachsende Wein die Hauptrolle spielt, gilt Salzburg inzwischen als geheime Bierhauptstadt des Landes. In der Barockstadt finden Freunde des Hopfen- und Gerstensaftes neben historischen Brauhäusern, die ihr Portfolio inzwischen durch kreative Sude ergänzen, auch an fast jeder Straßenecke spannende Bierlokale, urige Bräustüberl, gemütliche Biergärten, eine zentrale Ausbildungsstätte für Diplom-Biersommeliers und eine hochaktive Craft-Bierszene. Laut aktuellen Zahlen des österreichischen Brauereiverbands produzieren in Salzburg und der Region derzeit 13 Brauereien und 14 Hausbrauereien besondere Sude – für Österreich ein rekordverdächtiges Kontingent.

Damit trägt die Mozartstadt wohl auch zu einem erheblichen Anteil am österreichischen Pro-Kopf-Verbrauch bei Bier bei, der im internationalen Vergleich weltweit immerhin den zweiten Platz belegt. Insgesamt zählt der Branchenverband in Österreich bei landesweit nur knapp 9 Millionen Einwohnern mehr als 300 Braustätten mit rund 1000 verschiedenen Bieren und einem Gesamtausstoß von immerhin rund zehn Millionen Hektoliter – inklusive alkoholfreien Sorten. „Der Wirtschaftsmotor Braubranche läuft in Österreich sehr stabil und unabhängig von konjunkturellen Schwankungen“, sagt Verbandschef Siegfried Menz. Das sei vor allem der ausgeprägten Regionalität mit großer Biervielfalt, dem damit verbundenen Qualitätsanspruch zu verdanken.

Dass die Bierkultur insbesondere in Salzburg sehr lebendig ist, kann der Branchenprimus indes nur bestätigen. Als älteste Braustätte der Mozartstadt gilt das Hofbräuhaus Kaltenhausen, das der einstige Bürgermeister Johann Elsenheimer 1475 unter dem Namen „Kaltes Bräuhaus“ errichtete. Nach etlichen Besitzern, wie etwa der fürsterzbischöflichen Hofkammer, diversen Herzögen und dem geschichtsträchtigen Kaiser Franz I., zog einst eine Kurfürstin die Braustätte zu einem der führenden regionalen Industriebetriebe des 19. Jahrhunderts hoch.

Aber nach zwei Weltkriegen und zahlreichen Besitzerwechseln ebbte der Erfolg allmählich ab, bis der Betrieb 2011 eingestellt und das alte Sudhaus abgerissen wurde. Aber Kaltenhausen lebt weiter, wenn auch in anderer Form: Eine neue, vollautomatisierte Kleinanlage wurde installiert, auf der heute Braumeister Martin Simion mit seinem Team süffiges Kellerbier, bernsteinfarbenes Pale Ale oder ein kräftig gehopftes India Pale Ale mit der Hopfensorte Citra braut. Im Sortiment finden Bierliebhaber immer wieder auch saisonale und limitierte Spezialitäten. Darunter ein Bier, vergoren mit dem Saft reifer Veltliner-Weintrauben, eine weitere Sorte, die auf frischgehobeltem Zirbelholz reift oder einen etwa einen 9,5-prozentigen Barley Wine.

Reinhold Barta, GF, Braumeister, Biersommelier, Brauhaus Gusswerk, Hof, Salzburg, 20130923, (c) wildbild

Auch wenn im Salzburger Land uralte Biertraditionen weiter erfolgreich gepflegt werden, so setzen heute immer mehr Jungbrauer auf kreative Sude. Neben dem Team von Kaltenhausen gehört auch Reinhold Barta mit seinem 2007 gegründeten Brauhaus Gusswerk im nur wenige Kilometer von Salzburg entfernten Hof zu den neuen Sudzauberern der Region. Vor den Toren der Stadt produziert der umtriebige Chef der aufstrebenden Bio-Manufaktur neben klassischen Bierstilen wie Weizen, Wiener Lager und hellem Vollbier auch ganz besondere Spezialitäten. So führt Barta in seinem Segment ein Dry Stout namens „Das schwarze Schaf“, ein dunkles Starkbier mit neun Umdrehungen und dem ungewöhnlichen Titel „Horny Betty“ sowie fassgereifte Aromabomben aus Ex-Bourbon oder Ex-Sherry-Fässern. Bei seinen biologisch-dynamischen Bieren setzt der Gusswerk-Chef auf Natürlichkeit und Regionalität. „Nachhaltigkeit und schonender Umgang mit Ressourcen,“ so Barta, „war für mich schon immer immens wichtig und integrativer Bestandteil unserer Philosophie.“

Besonderen Wert auf die Auswahl der Rohstoffe legt auch die fast 530-jährige Stiegl Brauerei mit ihrem „Gut Wildshut“, rund 30 Kilometer vom Haupthaus des Traditionsbetriebes entfernt. Dort betreibt ein Team eine eigene Bio-Landwirtschaft und kultiviert Urgetreidesorten wie die Alpine Pfauengerste oder den Laufener Landweizen. Diese Sorten werden vermälzt und in den „Wildshuter Bierspezialitäten“ umgesetzt. Zwar zählen zu den Stiegl-Flaggschiffen eher die Lager- und Märzenbiere. Aber die größte Privatbrauerei des Landes, in dessen Brauwelt sich auf 35.000 Quadratmetern das größte Biermuseum Österreichs befindet, ist auch bekannt für hohe Experimentierfreude.

Foto: Wildbild/Sandra Hallinger

Neben Märzen, Hellem, Pils und Weizen setzt das Stiegl-Kollektiv auch auf Pale Ale und innovative Biere wie etwa ein nachtschwarzes „Baltic Chili Porter“ mit Charapita-Chili, ein „Gin Style IPA“ mit Wacholder oder eine erfrischende Berliner Style Weiße mit Himbeeren sowie Jahrgangsbiere wie beispielsweise das beliebte „Faux Pas Apricot“, ein fassgereiftes Marillen-Starkbier. Alle Stiegl-Biere tragen als Garantie für Qualität und lange Reifung das Gütesiegel „Slow Brewing“. Für Brauereiinhaber Heinrich Dieter Kiener ist die Mitgliedschaft in dieser Qualitätsvereinigung selbstverständlich: „Der Hektik unserer Zeit erteilen wir mit unserer Art zu brauen eine klare Absage.“

Dieselbe Philosophie pflegt auch Seppi Sigl von der 1601 gegründeten Trumer Privatbrauerei im rund 15 Kilometer entfernten Obertrum, die er in achter Generation führt. Trumer ist seit nunmehr acht Jahren Mitglied bei „Slow Brewing“. Das Besondere an den Suden der Braustätte ist nicht nur die lange Reifezeit, sondern auch die Verwendung von Naturhopfen sowie ein patentiertes, offenes Gär-System, wobei Gerb- und Bitterstoffe in Handarbeit abgeschöpft werden. Durch dieses Verfahren schmecken die Trumer-Biere besonders mild. Spitzenreiter von Seppi Sigl sind das international ausgezeichnete, 4,9-prozentiges „Trumer Pils“ sowie das Session Pils „Hopfenspiel“ mit schlanken 2,9 Prozent. Kaltgehopft ist es mit dem französischen Aromahopfen Triskel und US-Cascade. Einmal im Jahr kommt auch die „Hopfenernte“ auf den Markt. Ein Bier, das meist etwas kräftiger und mit Hopfen eingebraut ist, der direkt vor der Trumer Haustür wächst. Seppi Sigl plant auch Neuerungen in der Brauerei: „Künftig werden wir definitiv in Nachhaltigkeit investieren und denken gerade auch über eine neue leichte Pilsspezialität nach.“

Sepp Sigl
Credit: Michael Königshofer moodley brand identity

Nur einen Steinwurf von der Trumer Privatbrauerei entfernt, befindet sich das österreichische Mekka für angehende Biersommeliers. Im Bierkulturhaus von Axel Kiesbye dreht sich alles um Hopfen- und Malzsäfte, aber auch um Technologie und Sensorik. Brauingenieur Kiesbye und sein Team haben sich in der Akademie auf das Biersommelierwesen spezialisiert. Neben der Ausbildung bieten die Obertrumer aber auch Braukurse sowie sogenannte Grand Cru-Seminare an, in denen es um spezielle Foodpairings und neue Technologien des Craft-Bierbrauens geht. In diesem Jahr startet auch das „Braumeister Camp“ die nächste Runde, bei dem Teilnehmer gemeinsam mit renommierten Brauern aus aller Welt ihr eigenes Bier produzieren und sich fachlich austauschen können.

Axel Kiesbye in Action
Credit: Bierkulturhaus

Zu den diesjährigen Stars gehören etwa Scott Jennings von Sierra Nevada Brewing aus den USA, Nikolas Marjanovic von der Beavertown Brewey aus England und Oliver Wesseloh von der Kreativbrauerei Kehrwieder aus Hamburg. Axel Kiesbye legt bei seinen Angeboten viel Wert darauf, den Nerv der Zeit zu treffen. „Ich versuche die Zukunft unserer Branche zu deuten und so die Kursinhalte attraktiv weiter zu entwickeln“, sagt er. Seiner Ansicht nach werde beispielsweise die Bedeutung von klimaschonenden Brautechniken und die Bier-Auspreisung mit Bio- und anderen Gemeinwohl-Auszeichnungen auch an Bedeutung für Diplom-Biersommeliers gewinnen.

Augustiner Salzburg

Nicht alle Macher der Salzburger Bierkultur setzen auf Modernität. Als eine der wichtigsten Traditionalisten in der Stadt gilt der Augustiner Bräu. Seit 1621 wird im Stadtteil Mülln, am Fuß des Mönchsbergs, süffiges Bier gebraut und auch dort genossen. Das urige Bräustüberl gilt als Österreichs größte Biergaststätte und der angeschlossene Biergarten als größter des Landes. Um in der quirligen Atmosphäre ein Bier zu bekommen, müssen Gäste zuerst bezahlen, sich aus dem Regal einen Steinkrug nehmen um sich dann das goldfarbene Märzen von den Schankburschen ganz frisch aus Holzfässern einschenken lassen. Im „Schmankerlgang“ finden Hungrige an Verkaufsständen die passende Speise zum Trunk.

Ein weiterer historischer Hotspot ist „Die Weisse Brauerei“. Seit mehr als hundert Jahren wird im Salzburger Stadtteil Schallmoos feinstes Weißbier gebraut. Im zweiten Weltkrieg wurde die Braustätte zwar von einer Bombe getroffen, vollständig zerstört, aber einige Jahre später wiederaufgebaut. Weißbier zählte damals nicht unbedingt zu den beliebtesten Stilen der Österreicher, so dass die Weisse damals die einzige Produktion für diese obergärige Spezialität in der Region war. In den 1980ger Jahren übernahm Hans Georg Gmachl die Brauerei, die er derzeit gemeinsam mit dem Brauer Wolfgang Schweitl führt. Das inzwischen allseits beliebte Bier wird auch heute noch nach traditionellem Rezept gebraut und im eigenen Wirtshaus ausgeschenkt.

Salzburgs Erfolgsgeschichte als heimliche Bierhauptstadt der Alpenrepublik ist untrennbar mit der regionalen Gastronomie verbunden. Attraktive Bierlokale findet der Salzburg-Besucher in jedem Stadtteil. Wer die Mozartstadt bereist, sollte jedoch unbedingt auch beim Gablerbräu, beim Sternbräu oder im s’Kloane Brauhaus einkehren. Die Wirtshäuser servieren neben österreichischer Küche meist ihre eigenen naturtrüben Biersorten.

 Zu den beliebtesten Bierlokalen der Stadt zählt zudem die Trumerei, die neben ihren eigenen Suden auch eine umfangreiche Bierkarte mit internationalen Craft-Sorten anbietet. Aber auch die Salzburger Volkswirtschaft „Fuxn“ mit ausreichender Bierauswahl und modernen Speisen sowie der älteste Bierkeller Salzburgs namens „PitterKeller“ sind einen Besuch wert. Dort servieren die Kellner neben diversen Biersorten auch kreative Bier-Cocktails. Nicht zu vergessen ist der Belgier Dirk Baert mit seinen Lokalen „Alchimiste Belge“ und der „Beffa Bar“, die angeblich die größte Auswahl an belgischen Bieren in ganz Österreich aufweisen. Auch wenn sich Traditionalisten erst noch an Lambic, Witbier und Trappistensude gewöhnen müssen, so freut sich Baert inzwischen über den regen Zuspruch seines Angebots – und nicht nur bei internationalen Touristen.

Erschienen im Meininger’s CRAFT Magazin für Bierkultur.

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.