
Kaum zieht die deutsche Craft-Bier-Branche so richtig an, schon befeuern seltsame Akteure die Zeitungskioske mit fragwürdigen Publikationen zum neuen In-Thema. Als ich vergangene Woche im Auftrag von FOCUS nach Amsterdam flog, um dort den neuen Citroen Cactus zu testen, machte ich meinen obligatorischen Rundgang durch den Münchner Flughafen-Kiosk. Was mir in der Genuss-Ecke sofort ins Auge fiel, war ein 170 Seiten starkes Magazin, das dort unter dem aufwendig produzierten Titel „ Craft Beer – 100 Best Breweries in the World“ auslag. Für 22,50 Euro habe ich dieses optisch vielversprechende Magazin eines britischen Verlages schließlich gekauft.

Als ich dann im Flieger saß und das Heft durchblätterte, habe ich mich geärgert, auch nur einen Cent dafür ausgegeben zu haben. Ein wohl selbsternannter „Expert in German Craft Beer“ präsentierte da unter den weltweit 100 besten Craft-Brauereien neben Bildern von klirrenden Maßkrügen erst mal eine dünne Story vom Münchner Oktoberfest. Nichts gegen dieses Wiesn-Event, aber ich glaube, dass ich nicht allein mit meiner Meinung stehe, dass dieses Massenveranstaltung mit der Craft-Bier-Szene so viel zu tun hat, wie Lady Gaga mit dem Reinheitsgebot von 1516.
Passend dazu werden deutsche Bierstile präsentiert: Helles, Pils, Alt- und Weißbier – die Craft-Brauer lassen grüßen. Dann folgt der Höhepunkt des Magazins – die besten deutschen Craft-Brauer: Allen voran die Münchner Oktoberfest-Liga mit Paulaner, Hacker Pschorr und Augustiner neben einigen Traditionsproduzenten von Kölsch, Weiß- und Rauchbier. Diese Auswahl verwundert umso mehr, da im gleichen Magazin so namhafte Brauereien wie BrewDog, Firestone Walker, Flying Dog, Mikkeller, To Øl und Nogne Ø vertreten sind.

Immerhin brilliert der Autor noch mit seinem Wissen über typisch deutsche Biergläser, darunter: Der Maßkrug, der Bierstiefel und der mir bislang unbekannte „Willi Becher“. Bei so viel gedrucktem Unsinn ärgern mich nicht nur die dafür hingeblätterten 22,50 Euro. Auch das Image, das hier über die deutsche Craftbier-Szene ausgegossen wird, ist schädlich für die vielen jungen und ehrgeizigen Kreativ-Brauer und erweckt einen völlig falschen Eindruck von den wundervollen, neuen Bieren und ihren Machern.
Entweder war der Auftritt deutscher Brauereien nur eine primitive PR-Kampagne nach dem Motto „Nur wer für eine Anzeige löhnt, gehört mit zur weltweiten Bierelite“ oder der selbsternannte „Expert in German Craft Beer“ ist so ahnungslos, dass er sein Wissen über deutsches Bier allein aus seinen Oktoberfest-Besuchen bezieht.
danke für die warnung! wie schade, das so ein mist auf den markt kommt
Danke für die Warnung. Nur der Willy-Becher fällt nicht in die Kategorie „Unsinn“. Es ist tatsächlich ein klassisches Bierglas-Design, aus dem sich wunderbar eine klassisches Helles trinken lässt: http://de.wikipedia.org/wiki/Willibecher
Ich schließe mich Holger an. Der Willibecher ist ein klasse Behältnis zum genießen der Hellen Gerstensäfte!
Ich hatte das Heft auch letzten in der Hand. Ich könnte zum Glück ein wenig drin rumblättern und habe es daher auch liegen gelassen. Aber danke für die Warnung an alle.
Ich entschuldige mich für den Willybecher 🙂 kannte den Begriff vorher wirklich nicht.