Schönramer: Balanceakt zwischen Tradition und Moderne

Qualitätsstreben, Experimentierfreude und ein kontrolliertes Vermarktungskonzept: Mit diesen Erfolgsfaktoren verwandelte der US-Amerikaner Eric Toft die Landbrauerei Schönram zu einem Geheimtipp für Craftbier-Fans aus aller Welt.

Braumeister Eric Toft

Es ist schon ungewöhnlich, dass die Biere einer 241 Jahre alten Landbrauerei aus dem tiefsten Oberbayern, heute zu den besten der Welt gehören. Im Nirvana des Voralpenlandes, 100 Kilometer südöstlich von München, irgendwo zwischen Traunstein und Salzburg, liegt die winzige Gemeinde Schönram, die im Kern seit jeher aus Kirche, Wirtshaus und Biergarten besteht, aber dennoch zur Hochburg faszinierender Sude für Craft-Fans rund um den Globus wurde.

Dass ein solcher Außenposten des Bier-Genusses zum Herzstück neuer Bierkultur werden konnte, ist vorrangig einem Mann zu verdanken: Dem US-Amerikaner Eric Toft, den es nach einem Studium der Geophysik in Colorado nach Bayern verschlug, um in Weihenstephan Brauwesen zu studieren. Er blieb im Bajuwarenland und steht nun mittlerweile seit mehr als 20 Jahren an den Sudkesseln der Privatbrauerei Schönram. Es ist keineswegs übertrieben, den 56-jährige Bier-Enthusiasten als Pionier der deutschen Craftbier-Branche zu bezeichnen.

Eric Toft war tatsächlich einer der ersten Brauer hierzulande, der sich an hopfenbetonte Kreativsude versuchte. Insider wissen, dass er damals die Craftbier-Bewegung aus seiner Heimat mit nach Deutschland brachte und 2009 zu den ersten hiesigen Braumeistern zählte, die ein India Pale Ale (IPA) und ein Imperial Stout auflegten. Die Pionierleistung von Toft erkennt auch Schönramer-Chef Alfred Oberlindober an, der auch nach zwei Jahrzehnten noch immer von seinem Braumeister in höchsten Tönen spricht: „Was besseres als Eric Toft hätte uns nicht passieren können, sein anhaltender Qualitätsgedanke mit immer neuen Ideen zählen zum Erfolgsgarant unserer Brauerei.“

Zur Erfolgsgeschichte der Braustätte mit angeschlossenem Bräustüberl und Biergarten rechnet der Schönramer-Chef aber auch Faktoren wie modernste Technik, Tradition und Regionalität. So stammt das Malz grundsätzlich aus bayerischem Anbau, der Hopfen aus der Hallertau oder aus Tettnang am Bodensee. Die hohe Rohstoffqualität macht sich bei den Bieren bemerkbar: Um gleichbleibende Qualität zu gewährleisten verschneidet das Brau-Team je nach Erntequalität verschiedene Hopfenjahrgänge. So dürfte es wohl eine totale Ausnahme sein, dass Biere, die zu fast 90 Prozent nur im Umkreis von 30 Kilometer ihres Entstehungsortes verkauft werden, hierzulande zu den international meistausgezeichneten Suden zählen.

So ehrgeizig wie sich das Brauerei-Management in Qualitätsfragen geriert, so konventionell und zurückhaltend ist auch die Vermarktungsphilosophie ausgelegt. Der Ausstoß liegt inzwischen bei rund 110.000 Hektolitern pro Jahr. Aber nach Aussagen von Toft, könnte die Brauerei sogar die doppelte Menge an Bier verkaufen, allerdings wäre es nicht qualitätsfördernd, die Produktion bis zum Anschlag auszureizen. „Wir wachsen jedes Jahr kontrolliert um etwa drei Prozent“, verrät Eric Toft in tiefbayerischem Dialekt, „mehr lassen wir nicht zu.“

So rosige Zeiten verzeichnete die 1780 vom damaligen Landwirt Josef Köllerer gegründete Braustätte nicht immer. In der Anfangszeit war sie mit angeschlossenem Wirtshaus und Stallungen in einer damals bevölkerungsarmen Region lediglich eine beliebte Anlaufstelle für Kutscher von Posttransporten zwischen Salzburg und München. Später florierte das Biergeschäft kräftig und die spätere Familienerbin Elisabeth Köllerer entschied sich in den 1950er Jahren gemeinsam mit ihrem Ehemann Alfred Oberlindober die Brauerei zu modernisieren.

In achter Generation führen nun die Nachfolger, Helga und Alfred Oberlindober, den Schönramer Betrieb. Seit sie – mit Weitblick – vor 23 Jahren den US-Amerikaner Eric Toft als Braumeister einstellten, hat sich vieles verändert in der einst eher konservativen Landbrauerei. Im Fahrwasser neuer Ideen wurde das Sudhaus und der Gärkeller erweitert sowie Abfüllanlage und Lagerkeller vergrößert. Zuletzt wurden vier neue Lagertanks mit 13.000 Hektoliter Volumen installiert.

Eric Toft ist heute froh darüber, nach seinem Braustudium in Weihenstephan ein finanziell äußerst lukratives Stellenangebot aus Saudi-Arabien ausgeschlagen zu haben. Nach seinem Studium und einem kurzen Intermezzo in belgischen Brauereien, arbeitete der Wahlbayer, der in seiner Freizeit das Tenorhorn der örtlichen Blaskapelle bedient, kurzzeitig in einer Brauerei im Chiemgau, bis er 1998 schließlich in Schönram begann.

Seine Intention war es, das Portfolio der Landbrauerei zu erweitern und den Konsumenten zu zeigen, was mit Hopfen innerhalb des Reinheitsgebotes alles möglich ist. Sein nachtschwarzes, 9,5-prozentige Stout führt die Brauerei noch immer erfolgreich im Sortiment. Das IPA wurde zeitweilig eingestellt, da es sich in der oberbayerischen Region nicht schnell genug verkaufte und Toft der Meinung ist, solche Biere müssten immer ganz frisch getrunken werden. Craft-Fans können jedoch hoffen: „Ganz sicher kommt bald wieder ein neues IPA raus,“ so der Braumeister, „dieses Mal als Session-Version.“

Aber auch die traditionellen Biere sind sortenspezifisch blitzsauber ausgebaut. Flaggschiffe der Schönramer Brauerei sind das Helle und ein Pils mit gut 40 Bittereinheiten. Beide Schöpfungen erleben jedes Jahr einen wahren Medaillen-Regen bei nationalen und internationalen Awards. Dabei exportieren die Bayern ihre Biere nicht einmal in alle Welt hinaus, sie werden vielmehr unter Liebhabern außerhalb Bayerns wie Trophäen herumgereicht.

Dass die Schönramer auch großen Wert auf saisonale Spezialitäten legen, ist für eine Landbrauerei nicht unbedingt ungewöhnlich. So sind Weizenbock, Winterfestbier und ein fruchtig-blumiges Sommerbier, sowie ein bernsteinfarbenes Wiener Lager im Herbst feste Größen im Portfolio des Hauses. Als besonderes Highlight der Schönramer gilt indes das „Grünhopfen Pils“, das ein florales, fruchtiges und grasiges Aroma präsentiert. In diese saisonale Spezialität gelangen nur frisch geerntete Dolden der Sorten Select und Tettnanger.

Besonders beliebt bei den Fans ist aber auch das „Bayerisch Pale Ale“, bei dem sich – nach Aussagen von Toft – durch einen Etiketten-Relaunch im vergangenen Jahr der Absatz nahezu verdoppelt hat. Dass er dabei die Hopfensorte Mandarina Bavaria einsetzt, hat einen Grund: „Ein richtig gutes Bier muss über eine eigene Handschrift verfügen sowie ein anhaltendes Durstgefühl auslösen, das selbst nach dem Genuss mehrerer Gläser nicht nachlässt,“ resümiert der Wahl-Bayer und nimmt einen kräftigen Schluck.

Erschienen im Meininger’s CRAFT Magazin für Bierkultur.

Schönramer Grünhopfenpils: Ohrfeige für norddeutsche Braumeister

Schönramer Grünhopfenpils
Schönramer Grünhopfenpils

Pils ist bekanntermaßen der Deutschen liebstes Bier. Fast sechzig Prozent der gesamten Produktion hierzulande fällt auf diesen meist herben Einheitssud, der vor allem von den harten Kerlen des Nordens favorisiert wird. Dieses angebliche Männerbier ist von vielen Vorurteilen begleitet. Dazu gehört: Die Bayern können kein Pils brauen.

Wenn einer dieses Vorurteil wiederlegt hat, dann Eric Toft, der Braumeister von Schönram, aus dem tiefsten Oberbayern, wo eigentlich eher süffiges Helles aus Masskrügen konsumiert wird. Sein gerade erst wieder erschienenes „Grünhopfenpils“ müsste den norddeutschen Brauern, die sich als Gralshüter herber Biere verstehen, eigentlich die Schamesröte ins Gesicht treiben. Fernab des deutschen Einheitsgeschmacks hat Eric mit frischem Hallertauer Grünhopfen ein Bilderbuch-Pils gebraut, das ganz sicher zu den besten seiner Art gehört.

Mit verspielter Aromatik präsentiert sich das Bier als fruchtig, schlanker Kreativtrunk mit 5,4 Prozent Alkohol, rund zwölf Prozent Stammwürze und hohem Trinkvergnügen. Im Glas zeigt sich eine schneeweiße, stabile Schaumkrone auf naturtrüber, zitronengelber Struktur. Das macht Appetit. Im staubtrockenen Antrunk offenbart sich dann der ganze Charakter dieses schlanken Edelpils, das an einen Spaziergang durch das Hopfenparadies der Hallertau erinnert: Grasige, florale Aromen sowie ein dezenter Zitrushauch gepaart mit Wiesenkräutern und einer leicht malzigen Struktur.

Mit seinen 45 IBUs sorgt das Schönramer Vorzeigepils für eine ausgewogene Bitterkeit, die sich auch noch langanhaltend in einem trockenen Abgang bemerkbar macht. Der Einsatz von Aromahopfen macht sich durch dezente Fruchtnoten bemerkbar, die dem Bier eine angenehme Frische vermitteln – ohne aufdringlich zu wirken. Das ist insofern interessant, dass hier der klassische Pilsener Charakter mit der Philosophie moderner Craft-Biere korrespondiert.

Mein Fazit: Ein wirklich erstaunlicher Trunk, bei dem man lange suchen muss, um etwas Vergleichbares zu finden. Anfang des Jahrs auf der „Braukunst Live“ in München habe ich das Grünhopfenpils mal vom Fass probieren können. Da schmeckt es sogar noch volumiger und knackiger. Einziger Kritikpunkt: Ein Bier mit so viel feinem Hopfen könnte durchaus noch etwas mehr durch seinen Duft überzeugen. Das würde dann auch noch viel, viel mehr Frauen für solche Pils-Genüsse begeistern.

Brauer-Portrait: Eric Toft – Craft-Bier-König nach Budweiser und schottischem Whisky

Foto: Elena Hasenbeck
Foto: Elena Hasenbeck

Er ist einer der Vorreiter der deutschen Craft-Bier-Szene, er ist ein Qualitätsfanatiker, ein Lebenskünstler, ein Hopfen-Freak und ein überaus sympatischer Mensch… obendrein macht er wundervolle Biere –  und das nicht erst seit gestern. Ich muss zugeben, ich bin ein echter Fan von Eric Toft, dem Braumeister aus dem oberbayerischen Schönram. Sein Weg in die Craft-Bier-Oberliga lief keineswegs so gradlinig wie bei den meisten Brauern hierzulande. Eric Toft, der gebürtige US-Amerikaner aus Wyoming, traf nach einem Geophysik Studium in Colorado die – seiner Meinung nach – beste Entscheidung für einen künftigen Beruf: Er wolle doch lieber Braumeister werden. Erst zog er durch die Braustätten der Staaten um möglichst viel über Bier zu erfahren, wurde Hobbybrauer, wollte in Wyoming eine Brauerai aufmachen,  ging dann aber doch erst nach Deutschland um in einem traditionellen Bierland sein Handwerk zu professionalisieren. Nach einem Deutschkurs im Schwarzwald studierte er schließlich Brauereiwesen im oberbayerischen Weihenstephan bei Freising. Jetzt ist er – nach einem kurzen Intermezzo in belgischen Brauereien – seit über 15 Jahren Braumeister und Betriebsleiter der Privatbrauerei Schönram. Vielen Nachwuchsbrauern gilt er als Guru der deutschen Craft-Bier-Szene. Für seine Bierkreationen erhielt der 48-Jährige – den man meist  in bayerischer Traditionstracht antrifft – wohl mehr Auszeichnungen – national und international – wie kein anderer Brauer in diesem Land. Sein Leben ist eine einzigartige Story.

1. Wann und wie tranken Sie ihr erstes Bier?

Mein erstes Bier war ein Budweiser (US-Budweiser) aus der Dose an einem Lagerfeuer neben einem Biberteich in den „Laramie Mountains“ 30 km westlich meiner Heimat Cheyenne, Wyoming. Ich war 16 und mit meinen zwei besten Freunden beim Fliegenfischen. Wir hatten unser Abendessen gefangen und am Lagerfeuer zubereitet, dazu Budweiser und schottischen Whisky in viel zu großen Mengen getrunken… Gemessen am Schädelweh am nächsten Tag ist es ein Wunder, dass ich Bier noch mal getrunken habe (vom Whisky habe ich danach aber längere Zeit die Finger gelassen).

2. Wann und warum haben Sie sich für den Brauerberuf entschieden?

1987 hatte ich das Geologie/Geophysik-Studium in Golden, Colorado abgeschlossen und stand vor der Entscheidung, entweder nach Saudi Arabien zu gehen oder was Anderes zu machen; damals waren die einzigen Stellenangebote für frischgebackene Geophysiker in Saudi Arabien. Ich hatte mir eine Karriere beim US-Geologischen Vermessungsamt vorgestellt, sie hatten aber damals gerade Einstellungsstopp. Ich war zu der Zeit bereits seit drei Jahren als Hobby Brauer tätig, gleichzeitig ist die Bierrevolution in den USA langsam in Fahrt gekommen, ich habe mich also entschlossen, eine Brauerei in Wyoming aufzumachen, wollte aber das Bierbrauen richtig von Grund auf lernen und dachte, wenn so was irgendwo auf der Welt geht, dann in Deutschland. Ich bin blind nach Deutschland geflogen, hatte nur einen Platz für einen Sprachkurs am Goethe-Institut im Schwarzwald reserviert und sonst nichts… Jetzt bin ich (bis auf einen zweijährigen Abstecher als Braumeister in Belgien) immer noch da.

3. Auf welches Bier sind Sie besonders stolz und warum?

Eine schwierige Frage, da ich sie je nach Verfassung täglich anders beantworten würde. Sicherlich bin ich sehr stolz auf unser Schönramer Hell und das Schönramer Pils: gerade bei einem Hellen ist ein konstantes, gleichmäßig hohes Qualitätsniveau wegen des filigranen Charakters und der delikaten Harmonie zwischen Hopfen und Malz sehr schwer reproduzierbar. Auch unser Saphir Bock ist sehr gelungen; er sprengt den normalen Rahmen eines hellen Bocks und ist Beweis dafür, dass man belgisch anmutende Biere innerhalb des Reinheitsgebots brauen kann, ohne Zugabe von Zucker oder Kräutern. Zurzeit bin ich auch von unserem Bayrisch Pale Ale begeistert, die neue Hopfen-Sorte „Mandarina Bavaria“ kommt sehr gut zur Geltung und ich verspreche mir viel für die Zukunft dieses Hopfens.

4. Was macht für Sie ein wirklich gutes Spezialitätenbier aus?

Ein richtig gutes Bier muss ein unerklärlich anhaltendes Durstgefühl auslösen, das nach dem Genuss mehrerer Halbe oder Maß nicht im Geringsten nachlässt.

5. Was sind Ihre Lieblingshopfensorten?

Das ist wie wenn man einen stolzen Vater vieler Kinder fragt, welches sein Lieblingskind sei…

Als Allrounder ist Tradition ein sehr guter Hopfen, aber auch Select ist vielseitig einsetzbar. Saphir eignet sich besonders gut für Spezialbiere. Der Klassiker Hallertauer mittelfrüh kann klassischen Bieren das I-Tüperl verleihen und eine neu entdeckte Liebe zu Tettnanger hat mir auch die Augen geöffnet; die Sorte ist terroir-bedingt so abwechslungsreich wie die Landschaft rund um den Bodensee. Mandarina Bavaria, auch wenn der Name nicht besonders gelungen ist, bringt einen Hauch US-Hopfen-Charakter in jedes Spezialbier ein. Die alte Sorte Hersbrucker ist als Aroma-Hopfen sehr unterschätzt und kann das „gewisse Etwas“ liefern. Außerhalb Deutschlands finde ich Simcoe und Nelson Sauvin besonders spannend.

6. Was ist für Sie der schönste Ort der Welt?

Der schönste Ort der Welt kann ständig wechseln und hängt sehr stark von der Situation und der Mitmenschen ab. Er kann für mich in einem Biergarten oder auch in einem Wirtshaus sein, oder an einem See, und wenn er in der freien Natur ist, dann gehören für mich unweigerlich die Berge oder wenigstens ein Bergpanorama dazu. Gute Freunde und die richtige Stimmung machen den Ort vollkommen…

Wenn es bei mir rein um geographische Plätze geht, dann: In meiner Ur-Heimat ist der schönste Ort in den Bergen der „Snowy Range“ westlich von Laramie, Wyoming, und in Bayern auf dem Gipfel des Hochkalters. An beiden Standorten schmeckt Bier auch besonders gut…

7. Was sind Ihre persönlichen Ziele?

Privat: so weit möglich dafür zu sorgen, dass meine Tochter zu einem feinen, glücklichen und zufriedenen Menschen heranwächst – das Bestreben nach eigenem Glück, sowie privat als auch beruflich, ist selbstverständlich… Beruflich: dazu beitragen, dass die Wertschätzung und Wertigkeit des Bieres im Allgemeinen massiv gesteigert wird, in dem wir stets erstklassige und anspruchsvolle Biere brauen…