Kommentar: Zerplatzte Träume

Wer jemals einen öffentlichen Auftritt von Greg Koch erlebte, wird diesen wohl so schnell nicht vergessen: Der in der Branche wegen Langmähne und Rauschebart als „Bier-Jesus“ gefeierte Chef der amerikanischen Craft-Schmiede Stone Brewing, ließ gern symbolisch mit Hilfe von Gabelstaplern auch mal internationale Standardbiere mit zentnerschweren Felsbrocken zertrümmern. Deutschland war für ihn ein „altes und müdes Bierland“, welches er revolutionieren wollte.

Eigentlich hätte Koch solch markige Sprüche gar nicht nötig, denn sein Brau-Team überraschte immer wieder mit ganz wundervollen, wenn auch sehr starken Charakter-Bieren. Trotz toller Ideen und Innovationen, in der Bundeshauptstadt ein neues Biermekka für Craft-Fans aus ganz Europa zu schaffen, ist jetzt sein Traum zerplatzt. In der historischen Gasfabrik in Berlin-Mariendorf blieben leider die Pilger aus. Dass der Biertempel – nach nur 3-jährigen Engagement – an die schottische Kreativschmiede Brewdog verkauft wurde, bringt dem Stone-Gründer nun viel unberechtigte Häme ein.

Immerhin bekennt Koch, dass er sich mit seinem Projekt ziemlich verhoben hat, sein Vorhaben „zu groß, zu mutig und zu früh“ angegangen wurde. Aber er hat wohl auch die Einzigartigkeit der deutschen Bierbranche mit ihren weit über tausend regionalen Spezialitätenbrauereien etwas unterschätzt. Diese Bastion zu erobern, geht nicht allein mit hohem Dollar-Einsatz und Hauruck-Aktionen, sondern nur mit viel Geduld.

Die beiden Brewdog-Chefs, James Watt und Martin Dickie, haben offensichtlich eine etwas bessere Bodenhaftung als der extrovertierte US-Amerikaner Koch. Egal ob nun bei den Schotten ein voraussichtlicher Brexit bei diesem Deal eine Rolle spielt oder ob es nur ein cleverer Schachzug ist, um im deutschen Biermarkt sesshaft zu werden: Feinfühlig, bescheiden und mit weniger Tamtam haben sie ihre Ziele für Berlin formuliert (siehe auch Interview unter www.meininger.de). Craft-Fans dürfen nun gespannt darauf sein, mit welchen Ideen das Brewdog-Team die deutsche Craft-Szene aufmischen wird.  

Erschienen im Meiningers CRAFT Magazin für Bierkultur.

2 Gedanken zu “Kommentar: Zerplatzte Träume

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  2. Errol Ballaschk

    Uns bleibt der schöne Biergarten, ja und die drinkability der BrewDog Biere ist um einiges höher (ja, Geschmackssache), leider bleibt der lange Weg aus der City.

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