Band-Bier: Hopfenpower zum harten Sound

Rock-Konzerte ohne Bier sind wie ein IPA ohne Hopfen. Das haben inzwischen auch namhafte Musikbands erkannt. Sie engagieren sich als Gypsy-Brewer, kooperieren mit renommierten Brauereien, gründen eigene Craft-Hütten und verzaubern ihre Fans mit spannenden Kreativbier.

The BossHoss
Credit: Andrea Friedrich

Wer glaubt, es gebe nichts, was ein gutes Bier noch besser machen kann, der irrt. Ein Forscherteam der Freien Universität Brüssel hat unlängst erstaunliches herausgefunden. Wer beim Biertrinken gute Musik hört, dem mundet der Trunk tatsächlich noch viel besser. So wundert nicht, dass immer mehr Bands neuerdings ihre eigenen Sude brauen. Vorreiter dieser Bewegung ist wohl die britische Heavy Metal-Truppe „Iron Maiden“, die bereits vor einigen Jahren ihr eigenes Band-Bier zusammen mit der englischen Robinsons Brewery kreierte. Frontmann Bruce Dickinson, ein berüchtigter Ale-Liebhaber, war einer der Taufpaten beim ersten Maiden-Bier namens „Trooper“, gebraut nach klassischer Brit-Art mit zarten 4,7-prozentigen Alkohol. Der Rock-Hero spricht heute noch fasziniert von diesen Tropfen: „Ich dachte, ich wäre gestorben und in den Himmel gekommen, als ich unser erstes eigenes Bier probierte.“

Hinter solchen Projekten steht jedoch nicht allein die Begeisterung für Bier, sondern auch ein knallhartes Geschäftsmodell. Das beweisen nicht zuletzt die Verkaufszahlen. So wurden beispielsweise schon im ersten Jahr der Markteinführung des Iron Maiden-Bieres rund 3,5 Millionen Pints vom „Trooper“-Ale verkauft. Verständlich, dass nach solchen Erfolgen inzwischen immer mehr Rock-Gruppen auf eigene Bierproduktionen setzten. Musiklegenden wie Motörhead, Queen oder AC/DC zogen nach und taten sich mit namhaften Brauereien zusammen, um ihre eigenen Gerstensäfte in Umlauf zu bringen. Dass Band-Biere heute absolut trendy sind, kann auch Stephan Michel bestätigen. Der Chef vom Mahrs Bräu in Bamberg ist Anlaufstelle für Rock-Kapellen aus aller Welt. Er entwickelte schon Biere zusammen mit bekannten US-Bands wie den Rockern von „Papa Roach“ oder den Metallern von „Mastodon“.

Mahrs und Rudolf Schenker von Scorpions
Stephan Michel von Mahrs Bräu und Rudolf Schenker von den Scorpions (Credit: MahrsBräu)

Aktuell steht Michel gerade in der Entwicklungsphase eines neuen Sudes mit den Scorpions. Die Hardrocker aus Hannover entschieden sich für das „Mahrs Helles“, das jedoch mit zusätzlichen Hopfensorten gebraut werden soll. Michel freut sich über das Interesse der Musiker an seiner mittelständischen Braustätte. Seiner Meinung nach würden viele Bands häufig den Fehler machen und in Großbrauereien produzieren lassen. Dann seien sie manchmal enttäuscht und würden häufig ihr eigenes Band-Bier nicht einmal mehr selbst trinken wollen. Mahrs-Chef Michel verfolgt bei seinen Projekten mit Rockern, Punkern oder Metallern auch ein ganz eigennütziges Ziel: „Solche Bands haben einen enormen Bekanntheitsgrad und erzielen damit eine viel größere Aufmerksamkeit als kleine Regionalbrauereien. “

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Credit: Tiny Batch Brewing

Derartige Zusatzeffekte erhofft er sich auch mit einem ganz neuen Projekt. Gerade erst braute Stephan Michel einen Kollaborationssud mit „Tiny Batch Brewing“ aus Berlin. Bei dem „Mista Callista Spezial“ geht es um ein helles Lagerbier mit rund 5,5 Prozent Alkohol, das vom Callista-Hopfen geprägt ist. Hinter dem Label Tiny Batch steht Ansgar Freyberg, der Schlagzeuger von BossHoss. Er ist von der Craft-Bierszene angefixt und betreibt sein Brauprojekt mit grenzenloser Leidenschaft zum Produkt. Zwar führten die Country-Rocker schon mal ein eigenes Bier im Portfolio, das mit den Schlagworten „eigenes tour- und kneipenerprobtes, edles, DLG-prämiertes Premium-Pils mit Hallertauer Aromahopfen“ beworben wurde. Aber hinter vorgehaltener Hand gibt Freyberg zu, dass er froh darüber ist, dass die Lizenz zu diesem Cowboy-Bier inzwischen abgelaufen ist. Da aus seiner Sicht bei diesem Sud der wahre Craft-Geist nicht wirklich rüberkam, startet der Drummer jetzt mit seiner eigenen Marke durch.

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(v.l.) Ansgar Freyberg von Tiny Batch Brewing, ich und Stephan Michel von Mahrs Bräu

Was selbst die meisten BossHoss-Fans nicht wissen: Schlagzeuger Freyberg begann seine Brauer-Karriere vor rund zwei Jahren, wie viele namhafte Crafter auch, mit einem klassischen Werdegang als Hobbybrauer. Dafür richtete er sich zuhause eine kleine Brauküche in einem unbenutzten Treppenaufgang ein und tüftelte mit einem 20-Liter Kessel an verschiedenen Rezepten. Um das Handwerk zu professionalisieren machte der Berliner im Sommer 2017 sogar ein Spaßpraktikum bei Stephan Michel im Mahrs Bräu. Inzwischen führt der BossHoss-Schlagzeuger zwei Sorten im Portfolio seiner Tiny Batch Brewing. Dazu zählen zwei ungefilterte Biere mit jeweils fünf Prozent Alkohol mit hoher Drinkability. Eins davon präsentiert sich mit einem cremigen Malzkörper und einer angenehmen Hopfenbittere, während das andere mit Aromahopfen gestoppt wird und eher fruchtige Noten auf die Zunge bringt. Bislang lässt Freyberg davon jeweils rund sieben Hektolitern brauen, die Ausstoßmenge soll jedoch deutlich wachsen. Schließlich hofft Freyberg auch darauf, dass seine Biere zu künftigen BossHoss-Sorten werden. Dazu müsse er sich aber noch final mit seinen Band-Kollegen einigen. Was seinen künftigen Weg als Kreativ-Brauer anbelangt, ist Freyberg absoluter Realist: „Es wird sicherlich nicht ganz so einfach, Craft-Bier mit hochwertigen Rohstoffen zum massentauglichen Preis anzubieten.“

Dass bekannte Musiker selbst am Sudkessel stehen und sich zur wahren Craft-Philosophie bekennen, ist schon etwas Besonderes. Auch in Schweden gibt es eine Brauerei, die von einem bekannten Schlagzeuger gegründet wurde. Nach jahrzehntelanger Karriere an den Drums bei „In Flames“, eine der bekanntesten schwedischen Death-Metal-Band, erfüllte sich Daniel Svensson einen alten Traum: Die Gründung einer eigenen Craft-Braustätte. Inspiriert haben ihn etliche Brewpubs, die der einundvierzigjährige Ex-Trommler während der Band-Tourneen rund um den Globus besuchte. Vor rund zwei Jahren eröffnete Svensson seine „Odd Island Brewing“ südlich von Göteborg und holte sich zur Unterstützung seinen ehemaligen Band-Bassisten Peter Iwers mit ins Boot. Das erste Bier der Nordmänner heißt „Citravuin“, besitzt 5,5 Prozent Alkohol und ist ein hopfenaromatisches American Style Pale Ale. Aus zaghaften Anfängen wurde eine richtige Brauerei: Im Portfolio führen die Ex-Rocker jetzt neben klassischem Lagerbier auch ein New England Style IPA namens „Hazie Dizzie“, ein Raspberry Fruit Ale mit Himbeeren und Mosaic-Hopfen, ein 6,8-prozentiges Roggen-IPA sowie ein hopfengestopftes Ale. „Bier zu brauen ist für uns wie Musik komponieren“, sagt Svensson, „bei beidem setzt man seine eigene kreative Note.“

Auch die drei Brüder der amerikanischen Pop-Rock-Band „Hansons“ gründeten mit ihrer „Hansons Brothers Beer Company“ ein eigenes Business in ihrer Heimatstadt Tulsa, Oklahoma. Nach ein paar Jahren des Experimentierens, brachten die Hanson-Brothers ihr heutiges Flaggschiff „Mmmhops“ auf den Markt. Ein wirklich gelungenes, vollmundiges Pale Ale mit Röstmalz-Aroma und angenehm hopfigen Finish. Doch Rocker wie die Hansons, das Ex-Team von „In Flames“ oder Ansgar Freyberg von BossHoss, die selbst am Braukessel stehen, gelten eher noch als eine Ausnahmeerscheinung. Die meisten Bands tun sich eher mit renommierten Brauereien zusammen und lassen bei Typologie, Aromen und Geschmack lieber Profis ran.

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So auch die Toten Hosen aus Düsseldorf, die bereits eine langjährige Freundschaft mit der Altbier-Brauerei Uerige pflegen. Michael Schnitzler, Chef der Traditionsstätte, soll schließlich auf die Idee gekommen sein, ein gemeinsames Bier mit der rheinischen Renommierband zu brauen. Und was könnte das schon anderes sein als ein süffiges Alt? Doch für die Toten Hosen zählte das Uerige schon lange vor der Kooperation als das beste Altbier der Welt, also schied dieser Stil aus. „Es wäre einfach Unsinn gewesen, mit einem weiteren Altbier zu kommen“, sagt Campino, der Sänger und Frontmann der Hosen, bei der Biervorstellung. Also entschieden sich die Düsseldorfer dazu, ein individuelles, 5,2-prozentiges Helles mit verschiedenen Aromahopfen zu produzieren. Das Ergebnis beschreibt das Entwicklungsteam ganz im gehobenen Marketing-Deutsch so: „‘Hosen Hell‘ repräsentiert in einmaliger Symbiose die Werte traditioneller Braukunst mit einem einzigartigen Geschmackserlebnis.“

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Credit: Block

Die Craft-Bierszene ist inzwischen voll von kreativen Band-Suden. Auch noch weniger bekannte Musiker wagen sich an besondere Biere und lassen sie von anerkannten Craft-Profis brauen. So auch der Sänger und Songwriter Michael Pöttinger, der mit seinem Soundprojekt „Block“ ein eigenes Band-Bier gemeinsam mit Kreativbrauer Werner Schuegraf produziert. In einem Münchner Hinterhof, im Stadtteil Haidhausen, entwickelte Schuegraf mit seiner Braustätte „Hopfenhäcker“ gemeinsam mit Pöttinger das „Block IP“, das 6,8 Umdrehungen vorlegt und durch die verwendeten Hopfensorten Centennial und Simcoe besonders fruchtig rüberkommt. Hinter dem knackigen Ale steckt sogar noch eine kluge Marketingstrategie: Wer ein 4er-Pack kauft, kann über einen Code das aktuelle Album bestellen.

Inzwischen überrascht die internationale Rockszene beinahe im Wochenrhythmus mit immer neuen Suden. Warum immer mehr Musiker ihren eigenen Sud brauchen, erklärt Marco Pogo, Sänger der österreichischen Punkrockband „Turbobier“: „Die schlaue Band von heute denkt mit und macht ihr eigenes Bier. Nur so kann man sicher sein, dass die Qualität stimmt und man niemals auf dem Trockenen sitzt.“ Die Austria-Rocker beglücken ihre Fans mit einem äußerst süffigen „Turbo-Bier“ – in schwarzen Dosen mit aufregendem Design.

Erschienen im Meiningers CRAFT Magazin für Bierkultur.

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