Bei durchschnittlichen Sommertemperaturen jenseits der 30 Grad Celsius, ist der Durst ein ständiger Begleiter auf der größten Insel der Karibik. Kuba ist bekannt für knallbunte Oldtimer, dicke Zigarren, coole Drinks und gute Laune. Vor allem aber für das Nationalgetränk, den Rum. Dass hier jetzt auch Craft-Bier gebraut wird, ist eine echte Novität für das Antillen-Eiland. Aber seitdem die USA die Daumenschrauben der Wirtschaftsblockade etwas lockerten wächst auf Kuba zunehmend das Interesse an ungewöhnlichen Suden.
In Havanna, dem Sehnsuchtsort für Lebenskünstler aus aller Welt, gehören Gerstensäfte inzwischen zum Lifestyle in Bars und Restaurants. Die Standardbiere in der Zwei-Millionen-Stadt kommen aus der Brauerei „Cervecería Bucanero“ in Holguín im Südosten der Insel, die mit einer Jahresproduktion von 1,5 Millionen Hektoliter vor allem die Touristenströme bedient. Seitdem sich immer mehr US-Investoren auf Kuba einkaufen, gehört die Hälfte der Brauerei zum Großkonzern AmBev, einem Ableger von Anheuser Busch. Eiskalt getrunken, sind die kubanischen Topsellern wie das malzig-säuerliche „Bucanero Fuerte“ oder die goldfarbene Malzbombe „Cristal“ durchaus genießbar.
Ungewöhnliche Sude gibt es jedoch eher am Seehafen von Havanna, in der größten Privatbrauerei der Stadt. Dort liegt direkt an einem ehemaligen Pier die „Cervecería Antiguo Almacen De La Madera Y El Tabaco“, nicht weit von der Kunstmarkthalle Almacenes San José und dem prunkvollen Teatro Martí entfernt. Wer die einst heruntergekommene Lagerhalle betritt, in der zuvor Holz und Tabak lagerten, ist von den 400 Sitzplätzen und einer fast 40 Meter langen Theke überwältigt. Die Cervecería wirkt mit buntem Graffiti an den Wänden, Stahlträgern und viel Glas wie ein Flugzeughangar mit angeschlossenem Restaurant. An jedem dritten Tisch steht ein sogenannter Turm, eine eisgekühlte 3-Liter-Zapfanlage. Dazwischen ein Bühnen-Podest, wo regelmäßig heimische Bands für karibische Stimmung sorgen. In der Hitze des Tages sind die baumhohen Außentüren stets geöffnet, damit der salzige Nordostpassat eine sanfte Brise in die Trinkhalle fächeln kann.
Am hinteren Ende der Halle thronen auf einem Podest – sichtbar für jeden Gast – zwei Kupferkessel vom Wiener Brauanlagenhersteller Salm. Damit produziert das Team um die Braumeister José Martinez und Wandi Marquez Suarez täglich rund 2000 Liter Bier. Auf der Karte stehen „Clara“, „Obscura“ und „Negra“ – nicht als Hinweis auf den Bierstil zu verstehen, sondern eher auf die Farbe der Sude: hell, bernsteinfarben und schwarz. Dabei handelt es sich um eigens interpretierte Sorten wie Export, Märzen und Dunkel, alle mit einem Alkoholgehalt um die 4,7 Prozent. Genauere Angaben über Hopfen- und Malzbeigaben unterliegen wohl der kubanischen Schweigepflicht.
Biertrinken ist auf Kuba nicht nur eine Frage des Geschmacks, sondern auch des Geldes. Immerhin kostet ein Glas in der Cervecería mehr als zwei Euro, was sich der Durchschnittskubaner kaum leisten kann. Zu den wirklich gut trinkbaren, malzbetonten Sorten sollten Gäste allerdings die gegrillten Spezialitäten des Hauses probieren: Schweinekotelett mit Biermarinade, fangfrischer Fisch mit Bohnenreis oder Hühnerbein mit karibischem Kartoffel-Gemüsebrei. Ob Speis oder Trank – die Cervecería ist in vielerlei Beziehung ein Geheimtipp für alle Havanna-Besucher mit Bier-Affinität.
Erschienen im Meiningers CRAFT Magazin.
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