Noch lassen die ersten Sonnenstunden des Frühlings auf sich warten. Was bietet sich also bei Dauerregen und Kälte draußen besser an, als ein kräftiges Stout im Glas? Gestern habe ich mal das zehnprozentige Caucasian Stout namens „El Duderino“ von der Kehrwieder Kreativbrauerei aus Hamburg aufgemacht. Es gehört inzwischen zur Tradition des Kehrwieder-Teams, das es sich dabei immer um das letzte Bier im Jahr handelt, das Chef und Braumeister Oliver Wesseloh braut und einige Monate ruhen lässt. Vor ein paar Wochen kam es endlich auf den Markt.
In den Kessel kamen neben den klassischen Zutaten auch noch Laktose und Kaffeebohnen der Kult-Rösterei „Quijote“ aus der Hansestadt. So zeigt sich „El Duderino“ in nachtschwarzem Gewand und mit beigefarbenem, cremigem Schaum. Schon beim Einschenken erfüllt ein dunkler, malziger Duft den Raum. In die Nase strömen kräftige Noten von Kaffee, Zartbitterschokolade und Schwarzbrot. Vollmundig und cremig breitet sich das Stout auf der Zunge aus. Im Geschmack dringen Aromen von Kaffee und Laktose durch. Hinzu gesellet sich etwas Nussiges sowie ein Hauch von Kirsche. Im trockenen Finish bleiben feine Röstaromen noch lange zurück.
Fazit: Ein wirklich tolles Bier mit ordentlich Wumms. Die Aromen sind schön eingebunden und harmonieren miteinander. „El Duderino“ dient nicht nur bei Regenwetter als Seelenwärmer. Ich kann mir das Stout auch hervorragend zu einem gegrillten, kräftigen Steak oder Ribs vom Grill vorstellen.
Wegen der Covid19-Situation gestaltet sich die Urlaubssaison auch für viele Craft-Freunde nicht ganz so einfach. Wer sich ein bisschen Karibik-Flair nach Hause holen möchte, kann das auch mit Bier machen. Ein toller Vertreter ist das Double Dry Hopped Pale Ale namens „Dominica“ von der Kehrwieder Kreativbrauerei aus Hamburg. Das Brau-Team um Oliver Wesseloh packt für das Summer-Feeling jede Menge fruchtige Hopfensorten in den 4,7-prozentigen Sud: Mosaic, Citra, Callista, Simcoe, Cascade und Centennial.
In einem Orangebraun fließt das Pale Ale ins Glas, getoppt ist es von einem weißen, feinporigen und stabilen Schaum. Die Nase wird von einem fruchtig-frischen Duft betört, der tropische Aromen von Maracuja, Grapefruit und gelben Steinfrüchten präsentiert. Über die Lippen fließt das Ale angenehm schlank mit moderater und erfrischender Kohlensäure. Auf der Zunge zeigen die eingesetzten Hopfensorten was sie so draufhaben. So schmeckt das Bier nach einem tropischen Obstkorb mit Früchten wie Maracuja, Pfirsich, Aprikose, Grapefruit und Limone. Eine sanfte Bittere und eine zarte Würze runden das Pale Ale im Finish ab.
Fazit: „Dominica“ schenkt den Sinnen wirklich etwas Urlaubs-Flair. Also: Einschenken, Sonnenbrille auf, ab in den Liegestuhl und Karibik-Feeling genießen. Passt sicher auch hervorragend zu gegrilltem Fisch, Meeresfrüchten und karibischen Salaten.
Covid-19 trifft auch die Craft-Bierbranche hart. Mit Kurzinterviews möchte ich die Community auf dem Laufenden halten, was bei Brauern, Biersommeliers, Händlern, Gastronomen und Bloggern derzeit passiert und wie all diese tollen Menschen mit dem Virus-Wahnsinn umgehen. Heute ging meine Mail an Julia Wesseloh von der Kehrwieder Kreativbrauerei aus Hamburg.
Oli und Julia Wesseloh von der Kehrwieder Kreativbrauerei Credit: Julia Schwendner
Hallo Julia, wie wirkt sich die Corona-Krise auf Euer Tagesgeschäft aus?
Divers. Der Bereich Gastronomie ist zu einem Zeitpunkt weggebrochen, an dem die Produktion auf Hochtouren lief, um das Ostergeschäft zu versorgen. Wir konnten durch den Fokus auf unseren bereits bestehende Online-Shop zwar etwas kompensieren, jedoch ist die Arbeit dadurch viel kleinteiliger und aufwändiger geworden. Es ist halt ein Unterschied ob man Fassbier in die Gastronomie oder eine Palette an einen Großhändler liefert, als die gleiche Menge gemischt in Versandkartons packt. Das Schöne ist aber, dass wir dadurch eine engere Bindung zu unseren Endkunden aufbauen und sehr positives Feedback erhalten. Das motiviert uns gerade sehr.
Welche Probleme entstehen durch die Schließung der Bars, Taprooms und Restaurants?
Die Gastronomie ist neben den Veranstaltungen unser Sprachrohr zu den Konsumenten. Was jetzt fehlt ist die persönliche Ansprache und Empfehlung. Wir kompensieren das zurzeit durch verstärkte Online-Präsenz wie etwa mit virtuellen Brauereiführungen, Verkostungen oder der Jubiläumsfeier für unser „Prototyp“. Die war bereits beim Hamburger Event „Galopper des Jahres“ geplant. Wir haben kurzerhand von dort aus eine virtuelle Feier in die Wohnzimmer der Gäste gespielt. Die Einnahmen der Eintrittskarten, die wir hierfür verkauft haben, kommen dem Galopper zugute. Denn im Gegensatz zu unseren Gastropartner haben wir noch auf anderen Wegen Möglichkeiten Umsätze zu generieren.
Jede Krise hat Sieger und Verlierer. Was lernen wir aus der jetzigen Situation?
Im Kleinen, dass man immer darauf vorbereitet sein sollte flexibel zu reagieren. Im Makroökonomischen, dass solche Situation nur gemeinschaftlich und solidarisch gemeistert werden können.
Welche Tipps könnt ihr Kollegen geben?
Jammern hilft nicht. Jede Krise hat auch ihre Chancen und wenn man die jetzt erkennt, können neue Ideen, im Idealfall auch dazu führen, dass man nach der überstandenen Krise weiterhin davon profitiert, beispielsweise wenn die eigene Online-Präsenz ausgebaut wurde.
Wie sieht der Craft-Biermarkt nach Covid-19 aus?
Gute Frage. Ärmer an Vielfalt? Regionaler? Erste Kommentare von Kollegen in den sozialen Medien lassen befürchten, dass die Konzerne die krisengebeutelten Gastronomen nach überstandener Krise so mit Lieferverträgen zuschnüren, dass die kleinen und mittleren auf lange Sicht kein Bier mehr an den Hahn bekommen. Die Frage wird auch sein, ob und wie viele diese Zeit überstehen. Darüber hinaus wundert es uns, dass noch nicht die großen Übernahmen angefangen haben, denn es wird sicher viele kleine und mittlere Brauereien geben, die in der aktuellen Situation einer Übernahme eher zustimmen würden, als in einem wachsenden Markt. Nach überstandener Krise wird der Markt sicher deutlich regionaler sein. Viele Brauereien veranstalten gerade diverse Soli-Aktionen in ihrer Region, die die Bindung dort deutlich stärken werden. Gleichzeitig kaufen viele Verbraucher wieder bewusster ein und greifen verstärkt zu regionalen Produzenten.
Alkoholfreie Biere werden immer vielfältiger. So legte Oliver Wesseloh von der Kehrwieder Kreativbrauerei vor kurzem neben seinem fruchtigen Klassiker „ü.N.N.“ auch ein Coffee Stout namens „Road Runner“ mit nur 0,4 Umdrehungen vor. Gebraut hat der Hamburger es mit Kaffeebohnen, geröstet in der Hansestadt.
Schon im Glas zeigt sich das Coffee Stout espressofarben mit
einem nussbraunen, cremigen Schaum. Im Duft zeigen sich röstig-malzige und
schokoladige Aromen sowie die Kaffeebohnen. Das Bukett erinnert an Cold Brew
Coffee. Über die Lippen fließt das alkoholfreie Stout unerwartet leicht cremig.
Auch auf der Zunge präsentiert sich eine angenehme Malzigkeit mit zart süßlichen
Noten von Schokolade sowie die Kaffeebohnen. Im Finish rundet eine röstige Herbe
das Gesamtbild harmonisch ab.
Fazit: „Road Runner” ist ein toller Cold Brew Coffee in Bierform. Neben der Aromatik hat mich der zart cremige Körper überzeugt, der hier nicht wie bei vielen alkoholfreien Suden leider etwas wässrig daherkommt. Oli zauberte damit eine hervorragend Alternative zum Kaffee nach dem Essen.
Manchmal kann ich mich einfach nicht entscheiden. Eigentlich wollte ich nur ein Grünhopfen-Bier zum Favoriten aus 2016 vorstellen. Doch haben mich zwei Ales so angemacht, dass ich mich nicht auf nur eines festlegen möchte. Aber was ist eigentlich ein Grünhopfen-Bier? In den meisten Fällen, reisen die Brauer selbst ins Hopfengebiet, holen sich die Dolden direkt vom Feld und geben sie innerhalb weniger Stunden unbehandelt in den Sud.
Genau so war das auch bei meinem ersten Favoriten namens „Frischer Traum“. Der Trunk wurde im Riedenburger Brauhaus in Niederbayern von Maximilian Krieger zusammen mit Oliver Wesseloh von der Kehrwieder Kreativbrauerei aus Hamburg gebraut. Seit nun drei Jahren tüfteln die beiden Brauer einmal pro Saison gemeinsam an einem Wet Hop Ale. Dieses Mal hat es 5,7 Prozent und ist aromatisiert mit Bio-Cascade Hopfen. Kupferfarben strahlt es aus dem Glas. Beim ersten Schnuppern strömen überwiegend grasige Noten in die Nase. Dann aber entwickelt sich ein schönes harmonisches Fruchtbukett mit Zitrusnuancen und einem dezenten Anklang von Litschi. Am Gaumen erfrischt das Traumbier erst einmal. Schon im Antrunk ist es allerdings deutlich herb. Am Gaumen spielen dann die Fruchtnoten des deutschen Cascades: Limone, Grapefruit und Litschi. Im Finish verabschiedete sich der Kollaborationssud mit 55 Bittereinheiten, die ganz schön ordentlich sind. Novizen mit empfindlicher Zunge könnten hier schnell überfordert sein.
Das zweite Top-Wet Hop aus dem vergangenen Jahr kommt aus der Berliner Berg Brauerei. Hierbei geht es um ein India Pale Ale mit 6,9 Prozent, dass mit den Sorten Comet und Cascade gehopft ist. Golden glänzt es im Glas. Schon beim Einschenken wabern fruchtig Noten durch die Luft. Das Hauptstadt-IPA duftet nach einem Mix aus roten Beeren, tropischen Früchten sowie einem Touch von frischgemähter Wiese. Am Gaumen zeigt dann der Hopfen noch mal so richtig was er kann: grün-grasige, heuartige Noten zielen auf eine leichte Herbe und Aromen von Maracuja sowie der Beerengeschmack runden das Aromaspektrum ab.
Fazit: Beides sind tolle Ales, an denen man erkennt, was frische Hopfensorten direkt vom Feld so draufhaben. Der „Frische Traum“ setzt vor allem auf einen bitteren Stil, während dieser sich im Berliner Ale deutlich zurückhält, dafür aber die Frucht in den Vordergrund stellt. Im Nachhinein finde ich, dass man die beiden Biere eigentlich nicht miteinander vergleichen sollte, denn sie überzeugen vor allem durch ihren individuellen Charakter. Aber es lohnt sich wirklich, beide mal zu probieren.
Er war nicht nur Weltmeister der Biersommeliers. Oliver Wesseloh von der Kehrwieder Kreativbrauerei ist auch Buchautor und braut mit „Wow-Effekt“einige der besten IPAs in Deutschland. Der Hamburger lebt quasi das Thema Bier mit allen Sinnen und zählt daher für mich zu den besten Brauern der Nation.
Wann hast du dein erstes Bier gebraut und wie ist es geworden?
Hmm, da muss ich wirklich kurz überlegen… ich glaube technisch gesehen habe ich das erste Mal während meines Praktikums in der Hamburger Hausbrauerei Gröninger gebraut. Das erste eigene Bier braut ich dann zusammen mit Kommilitonen in Berlin – dabei ist die neugierige Katze einer Kommilitonin in die Maische gesprungen. Sie war aber auch sehr schnell wieder draußen. Trotz den Umständen, schmeckte das Bier echt gut.
Wie bist Du eigentlich auf den Namen Kehrwieder Kreativbrauerei gekommen?
Als Hamburger wollten wir unsere Verbindung zur Stadt zum Ausdruck bringen. Die Kehrwiederspitze war die alte Hafenausfahrt und der Legende nach haben hier die Seefahrer-Frauen ihre Männer mit dem Wunsch „kehr wieder“ auf große Fahrt verabschiedet. Das passt natürlich perfekt zu unserer eigenen Geschichte: wir sind lange in der Welt unterwegs gewesen und haben viele Erfahrungen und Eindrücke gesammelt. Als der Plan reifte eine eigene Brauerei zu starten gab es für uns als Hamburger keine große Überlegung, wo man so ein Projekt startet – man kehrt wieder Heim! Abgesehen davon, hoffen wir unseren Beitrag dazu zu leisten, dass nach Hamburg zumindest ein Teil der Biervielfalt wiederkehrt die es hier einmal gab – auch wenn es noch ein langer Weg ist zu den 500 Braustätten die es zur Blütezeit der Hanse hier gab.
Kreativbrauerei ist wiederum unser Ansatz um unsere Philosophie und Anspruch darzustellen. Uns war damals schon klar, dass der Begriff „Craft Beer“ bzw. „Craft Brewery“ in Deutschland nicht funktionieren kann und wenn wir uns anschauen wie der Begriff heute vergewaltigt wird, sind wir sehr froh, uns von Anfang an davon distanziert zu haben.
Was macht für Dich ein wirklich außergewöhnliches Bier aus?
Es muss mich berühren! Auch wenn man schon viele tolle Biere probiert hat, gibt es immer mal wieder welche die einen „Wow-Effekt“ auslösen. Die einfach so spannend sind, dass sie einen bleibenden Eindruck hinterlassen und man (fast) alles dafür tun würde um sich ein paar für den eigenen Keller zu sichern.
Welchen Biertyp trinkst Du am liebsten und warum?
Sorry, aber das kann ich wirklich nicht so vereinfachen – das hängt viel zu sehr von der jeweiligen Situation ab. Aber ich versuche mal zwei Gruppen zu bilden: auf der einen Seite sind da Biere die eine sehr hohe „Trinkbarkeit“ mit genau so viel Charakter verbunden, dass sie spannend aber nicht aufdringlich sind. Die man quasi immer entspannt nebenbei trinken kann ohne dass sie langweilig werden. Zu der Gruppe zählt für mich z.B. das Sierra Nevada Pale Ale und unser Prototyp. Auf der anderen Seite sind da die Biere die eine unglaubliche Komplexität und ganz viel Facetten mitbringen. Biere die man nicht mal eben so trinken kann, für die man sich Zeit nehmen muss um sie zu entdecken so wie Firestone Walker Anniversary oder Rodenbach Vintage.
Was sind Deine Lieblingshopfensorten?
Mosaic, Simcoe, Callista, Hüll Melon, Saazer… – und mit jedem SHIPA kommen neue dazu.
Welche Eigenschaften zeichnen Deiner Meinung nach einen richtig guten Craft-Brauer aus?
Unmenschliche Belastbarkeit, Frustrationstoleranz, den Mut ständig neues zu wagen, gegen den Strom zu schwimmen, sich selbst und die Welt um einen herum ständig zu beobachten und zu hinterfragen sowie den absoluten Willen zur Perfektion.
Was war das schrägste Bier, das Du jemals getrunken hast?
Hmm, da gab es sicher einige, da ich ja (fast) alles probiere was ich in die Finger bekommen kann. Aber Dogfish Head „Chocolate Lobster“ ist sicher ganz weit vorne. Naja, und eben das mit der Katze…
An welchem Ort der Welt würdest Du mit Deinem besten Freund gern ein Bier trinken?
Tja, prinzipiell würde ich mich schon mal freuen wenn ich überhaupt die Zeit hätte mit meinem besten Freund mal wieder ein Bier zu trinken – wo ist da völlig nebensächlich.
Und was hast Du als nächstes vor?
Brauerei erweitern, noch mehr Rezepte die mir im Kopf rumspuken ausprobieren, Lobbyarbeit leisten, Neubau planen…
In diesem Bier vereint sich das traditionelle Können der Düsseldorfer Uerige Brauerei mit der Hopfenliebe von Oliver Wesseloh der Kreativbrauerei Kehrwieder aus Hamburg. „Jrön“ (bedeutet im rheinischen Slang: grün) heißt ihr Zaubertrunk, den sie im vergangenen Jahr nach einer neuen Rezeptur einbrauten. Das Ergebnis: Eine Grünhopfen-Sticke mit 6,2 Prozent. Dafür fuhren die Brauer extra zu einem Hopfenbauer nach Reichersdorf in die Hallertau um die frischen Dolden selbst zu ernten. Fix düste das Team zurück in die Altbier-Hauptstadt um das grüne Gold in den Kessel zu werfen.
Und ich finde: „Jrön“ kann sich wirklich sehen lassen. Das kastanienbraune Bier mit fantastischer Schaumkrone macht gleich Appetit. In die Nase strömen fruchtige Aromen von Erdbeeren und Zitrusfrüchten, die sich mit einer schönen karamelligen Malzigkeit vereinen. Am Gaumen kombinieren sich fruchtige Noten von Aprikose und Ananas mit einem Hauch grüner Paprika und einer angenehmen Herbe von 55 Bittereinheiten. Etwas Grasiges vom Hopfen spielt ebenfalls mit. Alle Nuancen halten sich im Finish noch sehr lange am Gaumen.
Fazit: Hut ab, ein Bier mit so viel verschiedenen und komplexen Aromen habe ich lange nicht mehr getrunken. Die Kombination des Grünhopfens mit dem Malz mit der speziellen Uerige-Hefe ist wirklich gelungen. Da gibt es nichts zu meckern!