Die Craftbier-Szene ist bekannt für Innovationen. So legten die Brauer von Bierol aus dem österreichischen Schwoich und TrueBrew aus München gerade ein India Pale Ale mit einer speziellen Hefe auf. Dabei handelt es sich um einen Hefestamm, der sogenannte Thiole produziert, die natürlicherweise in Hopfen oder etwa Trauben vorkommen und fruchtige Aromen erzeugen. In diesem 6,5-prozentigen „Thiolized IPA“ spielt das grüne Gold also ausnahmsweise mal keine Rolle.
In einem trüben Goldorange zeigt sich das Ale im Glas, getoppt ist es von einem feinporigen, cremefarbenen Schaum. Das Bier kitzelt die Nase mit weinigen, fruchtigen und würzigen Noten. So offenbaren sich im Duft Aromen von Stachelbeere, Cantaloupe-Melone, Grapefruit, gelben Steinfrüchten und Banane. Hinzu kommt ein Anklang von Brioche und etwas Pfeffrigem. Im Antrunk präsentiert sich das IPA mit einem weinigen Charakter, bis sich auf der Zunge eine sanfte Malzsüße in Kombination mit einer dezenten Säure sowie fruchtigen Noten von Birne, Stachelbeere, Melone, Zitrus und grüner Banane ausbreiten. Dazu gesellt sich ein Touch von Traubenmost. Das Finish gestaltet sich trocken, aber keineswegs bitter.
Fazit: Wow, das „Thiolized IPA“ ist ein Bier, mit dem man sich wegen seiner spannenden Vielschichtigkeit intensiv beschäftigen kann, das zugleich jedoch supersüffig rüberkommt. Das Aroma stellt mal ein ganz anderes Geschmackserlebnis dar. Ich bin gespannt, was es noch für Sude mit diesem speziellen Hefestrang geben wird.
P.S.: Wer mehr wissen will, der kann am Donnerstag, den 8.12.2022 ab 17 Uhr, ins TrueBrew in München zum Tap Takeover mit Bierol kommen.
Bei den warmen Frühlingstemperaturen darf es gern mal etwas erfrischend Saures sein. Kürzlich hatte ich das „Cosmic Crush Raspberry Sour“ aus der OverWorks-Serie von Brewdog im Glas. Die Schotten lassen das 5,8-prozentige Ale mit wilden Hefen wie Brettanomyces und Cher Ami vergären und verfeinern es mit Himbeeren. Anschließend lagert es in ehemaligen Sangiovese-Rotweinfässern aus der Emilia Romagna in Norditalien.
In einem attraktiven Himbeerrot strahlt das Sauerbier durchs
Glas. In der Nase zeigt sich der pure Duft der Beerenfrucht mit einem dezenten
Hefe-Touch. Auf der Zunge präsentiert sich das Bier prickelnd-sauer mit
saftigem Fruchtcharakter. Dazu gesellen sich weinige, holzige und feinherbe
Noten. Das lange Finish regt zum nächsten Schluck an.
Fazit: Ein perfekter Aperitif und eine hocharomatische Erfrischung für die warmen Temperaturen. Da ist den Schotten ein wirklich tolles Sauerbier gelungen, bei dem wirklich die Himbeere im Vordergrund steht.
Biere, die mit Brettanomyces-Hefe vergoren sind, polarisieren. Man kann sie lieben oder hassen. Ich kenne viele Malz- und Hopfensaftliebhaber, die es vor den animalischen Aromen graust. Ich mag das spezielle Aroma eigentlich ganz gern. Daher verkostete ich kürzlich das „Brett Pale Ale Bruxellensis Local“ von der belgischen Brasserie de la Senne aus Brüssel, das nach der Hauptgärung noch einer viermonatigen Flaschenreifung mit 100 Prozent Brettanomyces durchlaufen ist.
Beim Öffnen der Flasche merkt man, dass das Bier lebt. Langsam quillt der Schaum aus dem Flaschenhals. Schon beim Einschenken strömen dann typisch animalische Noten der Hefe in die Nase. Schnuppert man aber am Glas, während sich das 6,5-prozentige Pale Ale in einem gelborangen Ton präsentiert, so gesellen sich auch Mirabellen- und Aprikosen-Noten dazu. Auf der Zunge zeigt sich das Bier samtig-weich moussierend. Wieder dringen massive Aromen der Brettanomyces durch: etwas Leder und ein bisschen Pferdedecke machen sich breit. Begleitet werden die tierischen Noten von fruchtigen und sauren Tönen. Im Finish verabschiedet sich das Ale mit einer ordentlichen Herbe, die noch lange am Gaumen zurückbleibt.
Fazit: Ein ganz schönes Brett! Wie gesagt, die Aromen der Brettanomyces muss man mögen. Mir hat das Pale Ale mit den animalisch-fruchtigen Noten gut gefallen. Mehr als ein Glas davon wäre aber zu viel des Guten. Überrascht hat mich tatsächlich die kräftige Bittere. Kombinieren würde ich es zu einem starkwürzigen Käse.
In der nagelneuen Brauerei „Branta“ dreht sich vieles um das Thema Hefe. Carsten Jepsen, der seine Bierkarriere ganz klassisch als Hobbybrauer begann und erst vor ein paar Monaten seine eigene Brauerei öffnete, züchtet seine eigene Brettanomyces. Der Nordfriese produziert in seiner Biermanufaktur, die auf einer Warft am Deich im nordfriesischen Emmelsbüll-Horsbüll liegt, individuelle Sude mit eigenen Haushefen. Alle Biere durchlaufen eine Flaschengärung, die mindestens drei Monate andauert. Jepsen ist überzeugt, dass sich so das Aroma zunehmend verändert. Kürzlich hatte ich das „Wilde Hefen – Wild Ale“ im Glas. Und eines schon mal vorweg: Ich war echt begeistert.
Das Craft-Ale leuchtet in einem ansprechenden strohgelb im Glas, ein feinporiger, schneeweißer Schaum liegt oben auf. Im Duft präsentiert sich eine gewisse Hefenote, die unterstrichen wird von besonderen Aromen wie grüner Banane, Zitrusfrüchten und einem Touch von Naturjoghurt. Auf der Zunge präsentiert sich das wilde Bier erst mit einem süßlich Auftritt mit Noten von reifer Banane und Ananas, bis wieder der Joghurt durchdringt. Im Nachhall zeigt sich noch eine moderate Säure.
Fazit: Ein wirklich spannendes Bier mit ungewöhnlichen Aromen. Das „Wild Ale“ erinnert im Geschmack schon fast an einen tropisch-fruchtigen Trinkjoghurt, der allerdings nicht dickflüssig, sondern eher prickelnd-erfrischend wirkt. Ein super Aperitif!
Ich gebe gern zu, dass die dänischen Gypsy-Brewer von To Øl außerhalb Deutschlands zu meinen absoluten Favoriten zählen. Tobias Emil Jensen und Tore Gynther, die beiden Macher aus Kopenhagen, gelten schließlich mit ihren kompromisslosen Hopfensäften zu den kreativsten Machern der europäischen Craft-Bier-Szene.
Dass die Kopenhagener Brau-Truppe auch mit ihrem „Yeastus Christus“ wieder ein Bier mit ganz ungewöhnlichen Charakter gelungen ist, steht außer Frage. Ein Farmhouse IPA mit Gersten-, Weizenmalz und Haferflocken. Aber das Besondere daran ist, dass Yeastus mit Brettanomyces Hefe vergoren wurde, die diesem Ale eine genussvolle, etwas weinige Säure vermittelt.
Vielleicht sind es die skandinavischen Mittsommernächte, die diesem Ale einen so warmen Orange-Ton verleiht. Jedenfalls kenne ich dieses Licht von meinen Reisen jenseits des Polarkreises. In der Nase macht sich die Hefe bemerkbar, gepaart mit einem malzigen, grasigen und kräuterbetonten Duft-Mix. Auf der Zunge tanzen herb-fruchtige Aromen mit Anklängen von Zitrone und Passionsfrucht und Papaya. Im Hintergrund zeigt sich ein dezent malziger Geschmack, der die 7,4 Prozent Alkohol kaum bemerkbar macht. Trocken und leichte Bitterkeit im Abgang.
Fazit: Ein außergewöhnliches Bier, dessen Seele nicht Hopfen und Malz ist, sondern die Hefe. Dennoch: Für den durchschnittlichen Craft-Bier-Fan ein nicht leicht durchschaubarer Drink. Dieses Ale verlangt auch vom wahren Könner eine langsame Annäherung und ein gehöriges Maß an Aufmerksamkeit. Ich mag es!
Im Weißbräu Schwendl im oberbayerischen Tacherting im Chiemgau wird seit 70 Jahren überwiegend obergärig gebraut – aber mit selbstgezogener Hefe, die den Bieren individuellen Geschmack und Charakter verleihen soll. Chef am Braukessel ist heute Anton Schwendl, auch genannt Done. Der 28-Jährige wurde schon als Kind mit Bier infiziert. Nach dem Kindergarten war es für ihn das Größte als erstes in die Familienbrauerei zu flitzen um beim Brauen, Hefe ernten oder Bottich waschen zuzuschauen. Später machte er schließlich eine Ausbildung zum Brauer und Mälzer. 2008 und 2012 gewann er Gold beim European Beer Star Award.
Bereits seit mehreren Jahren beschäftigt sich Anton Schwendl mit seltenen Hopfenspezialitäten und gilt deswegen als einer der Pioniere in der deutschen Craft-Bier-Szene. Charakterisierend für die Brauerei ist die offene Hauptgärung. Dabei werden dem Bier die unedlen Bitterstoffe entzogen. Neben seiner Berufung ist der Oberbayer stolzer Vater einer Tochter. Klar, das sind viele. Aber Schwendl widmete seiner Emilia ein IPA. Mit einem Freund steckte er viel Herzblut in den Sud. Nur drei Tage später bekam sein Kollege seinen Sohn Hannes. Also nannten die Brauer ihr hopfiges Bier „Don HaMilia“. Don stammt übrigens aus Familientradition und bedeutet „Done“ nur ohne „e“ – Vater, Großvater und vermutlich noch einige Vorfahren hießen Anton. Typisch Bayerisch!
Das Brauer-Portrait: Anton Schwendl
1. Wann und wie tranken Sie ihr erstes Bier?
Wann genau das weiß ich leider nicht mehr, ich schätze, dass das ca. 15 Jahre her ist. Wir saßen wie oft bei einem Freund in der Nachbarschaft vor der Sommerhütte. An diesem Abend haben wir das restliche Weißbier aus dem Kühlschrank getrunken und am nächsten Tag, um es zu vertuschen mit einem neuen Kasten von mir zu Hause aufgefüllt. Aber gefragt wurden wir trotzdem schmunzelnd warum im Kühlschrank auf einmal wieder ein ganzer Kasten Bier eingeräumt ist und wo der halb leere ist.
2. Wann und warum haben Sie sich für den Brauerberuf entschieden?
Schon als Kind war mir klar was ich mal machen werde. Ich bin damals schon immer gleich nach dem Kindergarten heim und rein in die Brauerei: Türe von der Sudpfanne auf um zu schauen was da grad passiert, unseren Brauern im Gärkeller bei Hefe ernten oder Bottich waschen zu geschaut usw. Schon damals hat mich das alles interessiert und fasziniert.
3. Auf welches Bier sind Sie besonders stolz und warum?
Auf unser helles Weißbier und unser 5 Korn. Unsere Weisse ist unsere Hauptsorte und laut den Endverbrauchern unserer Region eines der beliebtesten bei uns in der Gegend und das freut mich als reiner Weissbierbrauer schon sehr. Mit unserem 5 Korn haben wir 2010 unser erstes obergäriges Spezialbier ins Leben gerufen das mittlerweile auch zu einer Hauptsorte aus unserem Sortiment wurde. Aber auch unser Weizendoppelbock Don Impala, ein Bier für das es keine Kategorie gibt, aber doch sehr positive Meinungen darüber .
4. Was macht für Sie ein wirklich gutes Spezialitätenbier aus?
Ein wirklich gutes Spezialbier ist für mich ein Bier das nicht vergleichbar ist mit anderen und nicht einfach nur kopiert ist, sondern eigene und neue Geschmackseindrücke mit sich bringt.
5. Was sind Ihre Lieblingshopfensorten?
Es gibt sehr viele gute Hopfensorten, es kommt nur darauf an welchen Hopfen man für welchen Bierstil verwendet. Ich verwende beispielsweise Perle, Saphir, Hersbrucker, Tettnanger, Mandarina Bavaria und Mittelfrüh und jede dieser Hopfensorten bringt seine eigene Stärke in bestimmte Biere und deshalb ist es schwierig sich für einen Lieblingshopfen zu entscheiden. Es macht sehr viel Spaß in diesem Thema zu experimentieren.
6. Was ist für Sie der schönste Ort der Welt?
Der schönste Ort der Welt ist für mich die Heimat, obwohl es bestimmt noch sehr viele schöne Orte auf der Welt gibt. Aber wie sagt man bei uns: Dahoam is Dahoam…
7. Was sind Ihre persönlichen Ziele?
Mich immer weiter zu entwickeln und auch in Zukunft neue Biere mit Erfolg zu kreieren. Und natürlich für´s beste Wohlbefinden meiner Frau und meiner Tochter sorgen.