Interview: Ein Berliner braut in Brasilien

Sebastian Mergel in der Colorado Brauerei in Brasilien
Sebastian Mergel in der Colorado Brauerei in Brasilien

Sebastian Mergel, Chef der Bierfabrik in Berlin, flog kürzlich über den großen Teich bis nach Brasilien um sich in der dortigen Craft-Bier-Szene umzusehen. Wie es zu der Reise kam, welches Bier der Berliner mit den Brasilianern braute und wie sich die Hopfensäfte von den hiesigen unterscheiden erzählt Sebastian im Interview:

 

Sebastian, was war der Anlass für Deine Bierreise nach Brasilien?

Ich bin als Vertreter der Global Association of Craft Beer Brewers (GACBB) von Rodrigo Silveira, dem Organisator der „Slow Brew Brasil“ eingeladen worden. Rodrigo ist Gründungsmitglied des GACBB und stolzer Besitzer von Invecta, einer der innovativsten Brauereien in Brasilien. Aber im Grunde war ich in Brasilien, um mir die dortige  Craft-Bier-Landschaft mal anzusehen.

 

…und was geht so ab in Südamerika?

Brasilien hat eine unglaublich vitale und innovative Craft-Bier-Szene. Ich war überrascht, wie innovativ und vital sich die Brauer dort austoben können. Sie arbeiten eng zusammen und unter ihnen findet ein reger Austausch statt. Auch international sind die Beer-Maker sehr gut ausgerichtet.  Invicta hat beispielsweise mit Sixpoint (USA) ein gemeinsames Bier gebraut, Tupiniquim konnte ein Projekt mit Evil Twin (Dänemark) umsetzen und Urbana hat mit der niederländischen Brauerei Brouwerij t’ij eine neue Kreation auf den Markt gebracht.

 

Gruppenbild vor der Invicta Brewery nach dem Gemeinschaftssud zwischen Brussels Beer Project, Invicta, Bierfabrik
Gruppenbild vor der Invicta Brewery nach dem Gemeinschaftssud zwischen Brussels Beer Project, Invicta, Bierfabrik

Auch Du hast mit den Brasilianern ein Bier gebraut. Was ist das Besondere daran?

Zusammen mit dem „Brussles Beer Project“ und Invicta haben wir ein GACBB- Gemeinschaftsbier umgesetzt. Dabei war uns wichtig, dass dieses Bier die speziellen Einflüsse aus allen drei Ländern in sich vereint, also Brasilien, Belgien und Deutschland. Die gemeinsame Planung, die Entwicklung des Rezepts und letztendlich die Umsetzung in der Invicta Brauerei haben uns viel Spaß gemacht.

 

Wie unterscheiden sich die brasilianischen Biere von unseren?

Ich würde da keinen länderspezifischen Unterschied ziehen. In Brasilien gibt es einerseits genau so wie in Deutschland die Biere der Großkonzerne, und  auf der anderen Seite die Biere der unabhängigen Handwerksbrauereien. Jenseits der Craft-Bier-Szene haben wir aber in Deutschland doch noch immer eine größere Vielfalt.

 

Du warst auch auf der Biermesse „Slow Brew“. Was waren deine persönlichen Highlights?

Es war toll eine so entspannte Biermesse zu erleben und eine so gigantische Vielfalt präsentiert zu bekommen. Besonders begeistert haben mich aber die vielen Sauerbiere. Als wir in Brasilien ankamen, haben wir gerade den Berliner Herbst hinter uns gelassen, während dort gerade der Sommer begonnen hat. Und in dr brasilianischen Hitze kann man echt nicht den ganzen Tag über Stout und IPA trinken. Ein erfrischendes „Sour me not“ von Way Beer erwies sich bei solchen Temperaturen als perfekt.

 

"1000 IBU" Imperial India Pale Ale - Invicta Brewery
„1000 IBU“ Imperial India Pale Ale – Invicta Brewery

Und welche brasilianischen Biere sollten Craft-Bier-Fans unbedingt mal probieren?

Das „1000 IBU“ von Invicta ist ein fantastisches Imperial India Pale Ale. Außerdem kann ich jedem nur die Biere der Brauerei Colorado ans Herz legen. Beide Brauereien liegen übrigens in Ribeirão Preto in der Region Sao Paulo.

Bierfabrik Berlin: Die Geschichte eines Aufstiegs

Bierfabrik Berlin Foto: Patrick Albertini
Bierfabrik Berlin
Foto: Patrick Albertini
Alles handgemacht: Sebastian und Sanni beim Etikettieren
Alles handgemacht: Sebastian und Sanni beim Etikettieren

Der Traum von einer eigenen Brauerei wurde für vier Berliner endlich wahr. Ende September eröffneten Sebastian Mergel, André Schleypen und Julian Schmidt mit weiblicher Unterstützung von Sanni Penack die „Bierfabrik“ im Stadtviertel Marzahn. Der Standort des Startups vermittelt viel Geschichte: Das historische Gelände der Alten Börse diente früher auch mal als Viehhandels- und Militärparadeplatz.

Als ich vergangene Woche kurz vor Feierabend in der Bierfabrik vorbeischaute, beluden André und Julian den Transportwagen mit Bier für eine anstehende Party, während Sebastian und Sanni gerade Flaschen mit Pale Ale Etiketten bekleben. „Bei uns ist eben alles handgemacht“, lacht Sebastian und rollt eine weitere Flasche in seiner Hand.

Vor gar nicht allzu langer Zeit waren die Abläufe noch etwas komplizierter. Anfangs brauten die Berliner mit Eimern in einer WG-Küche und zogen eigenen Hopfen auf Julians Balkon. Das Bier schmeckte und die Nachfrage im Freundes- und Bekanntenkreis wurde immer größer. Also musste mehr gebraut werden. Zunächst zog das Berliner Craft-Team als Gypsy-Brewer unter dem Kampfnamen „Beer4Wedding“ durch die Hauptstadt. Inzwischen werden in ihrem nagelneuen 1000-Liter-Sudhaus ein- bis zweimal die Woche die Sude im großen Stil gezaubert – mit einer Lagerungsmöglichkeit in zwölf liegenden Tanks.

Die liegenden Lagertanks der Bierfabrik Foto: Patrick Albertini
Die liegenden Lagertanks der Bierfabrik
Foto: Patrick Albertini

Damit folgen sie dem Trend zu regionalen Bierspezialitäten. Die Berliner wollen eben Berliner Bier. Allein in der Hauptstadt geht es schon über rund 40 Kneipentresen. Ihre nächsten Ziele hat die Marzahn-Truppe bereits definiert: „Wir wollen unser Bier auch an Leute bringen, die nicht schon als echte Craft-Fans gelten“, erzählt Sebastian. Künftig soll der Sud der Bierfabrik auch international angeboten werden. Und: Im kommenden Jahr wollen die Bierfabrikanten die Fassreifung stärker forcieren und auch eine Single-Hop-Serie produzieren.

Das Biersortiment Foto: Patrick Albertini
Das Biersortiment
Foto: Patrick Albertini

Bierfabrik Berlin Schabrackentabier: Pale Ale aus dem Großstadtdschungel

Pale Ale der Bierfabrik Berlin
Pale Ale der Bierfabrik Berlin

Es ist soweit! Nach langer und harter Arbeit eröffnen die Macher der Bierfabrik Berlin ihre eigene Brauerei. Auf die Zukunft mit regelmäßigen Bierfeuerwerken wird am Samstag um 13 Uhr in der Beilsteiner Straße in Berlin angestoßen – mit anschließender Führung durch die heiligen Hallen.

Unbedingt solltet ihr entweder bei der Feier in der Hauptstadt oder bei einer anderen Gelegenheit, das Schabrackentabier Pale Ale mit 5,9 Prozent Alkoholgehalt probieren. Gebraut wurde das Pale Ale mit sieben Malzen und sechs Hopfensorten: Centennial, Casacade, Galaxy, Columbus, Chinook und Taurus.

Im Glas strahlt das Ale in einem verführerischen Bernsteinton. In die Nase wehen pure Fruchtnoten von gelben Steinfrüchten wie Mirabelle, Aprikose und Mango. Das samtig weiche Bier umgarnt die Zunge mit süßlichen Aromen des Kernobsts. Anders als im Duft paart sich noch Pampelmuse dazu. Im Abgang rutschen die herrlich-harmonischen Nuancen mit einer abgestimmten Bittere in ein Open-End.

Fazit: Nein, das ist kein wildes Bier aus dem Dschungelcamp, sondern ein besonderes Pale Ale, das auf meiner Skala weit nach vorne hüpft. Absolut fruchtig, süffig und schreit nach mehr. Und was mich besonders freut: Wieder öffnet eine neue Craft-Brauerei und heizt damit den deutschen Biermarkt wieder ein Stück an.