Brauer Portrait: Philipp Ewers – Wilde Experimente am Polarkreis

Düsseldorfer Brauer Philipp Ewers in Island
Düsseldorfer Brauer Philipp Ewers in Island

Wer Philipp Ewers besuchen will, muss einen Trip ans Ende der Welt einkalkulieren. Irgendwo am Rande von Vulkanwüsten, am Ende wilder Küstenstraßen, in wundersamer Fjordlandschaft liegt im Nordwesten von Island, in der Nähe des Küstenstädchens Borgarnes, eine winzige Brauerei. Dort experimentiert der deutsche Brauer mit ungewöhnlichen Suden, die zum Teil schon unrühmliche Weltgeltung erlangten, wie etwa ein zeitweilig verbotenes Walbier. Wie landet ein gebürtiger Düsseldorfer, der nach seiner Brauerlehre noch zehn weitere Jahre in der Alt-Bier-Kultstätte „Schumacher“ in der Altstadt von Düsseldorf traditionellen Sudrezepten folgte, auf einer Vulkaninsel am Rande des Polarkreises? Der 34-Jährige suchte – nach eigenen Worten – Veränderung und Abenteuer. Island reizte ihn schon immer, wie der „Nordmensch“ sagt. Deshalb entschied sich Philipp Ewers über 2000 Kilometer Luftlinie von zuhause entfernt seiner Leidenschaft nachzugehen. Auf seinen Reisen in die Hauptstadt Reykjavik lernte er einige Leute kennen, zu denen er Kontakt hielt und die für ihn die Arbeitslage in den dortigen Brauereien checkten.

Irgendwann gab es dann ein Angebot. Philipp Ewers packe seine Sachen und ging auf die Insel der Elfen, Kobolde und Geysire, um in einer Brauerei in dem Fischerdorf Stykkishólmur einen neuen Job anzunehmen – ein skurriler Ort mit skurriler Geschichte: Sein Vorgänger sei ein Gärtner aus Dänemark gewesen, über dessen Qualitäten geschwiegen wird. Also wurde der Düsseldorfer Brauer mit deutscher Fachausbildung dort mit offenen Armen empfangen. Aber der Sud des Gärtners hat wohl das Image des dortigen Bieres so nachhaltig beeinflusst, dass die Brauerei inzwischen geschlossen wurde. Sein heutiger Chef kaufte die verbliebenen Anlagen und ging mit seinem deutschen Jungbrauer schließlich nach Borgarnes.

Philipp Ewers ist ein Brauer mit Leidenschaft. Wegen seines Berufwunsches machte er nur das Fachabitur. Er wollte lieber Bier produzieren anstatt Bücher zu wälzen. Inspiriert für das Handwerk wurde er von zwei Bekannten, die auch in Sudkesseln rührten. Nun braut er in Island seit rund vier Jahren ganz unterschiedliche Biere unter Verwendung von Edelhölzern, Holunderblüten oder Seegras, manche auch ganz eisern nach dem deutschen Reinheitsgebot. Damit gewann die Brauerei auf der Vulkaninsel viele neue Fans und sorgte mit seinem umstrittenen Wal-Bier für einen weltweiten Skandal mit einem spannenden Nebeneffekt: Ein Deutscher ist auf dem besten Weg, zum Kultbrauer am Polarkreis zu avancieren.

1. Wie kommt man eigentlich als Deutscher dazu, ausgerechnet in Island zu Brauen?

Ich war zweimal hier im Urlaub und habe mich in das Land „verliebt“. Ich bin eher ein „Nordmensch“. Deutschland war mir oft zu heiß, zu stressig und 2010 haben mich dann auch persönliche Gründe dazu gebracht, dass ich mal „raus“ musste. Hin Island wird auch viel und lange gearbeitet, aber auch sehr entspannt. Wenn Du nicht kannst, kannst Du eben nicht, Familie geht vor und wenn es ruhig ist, muss man auch nicht acht Stunden bleiben.

2. Wie entwickelt sich der nordischen Craft-Bier-Markt?

Ich kann da nur für Ísland sprechen. In Anbetracht der Tatsache, dass es hier 300.000 Einwohner und inzwischen neun Brauereien gibt, davon sieben, die ich als „Craft-Brauereien“ bezeichnen würde, und Bier erst seit 1989 legal ist, ist die Situation sehr gut. Zwei der „Craft-Brauereien“ gehören jeweils zu einer der beiden Großbrauereien auf der Insel. Die Brauer gehen teilweise sehr unterschiedliche Wege und versuchen außergewöhnlichere Biere bekannter zu machen, was das Angebot sehr interessant macht. Grundsätzlich sind auch hier im Moment IPA´s sehr „in“. Und es gibt wirklich sehr gute hier! Ich muss allerdings zugeben, IPA´s sind nicht „mein Bier“ ;-). Deshalb versuche ich etwas anderes zu machen. Was aber nicht heißt, dass ich keine IPA´s mag.

3. Was hältst du von der deutschen Craft-Bier-Bewegung?

Zugegeben bin ich da nicht besonders gut im Bilde. Ich finde es allgemein sehr gut, wenn kleine Brauereien entstehen und dazu beitragen, die „Geschmackspalette“ zu erweitern. Egal, wo das auf der Welt passiert.

4. In den USA werden Craft-Brauer regional fast wie Helden gefeiert. Welches Image haben Brauer in Island?

Schwer zu sagen, wahrscheinlich ähnlich wie in Deutschland. Dazu fallen mir Gespräche ein, die ich so schon öfter hatte: „Was machst Du beruflich?“ „Ich bin Brauer.“ „Was? Bauer?“ „Nein, ich mache Bier!“ „Ach, das ist cool…“ Evtl. ist es in Island noch etwas außergewöhnlicher ein Brauer zu sein. Helden? Mag sein, teilweise… Ich tue mich schwer, das für mich so zu sehen, ich tu mein Bestes, mal klappt´s, mal nicht. Es ist auch das erste Mal, dass ich so was mache.

5. Wie kamst du auf die Idee ausgerechnet ein Wal-Bier zu produzieren? War das nur ein Marketinggag oder ein kultureller Hintergrund zu dem isländischen Traditionsfest „Thorrablot“?

Ich denke, es ist ein wenig von Beidem. Die Idee mit dem Walmehl kam von meinem Chef. Er hat mich gefragt, ob es möglich sei und ob ich das machen würde. Ich fand es eine interessante Herausforderung, gerade in der Tradition des Þorrablót. Wenn man Ìsland und das traditionelle, alte isländische Essen kennt und zu schätzen weiß, sagen wir mal, Spaß daran hat, dann kann man dieses Bier besser verstehen…

7. Wie hat sich das Verbot des Bieres auf das Image der Brauerei ausgewirkt?

In Ìsland oder „weltweit“? 😉 Erst mal ist das Bier ja nur für kurze Zeit verboten gewesen. Wir haben am Tag des Verkaufsbeginns der Þorra-Biere die Erlaubnis bekommen es zu verkaufen. Inzwischen ist das Bier sogar im Labor untersucht worden und, wie zu erwarten, vollkommen unbedenklich für den Verzehr. Ich muss hier auch einmal darauf hinweisen, dass es in Island wenig, leider kann man nicht sagen gar keine, Massentierhaltung gibt. Meines Wissens kommt auch kein Fleisch in den Verkauf, das unter neun Monaten antibiotikafrei ist. Schafe sind hier fast wilde Tiere. Ja, es werden Wale gefangen… Ich möchte damit jetzt nicht den Rahmen sprengen.

Zurück zur Frage: Zumindest in Ìsland kennen uns jetzt die Meisten und es sind auch mit Sicherheit einige Leute sauer auf uns wegen dieses Bieres. Davon gab es ungefähr 5.000 Liter, also 15.000 Flaschen, wovon sich etwa 8.000 schon in der ersten Woche verkauft haben, wahrscheinlich zirka 50 ins Ausland. Es ist schon sehr amüsant, aber auch traurig, gleichzeitig zu sehen, wie aus diesem Bier eine Geschichte über Islands letzten Walfänger wird. Angeblich ein letzter Versuch, das wegen des EU-Boykotts auf Walprodukte, unverkaufbare Walfleisch loszuwerden. Das ist alles haarsträubender Unfug und ein Grund, am über die ganze Situation nachzudenken…

8. Eure Steðja-Biere werden hauptsächlich nach dem deutschen Reinheitsgebot gebraut. Wie wichtig findest du die Einhaltung solcher Regeln in der Zukunft?

Ich finde, dass das Reinheitsgebot eigentlich erst in jüngster Zeit wieder Sinn macht. 1516 ging es doch nicht um gentechnisch veränderte Pflanzen oder künstliche Aromen, oder isomerisierte Hopfenprodukte, sondern, meines Erachtens, eher darum, Heiden in ihrem Aberglauben einzuschränken. Ich verwende für meine Experimentalbiere nur natürliche Zutaten, wie Süßholz (Lakritze), Erdbeeren oder Holunderblüten. Unser Osterbier ist dieses Jahr mit Kakao und Seegras (Þari) gebraut, das entspricht auch nicht dem Reinheitsgebot, kommt aber hier aus dem kristallklaren Beiðarfjörð und ist mehrfach – auch Öko-zertifiziert.

Brugghús Steðja: Wie schmeckt denn nun dieses verbotene isländische Walbier?

Eine Sache muss ich unbedingt vorweg klar stellen: Auf gar keinen Fall bin ich eine Befürworterin des grausamen Walfangs. Ich verachte das sinnlose Abschlachten von Lebewesen! Ich bin keine Veganerin und auch keine Vegetarierin, achte aber als Genussfrau auf das, was auf den Teller kommt. Mein Fleisch hole ich von regionalen Bauern um keine Massentierhaltung zu unterstützen. Versteht mich bitte nicht falsch, aber ich sehe es als meine Aufgabe als Journalistin und Bloggerin meinen Leser auch gute Geschichten über außergewöhnliche Biere und den Machern dahinter zu präsentieren. Deswegen bestellte ich mir direkt aus dem isländischen Brugghús Steðja das umstrittene und inzwischen verbotene Finnwalbier „Hvalur Þorrabjór Steðja“. Die Meldung über dieses Ale ging inzwischen um die ganze Welt und rief Proteststürme von Tierschützern hervor. Das Islandbier gilt seitdem als Gipfel der Geschmacklosigkeit.

In keinem Fall möchte ich die Brauerei dafür hochjubeln, dass sie mit Walmehl braute. Doch gibt es sicherlich einige unter meinen Lesern, die sich fragen, wie dieses Bier aussieht, wie es riecht und wie es schmeckt. Hintergrund zu dem Walgetränk: Produziert haben die Isländer dieses Lager Ale nur für ihr nordgermanisches Opferfest „Thorrablot“. Die Feier stammt aus der Zeit der Wickinger und wurde im 19. Jahrhundert von den Inselbewohnern als Teil der Volkskultur wieder belebt. In dem Fest-Zeitraum von Januar bis Februar werden viele Bräuche festlich zelebriert. So wie in etwa bei uns die Kirta-Gans, die Weihnachtsente oder die Ochsenbraten auf dem Oktoberfest.

Das soll keineswegs eine Entschuldigung für die Produktion des Hvalur Þorrabjór Steðja sein. Aber keineswegs wurden Finnwale nur wegen einer geplanten Bierproduktion getötet. Island verfügt über eine international genehmigte Fangquote. Das proteinreiche Walmehl, das angeblich nur in homöopathischen Dossierungen beim Brauprozess der Isländer eingesetzt wurde, entsteht als Nebenprodukt beim Auskochen des Fleisches zur Ölgewinnung.

Walbier
Walbier

Kommen wir nun zum Bier, das der 32-jährige Düsseldorfer Braumeister und Wahlisländer Philip Ewers in dem kleinen Hafenort Stykkishólmur nördlich von Reykjavik kreiert hat. Farblich glänzt das 5,2prozentige Ale in einem kräftigen Kirschrot, der Schaum verflüchtigt sich schnell. Wer dann einen Geruch von Meeresgetier erwartet, dürfte enttäuscht sein. Es riecht malzig, mit leichter Dominanz von Röstaromen – fast wie geräucherter Speck. Im Mund ist das Bier sehr fein und mild, was wohl mit dem isländischen Quellwasser zusammenhängt. Es schmeckt etwas herb nach nordischen Steinbeeren, aber auch süßlich nach Malz. Ungewöhnliche Aromen spielen mit, aber ob diese nun vom Walmehl kommen, kann ich nicht beurteilen. Ich bin zwar vor einigen Jahren mal in einem Hafenrestaurant in Reykjavik in die Situation geraten, Finnwalfleisch probieren zu müssen, aber die Erinnerung daran ist verschollen.

Fazit: „Hvalur Þorrabjór Steðja“ ist für deutsche Gaumen gar nicht mal so ungewöhnlich, dürfte aber vor allem Nordmänner und Wikingerfrauen begeistern, die sich auf das isländische Thorrablot Festival freuen. Wer ein ungewöhnliches Bier erwartet, sollte sich anderweitig orientieren. Denkt man sich den Wal mal weg, dann findet man ein handwerklich korrekt gebrautes Bier vor. Das ganze war wohl eher eine wilde Idee, die einer kleinen Craft-Brauerei in einem winzigen Absatzmarkt einen riesigen Marketingerfolg beschert hat.