Brauer als Brandmeister

Bier-Brand, Hopfen-Gin oder Doppelbock-Elixiere: Immer mehr Brauer steigen mit ungewöhnlichen Destillaten ins Spirituosen-Business ein und schaffen sich mit ihren klassischen Rohstoffen ein zweites Standbein.

Credit: Steven P. Carnarius

Wann genau die ersten Braumeister aus ihren Suden hochprozentige Brände destillierten, weiß bis heute eigentlich niemand so recht. Aber wahrscheinlich waren es wieder mal schlaue Mönche, die früher schließlich alles aus dem Garten Gottes in Alkoholika verwandelten. Erst viel später haben findige Brauer ihre misslungenen Gerstensäfte retten wollen und zu Schnaps verarbeitet. Das Ergebnis dieser Resteverwertung waren meist hochprozentige Rachenputzer, die so manchen Konsumenten in die Knie zwangen.

Was heute aus den Alchimistenküchen der Craft- und Spezialitätenbrauer in die Regale kommt, hat mit diesem Ursprungsgesöff nicht mehr viel zu tun. Wenn Nachwuchsbrenner der Kreativbierszene heute ihr Portfolio mit Genussbränden erweitern, dann setzen sie auf höchste Produktqualität und verwenden dabei meist Rohstoffe aus eigener Produktion. Die Vielfalt der Destillate reicht dabei vom fruchtigem IPA-Brand über hopfengestopften Gin, vom Brandy mit Brettanomyces-Hefe bis zum Whisky aus dem Stout-Fass. Um ihre Genusspalette zu komplettieren, entwickeln immer mehr Brauer gemeinsam mit Profibrennern ihre bierspezifischen Destillate oder investieren gleich in eigenes Brenn-Equipment. Dass die Qualität solcher Elixiere seit Jahren immer besser wird, bestätigt auch der Bamberger Bier- und Edelbrandsommelier Markus Raupach: „Vor allem Bierbrände kommen allmählich aus dem einstigen Schmuddel-Image raus und zeigen ganz neue Genusswelten auf.“ Für Raupach hat der neuerliche Qualitätsschub einen einfachen Grund. Seitdem 2018 das alte Branntweinmonopol in Deutschland gefallen ist, werden Brenner nicht mehr staatlich subventioniert, sondern müssen ihre Produkte selbst an den Konsumenten bringen. Seitdem würden der Qualitätsanspruch und die Lust am Experimentieren deutlich steigen.

Dieses Stadium haben amerikanische Brauer längst hinter sich und überraschen seit Jahren beim Laborieren mit Hochprozentigem durch immer neue Variationen. Eine der ersten US-Brauereien, die sich an die Brennblasen wagte, war die Anchor Brewing Company in San Francisco, dessen Macher vor rund 26 Jahren eine Kleinbrennerei unter dem Firmennamen Anchor Distilling eröffneten. Direkt neben der Braustätte begann ein professionelles Team damals die Produktion eines Single Malt Whisky namens „Old Potrero“, den die Brandmeister aus 100 Prozent Roggen in echten Pot Stills destillierten. Inzwischen gibt es den kalifornischen Whisky mit edler Aufmachung in zahlreichen Ausführungen.

Dass Brauer auch Whisky produzieren, ist nicht abwegig. Schließlich ist die Bierherstellung eine Vorstufe der Malt-Whisky-Produktion, denn bis auf die Destillation sind viele Arbeitsgänge gleich. Besondere Interpretationen dieses Brandes legt Dogfish Head Brewing aus Milton vor. Diese basieren meist auf einem speziell eingebrauten, besonders kräftigen Spezialsud. Derzeit führt Dogfish neben einem in Rumfässern gelagerten Malt Whisky, rund ein Dutzend weiterer Brände im Portfolio: Erdnuss-Wodka, Apfel-Brandy oder einen mit Cascade-Hopfen gebrannten Gin. Der Wodka stützt sich auf vorhandenes Braumalz, der Brandy wurde mit Brettanomyces-Hefe vergoren. „Wir nutzen jeden kreativen Ansatz, um neue und ungewöhnliche Ideen bis an die äußerste Grenze zu treiben“, sagt Dogfish Head-Chef Sam Calagione.

Inzwischen entdecken aber auch vermehrt deutsche Brauer die Liebe zur eigenen Spirituose und sammeln damit erste Auszeichnungen ein. Zahlreiche Ehrungen konnte beispielsweise der Elch Bräu in der fränkischen Schweiz verbuchen. Mit seiner 1.000-Liter-Brennblase experimentiert Brauerei- und Brennerei-Chef Georg Kugler an ganz individuellen Destillaten. In uralten Felsenkellern lässt der fränkische Bier- und Edelbrandsommelier neben Williams-, Quitten- und Kirsch-Spirituosen auch feinste Brände aus Torfmalz und Bockbier schlummern. Kuglers Ziel ist es, sich künftig noch mehr mit Whisky zu beschäftigen.

Da hat die badische Staatsbrauerei Rothaus aus dem Schwarzwald dem Franken schon etwas voraus. Braumeister Max Sachs entwickelte schon vor knapp 15 Jahren die Idee, einen „Black Forest Single Malt Whisky“ mit regionalem Touch herzustellen. Da die Braustätte aber kein Brennrecht besaß, taten sich die Badenser mit der Destille Kammer-Kirsch aus Karlsruhe zusammen. Mit klarem Schwarzwaldwasser und heimischem Braumalz maischt Sachs ein, lässt die hochkonzentrierte Würze vergären und überführt das Produkt anschließend zur Brennerei, wo es destilliert wird und zur Vollendung mindestens drei Jahre in Ex-Bourbon-Fässern reift.

Stephan Michel von Mahrs Bräu. Credit: Steven P. Carnarius

Auch Stephan Michel, Chef vom Mahrs Bräu in Bamberg, setzt auf Single Malt Whisky. Der ehrgeizige Franke investierte gleich in eine vollautomatische, hauseigene Brennerei, in der die Sprit-Crew jetzt den Mahrs-Whisky vierfach brennt, drei Jahre in französische Barriques packt und anschließend in Rum-, Cognac- oder Sherry-Fässern veredelt. „Unser Whisky ist nichts für normale Single Malt-Freaks“, urteilt Mahrs-Chef Michel, „er besticht eher durch ein mildes Vanillearoma und ist auch an weibliche Zielgruppen gerichtet.“ Für seine bereits seit längerem produzierten Bier-Destillate plant der Bamberger künftig ein eigenes Label.

Credit: Schlenkerla

Aber was genau ist eigentlich ein Bierbrand? Die Spirituose, darf nur dann so bezeichnet werden, wenn sie durch die Destillation von frischem Bier entsteht und geschmackliche Merkmale vom Grundprodukt vorlegt. Stiltypisch dafür sind etwa die Brände der Rauchbierbrauerei Schlenkerla in Bamberg, die nach der Destillation ihren unverkennbaren Rauchgeschmack vorweisen. Seit kurzem gibt es den Trunk auch in einer weiteren Variante: das Destillat lagert auf Rauchmalz und bekommt dadurch eine ähnliche Farbe und ein ähnliches Aroma wie ein schottischer Whisky. Laut Schlenkerla-Chef Matthias Trum ist dieses Verfahren einzigartig bei der Herstellung von Bierbränden, sodass er es bereits patentieren ließ. Für ihn ist klar: „Durch solche Brände wird die Kulinarik des Bieres deutlich erweitert.“

Bei den Spielmöglichkeiten mit Hopfen und Malz sind der Experimentierfreude bei Bierbränden kaum Grenzen gesetzt. So lassen etwa die Macher vom Stiegl-Gut Wildshut in Österreich ihren „Urbierbrand“ in speziellen georgischen Amphoren reifen, während ein Kreativ-Brauer wie Christian Hans Müller von Hanscraft aus Aschaffenburg sein 40-prozentiges Bierdestillat „Saison Julie“ im Spessart-Eichenfass für ein zart-cremiges Aroma und ein kernig-malziges Finish schlummern lässt. Auch das Craft-Label „Von Freude“ aus Hamburg rühmt sich mit einem Bierbrand namens „Glasklar“. Die Chefs beschreiben das Produkt als Essenz ihres Bieres „Ale Primeur“, das einen hopfig-malzigen Duft von reifen Steinfrüchten und Karamell besitzt.

Und die Munich Brew Mafia setzt bei der Produktion ihres „Manolo Pistolo“ auf ein stark gehopftes Pale Ale als Grundbier für den Brand. Braumeister Dario Stieren wertet sein hochprozentiges Produkt als genussvolle Ergänzung zum Bier-Portfolio und hält es nicht für ausgeschlossen, dass von seinem Team noch mehr Hochprozentiges kommt: „Es gibt hochspannende Synergien zwischen Bier und Spirituose, so könnte unser Brand beispielsweise auch als Grundstoff für Liköre oder andere Geister dienen.“

Auch Craft-Tausendsassa David Hertl hat den Trend zu härteren Drinks schnell ertastet. In seiner Braumanufaktur im fränkischen Schlüsselfeld begann er unlängst mit einem IPA-Brand und produziert jetzt auch einen Hopfen-Gin. Als Basis dient ein Bierdestillat, das mit mazeriertem Zitronengras, Wacholder, Hopfen und Malz versehen wird und sechs Wochen reift. Anschließend stopft Hertl den Gin noch mit den Hopfensorten Sorachi Ace und Mandarina Bavaria – so bekommt die Wacholder-Spirituose ein süßliches Aroma von Kokos und Orange. Aktuell entwirft er dazu noch ein passendes Hop-Tonic-Water. Aber warum macht er das Alles? „An der Brennblase mit unseren Rohstoffen zu spielen, ist im Leben eines Brauers einfach einen Riesenspaß“, jubiliert der quirlige Jungbrauer.

Credit: Braumanufaktur Hertl

Erschienen im Meininger’s CRAFT Magazin für Bierkultur.

Partnerprogramm: Riegele BierManufaktur stellt neues holzfassgereiftes Jahrgangsbier vor

Riegele_Magnus 18[Sponsored Post] Seit Jahren steht die Riegele BierManufaktur für ausgefallene Brauspezialitäten, Kreativität und Qualität. Auch 2018 haben sich die Brauer um Braumeister Frank Müller und Biersommelier-Weltmeister Sebastian Priller-Riegele einem Thema gewidmet, das in der Branche als Königsklasse gilt: der Holzfassreifung. Die vierte Kreation aus der Jahrgangsbier-Reihe „Magnus“ besticht – laut Herstellern – mit weinbrandinspirierten Sauernoten und Nuancen von Banane, Vanille, Honig und Eichenholz. „Fruchtig im Anklang, überraschend in der Säure und geheimnisvoll in der Erinnerung“ beschreibt Sebastian Priller-Riegele die Kreation Magnus 18 „Edition Brandy“. Wildhefen sorgen in Kombination mit zwei obergärigen Spezialhefen aus der Riegele-Hefesammlung für die säuerliche Komplexität dieses Jahrgangs. Die Lagerung auf Holz ist ursächlich für die weichen, sahnigen Vanillenuancen, die einen Gegenpol zu den weinbrandinspirierten Sauernoten bilden. Feine Aromen werden von einem vielschichtigen Körper getragen, der im zweiten Gärvorgang entsteht. Sie entfalten sich optimal bei einer Trinktemperatur von 16 Grad Celsius.