Privatbrauerei Zötler: Witbier aus dem Allgäu

Witbiere gehören für mich eigentlich eher in die Range der Sommerbiere. Doch die Version von der Privatbrauerei Zötler in Rettenberg im Allgäu präsentiert so ein tolles Aroma, dass ich sie meinen Freunden kürzlich als Aperitif einschenkte. „Herzsolo“ ist eine Hommage von Brauereichef Niklas Zötler an seinen Großvater Herbert Zötler II., der nicht nur ein außergewöhnlicher und charakterstarker Mann gewesen sein soll, sondern auch ein begeisterter Kartenspieler. Er hat wohl keine Gelegenheit ausgelassen, wenn es darum ging mit Freunden oder Kunden eine Partie Schafkopf zu spielen und meistens hat er angeblich gewonnen.

Bei dem Bier handelt es sich um hellgelben, opalenen, obergärigen Sud mit 5,2 Prozent Alkohol. Gebraut ist er mit Pilsner und hellem Weizenmalz sowie mit den Hopfensorten Magnum, Cascade, Centennial, Polaris und Mandarina Bavaria. „Herzsolo“ ist hopfengestopft und vergoren mit belgischer Witbier – und Zötler Weizen-Hefe. So duftet das Bier sanft malzig sowie fruchtig nach Banane mit würzigen und kräuterartigen Anklängen. Ein Hauch von Eisbonbon gesellt sich dazu. Im Mundraum zeigt sich „Herzsolo“ prickelnd und schlank mit einer zarten Malzsüße sowie mit fruchtigen Noten von Banane. Auch hier dringen würzige und kräuterartige Anklänge durch. Das Finale ist lang und aromatisch. Es zeigt sich einen dezent Hopfenbittere mit 33 Bittereinheiten.

Fazit: Eine tolle Interpretation eines Witbieres, in dem zwar stiltypisch noch Orangenschalen und Koriander stecken müssten, das aber auch ohne diese Rohstoffe eine volle Bandbreite der Aromen vorlegt. Macht sich super als Aperitif oder aber als schlanker Begleiter zu leichten Fischgerichten.

Generationswechsel: Echtheit, Genuss und Lebensfreude

Niklas Zötler, Katharina Waldhecker und Johannes Ehrnsperger (v.l.)

Eine neue Generation von Brauern und Brauerinnen stürzt sich mutig ins Abenteuer, das Erbe ihrer Vorväter anzutreten. Welche Ziele verfolgen sie dabei, was wollen sie anders machen und mit welcher Strategie treten sie an, um sich auf einem schwierigen gewordenen Markt zu behaupten?

Jung, dynamisch, ehrgeizig: Töchter und Söhne traditioneller Brauereien übernehmen die Betriebe ihrer Vorfahren. Wie etwa Jungunternehmer Niklas Zötler (35), der seit nun knapp vier Jahren die Privatbrauerei Zötler in Rettenberg im Allgäu in 21. Generation führt. Aber auch Johannes Ehrnsperger (31) von der Bio-Brauerei Lammsbräu in Neumarkt in der Oberpfalz, der auf Enkeltauglichkeit setzt und Umweltschutz in der Flasche verkauft. Katharina Waldhecker (27) von der Brauerei Bauhöfer in Ulm hat ihre Marke nach der Übernahme vor rund einem Jahr komplett neu gedacht und steckt mitten im Modernisierungsprozess.

Ein Generationswechsel im Unternehmen ist häufig eine Herausforderung für alle Beteiligten. War es Ihre Entscheidung, die Brauerei zu übernehmen oder hat Sie dabei Ihre Familie beeinflusst und gelenkt?

Johannes Ehrnsperger: Dazu gedrängt wurde ich nie, aber wenn man in ein Unternehmen reingeboren wird, dann prägt das natürlich. Ich habe zwei ältere Schwestern, die wollten die Brauerei aber nicht übernehmen und hatten andere Pläne. Ich konnte mir das, je älter ich wurde, hingegen gut vorstellen.

Katharina Waldhecker: Auch meine Familie hat mir die Entscheidung zum Glück selbst überlassen. Es war allerdings ein längerer Prozess, bis ich mich final entschieden habe. Mit meinem Großvater habe ich früher schon Bierdeckel-Häuser gebaut und bin in der Brauerei rumgehüpft. Das sind positive Erfahrungen, die sich tief in mir abgelegt haben. Trotzdem war es für mich nicht immer klar, diesen Schritt zu gehen…

…und bei Ihnen, Herr Zötler?

Niklas Zötler: Bei mir war das etwas anders. Eine Erwartungshaltung von Teilen aus der Familie und der Öffentlichkeit gab es schon. Meine Schwester oder meine Cousinen wären ja auch für die Nachfolge in Frage gekommen. Aber für meinen Opa war ich als erster männlicher Nachkomme schon immer der Kronprinz. Meine Eltern haben jedoch nie Druck ausgeübt und keine Forderungen gestellt. Im Gegenteil. Mein Vater hat mir eher vermittelt, dass ich den Weg nur einschlagen sollte, wenn ich mich auch bereit dazu fühle und die notwendige Leidenschaft mitbringe.

Was hat Sie schließlich bewogen, die Herausforderung anzunehmen?

Niklas Zötler: Ich habe erst mal Betriebswirtschaft studiert, um mich nicht zu sehr einzuengen. In dieser Zeit ist mir bewusst geworden, dass ich den Braumeister machen möchte, um eine technische Grundlage zu schaffen. Als ich dann noch den Biersommelier draufgesetzt und noch mehr über Biervielfalt und Sensorik gelernt hab, war das Feuer vollständig entfacht.

Hätten Sie sich vorstellen können, auch etwas ganz anderes zu machen, Herr Ehrnsperger?

Johannes Ehrnsperger: Nein, bei mir stand eigentlich schon nach der Schule fest, dass ich die Brauerei übernehmen möchte. Beim BWL-Studium hat sich der Gedanke nochmal verfestigt. Die Übernahme lief allerdings nicht in direkter Linie, weil zwischen meinem Vater und mir ein Altersunterschied von 44 Jahre liegt. So haben wir für einige Jahre die Geschäftsführung bewusst in externe Hände gelegt.

Katharina Waldhecker: Ich habe auch erst mal BWL studiert und dann aber eine Tanzkarriere am Broadway in New York angepeilt. Mit 23, als ich den Bachelor gemacht hatte, habe ich mich überhaupt noch nicht bereit gefühlt, die Brauerei zu übernehmen. Mir war klar, was da für ein Lebenswerk dahintersteckt.

Wie wurden Sie auf die Aufgabe als Brauereichef*in vorbereitet? Hat Ihr Vater schon früh den geschäftlichen Rahmen für das Erbe geschaffen?

Johannes Ehrnsperger: Ich wurde schon während des Studiums in strategische Entscheidungen eingebunden, sodass die wichtigen Weichen im Austausch bereits in meinem Sinne gestellt werden konnten. Ich habe dann auch immer überlegt, was ich tun würde, wenn ich das allein entscheiden müsste. Zudem ist mein Vater jemand, der sehr langfristig denkt. Er hat sich vor 40 Jahren schon einen Lebensplan geschrieben, wo drinsteht, dass er mit 75 Jahren alle Anteile am Unternehmen, Entscheidungen und Verantwortungen abgegeben haben möchte. Das hat er konsequent durchgezogen.

Lässt er Sie machen oder will er noch mitreden?

Johannes Ehrnsperger: Dadurch, dass die Geschäftsführung bei meinem Einstieg schon ein paar Jahre in anderen Händen lag, hatte er sowieso schon eine Rolle im Hintergrund eingenommen. Meine Vorgängerin und ich haben dann ein Jahr gemeinsam die Geschäfte geführt, da durfte ich nochmal wahnsinnig viel lernen. Heute nutze ich aber bei wichtigen strategischen Entscheidungen gern noch den Rat meines Vaters.

Niklas Zötler: Mein Vater und ich haben uns für eine komplette Übergabe entschieden, das heißt, er ist an dem einen Tag als Geschäftsführer zurückgetreten, an dem ich übernommen habe. Für ihn war das genauso ein Entwicklungsprozess wie für mich. Er hat die Verantwortung nach 34 Jahren als alleiniger Chef abgegeben und ich war auf einmal in der finalen Entscheider-Rolle. Wir haben das zusammen super hinbekommen und auf seinen Erfahrungsschatz greife ich immer noch gerne zurück.

Wie haben Sie das als junge Frau erlebt?

Katharina Waldhecker: Wir hatten zwischen mir und meinem Opa einen externen Geschäftsführer in dessen Fußstapfen ich getreten bin. Er war zwanzig Jahre da und ist nach wie vor in beratender Funktion tätig. Da nimmt man viel mit, aber grundsätzlich denke ich, dass einen niemand direkt auf so eine Aufgabe vorbereiten kann.

Niklas Zötler: Das sehe ich auch so. Man trifft einfach ganz viele Entscheidungen zum ersten Mal und muss daher häufig ‚ins kalte Wasser springen‘. Gerade deswegen ist es doch echt spannend, wenn man zurückblickt und feststellt, heute würde man manche Entscheidungen vielleicht ganz anders treffen. Man merkt dadurch schnell, dass man Konsequenzen aus Entscheidungen nicht vorhersehen kann und dass man auch Fehler machen darf.

Herr Ehrnsperger, haben sie ähnliche Erfahrungen gemacht?

Johannes Ehrnsperger: Klar, aber für mich ist das die größte Challenge, weil ich, wie wahrscheinlich jeder junge Chef, natürlich keine Fehler und meine Aufgaben perfekt machen will. Aber: Lieber Fehler machen und Entscheidungen treffen, als passiv zu reagieren. Gerade dieser Spagat ist für mich täglich eine der größten Herausforderungen.

Katharina Waldhecker: Sehe ich genau so, denn am Ende müssen wir als Chefs den Kopf sowieso hinhalten. Das war die erste Lehre, die ich aus dem Job mitgenommen habe. Einfach machen, was ich im Moment für richtig halte…

…das erfordert Mut!

Niklas Zötler: Sicher, man lernt schließlich nie aus. Genau dieses kontinuierliche Lernen an mir selbst zu beobachten, macht mir viel Freude.

Welche Werte und welche Unternehmensphilosophie leben Sie fort?

Katharina Waldhecker: Die Philosophie eines Unternehmens muss keiner neu erfinden, die ist ja bereits da. Wichtiger ist doch, dass man darüber spricht. Genau das kam bei uns lange genug zu kurz. Ich versuche jetzt, verstärkt nach außen zu kommunizieren, dass wir ein Familienbetrieb sind.

Johannes Ehrnsperger: Ich glaube auch, dass jeder von uns die Philosophie eines Unternehmens mit langer Tradition bewusst weitertragen will. Dafür stehen doch erfolgreiche Unternehmen.

Niklas Zötler: Es ist ganz wichtig, schon vor der Übernahme zu verstehen, was die DNA des Unternehmens ist. Als Nachfolger transformiert man diese durch die eigenen Überzeugungen und den Führungsstil in die Gegenwart. Bei uns findet gerade ein starker Wandel statt und gleichzeitig bleiben essentielle Werte wie Heimatverbundenheit und Wertschätzung erhalten.

Was machen Sie denn nun anders als Ihre Vorgänger?

Niklas Zötler: Familienunternehmer sind meiner Meinung nach Typen, die sich durch ihre eigene Persönlichkeit in den Betrieb einbringen. Ehrlich gesagt sind mein Vater und ich wie Tag und Nacht. Ich bin viel emotionaler und leidenschaftlicher, ein Bauchmensch, dafür meist chaotisch und wälze Entscheidungen gern. Mein Vater akzeptiert mich aber so, obwohl ich auch einen anderen Spirit bei der Personalführung pflege.

Johannes Ehrnsperger: Bei uns hat sich die Kultur des Unternehmens geändert, weil die Familie wieder direkt am Ruder sitzt.

Frau Waldhecker, ganz offensichtlich haben Sie einiges umgekrempelt.

Katharina Waldhecker: Absolut, ich habe dem Familienunternehmen einen neuen, frischeren Auftritt gegeben und die Unternehmermarke in den Vordergrund gerückt. So zeigen wir auch eine andere Außenwirkung.

Haben Sie vor der Übernahme der Brauerei Erfahrungen in anderen Unternehmen gewinnen können, die sie jetzt einbringen können?

Katharina Waldhecker: Nach meiner Tanz-Zeit war ich zuerst beim Hofbräu in Traunstein im Vertrieb und Marketing tätig. Das war eine gute Schule, weil Bier in Bayern anders gelebt wird als bei uns in Baden-Württemberg. Aus Traunstein habe ich die Leidenschaft fürs Bier mitgenommen. Danach war ich noch bei der Dinkelacker Brauerei in Stuttgart. Erst mal woanders reinzuschnuppern hat mir echt geholfen und war viel Wert.

Johannes Ehrnsperger: Das kann ich nur unterstreichen. Ich habe nach meinem BWL-Bachelor noch ein duales Studium der Brau- und Getränketechnologie gemacht. Aber schon während des Studiums war es meine Intention, durch Praktika viele andere Bereiche und andere Branchen kennenzulernen. Die zusätzliche studienbegleitende Brauer- und Mälzerlehre bei der Distelhäuser Brauerei war aber ebenso wertvoll, zumal man als Azubi eine andere Perspektive gewinnt.  

Der deutsche Biermarkt wird sich bei sinkendem Bierkonsum wohl auch künftig ziemlich kompliziert gestalten. Welche Herausforderungen bedeutet das für Sie?

Niklas Zötler: Auch wenn der Konsum von Industrie- und Massenbier zurückgeht, sehe ich den deutschen Biermarkt definitiv nicht auf einem absteigenden Ast. Wir drei hier repräsentieren grundsolide Unternehmen, die vor allem darauf achten müssen, das Wachstum zu managen. Dabei profitieren wir ganz klar vom Trend zu regionalen Lebensmitteln. Ich habe absolut keinen Grund zu jammern.

Johannes Ehrnsperger: Ich kann mich auch nicht beschweren, was die Entwicklung unserer Brauerei betrifft. Corona war für manche in der Branche ein Brandbeschleuniger. Aber Unternehmen, die starke Marken präsentieren und gut positioniert sind, gehen gestärkt aus der Situation heraus. Das Grundproblem der hiesigen Branche sehe ich darin, dass viele Brauereien kopieren. Gerade bringt jeder ein Helles in der Euroflasche und im blauen Kasten raus, da wird’s dann irgendwann eng. Es ist doch viel sinnvoller, auf seine individuelle Einzigartigkeit zu setzen. Bei uns ist das die Nachhaltigkeit, also Enkeltauglichkeit. Wir verkaufen gewissermaßen genussvollen Umweltschutz in der Flasche.

Welcher Strategie folgen Sie, Frau Waldhecker?

Katharina Waldhecker: Ich sehe das ähnlich wie Johannes. Der Bierkonsum nimmt ab, aber genau deswegen ist es unsere Aufgabe, uns vom Wettbewerb abzusetzen und unsere Kunden mit individuellen Bierspezialitäten zu überzeugen.

Niklas Zötler: Ich bin mir auch sicher, dass gerade Authentizität und Transparenz für die jungen Generationen sehr wichtig ist. Unsere Bedürfnisse können wir als Familienbrauereien sehr gut befriedigen. Eine direkte Kommunikation zwischen Kunde und Brauerei über die verschiedenen Social-Media-Kanäle hilft hierbei natürlich.

Was macht einen gut gerüsteten Brauereibetrieb in turbulenten Zeiten aus? Mit welchen Visionen wollen sie die Weichen für die Zukunft stellen?

Katharina Waldhecker: Wir sind grundsätzlich noch am Anfang eines Modernisierungsprozesses mit ganz vielen to-dos in allen Bereichen wie Markenmanagement, Investitionsmanagement und Digitalisierung.

Johannes Ehrnsperger: Wir haben unseren Visionsprozess bereits durchlaufen und sehen Lammsbräu nicht nur als einen kleinen, enkeltauglichen Kosmos. Wir wollen als Leuchtturm fungieren, der auch andere Brauereien für Qualität und eine ökologische Lebensmittelherstellung begeistert und inspiriert.

Niklas Zötler: Eine starke Marke und eine klare transparente Preispolitik führen zu langfristigem Erfolg und geben uns die Möglichkeit erfolgreich zu wirtschaften. So können wir uns auch mit Nachhaltigkeit beschäftigen. Spätestens 2030 wollen wir klimaneutral produzieren. Wir optimieren und digitalisieren unsere Prozesse. Aber das Wichtigste ist, charakterstarke sowie qualitativ hochwertige Biere zu brauen und dabei eines nie aus den Augen zu verlieren: Genuss und Lebensfreude schaffen.

Erschienen im Meininger’s CRAFT Magazin für Bierkultur.