Brauerei Göller: Senkrechtstart mit Bierkalender

Regionalität, Spaß-Events und Craftbier-Initiative: Ein junges Team aus den drei unterfränkischen Brüdern Fritz, Max und Felix Göller beweist, wie eine mehr als 500 Jahre alte Traditionsbrauerei mit neuen Ideen und kreativen Suden auf Erfolgskurs fahren kann. Ein Portrait.

Die Göllers.

Das Frankenland gilt als das Bier-Eldorado schlechthin. In keiner anderen deutschen Region gibt es mit rund 300 Betrieben so viele Brauereien wie im Nordosten des Freistaats Bayern. Eine der ältesten Braustätten finden Gerstensaftfans im unterfränkischen Zeil am Main, zwischen Schweinfurt und Bamberg gelegen. Hier, wo im 17. Jahrhundert noch Hexen verbrannt wurden und sich romantische Gassen mit Kopfsteinpflaster an alten Fachwerkhäusern vorbeischlängeln, befindet sich direkt in der Altstadt die mehr als 500 Jahre alte Brauerei Göller. Nach langer Familientradition leitet heute eine neue Generation das Unternehmen und überrascht immer wieder mit unkonventionellen Ideen. „Unsere Eltern haben uns einen erfolgreichen Betrieb überlassen“, sagt der 30-jährige Max Göller, „trotzdem haben wir vieles noch verbessert und verändert um die Weichen in die Zukunft zu stellen.“

So haben die Geschwister zunächst das Sudhaus weiter modernisiert, das Sortiment mit Kreativ-Bieren aufgefüllt sowie die urige Brauereigaststätte „Zum Hirschen“, einschließlich Biergarten für 400 Gäste, nach langjähriger Verpachtung wieder in Eigenregie übernommen. Auch den Ausstoß konnte das Nachfolgeteam auf 50.000 Hektoliter Bier und 10.000 Hektoliter alkoholfreie Getränke steigern. Den drei Brüdern, die früher schon in den Schulferien ihrem Vater in der Brauerei geholfen haben, war schon im Jugendalter klar, dass sie irgendwann gemeinsam das Familienunternehmen leiten wollen. So hat jeder den passenden Ausbildungsweg eingeschlagen, um ein optimales Team zu bilden. Der älteste Sohn Fritz übernahm als Diplom-Braumeister die Verantwortung für die Produktion und leitet mit Felix den technischen Bereich der Braustätte, Max ist für Verkauf und Vertrieb sowie für die Traditionsgaststätte verantwortlich. „Wir haben den Betrieb in allen Kompetenzfeldern so aufgestellt, wie wir ihn uns immer vorgestellt haben“, bekräftigt der 32-jährige Fritz Göller.

Bis die Brauerei zu dem wurde, was sie heute ist, musste der Betrieb im Laufe seiner Geschichte viele Turbulenzen durchstehen. Im Jahr 1514 wurde der „Alten Freyung“, wie das Gelände der Brauerei heißt, das Brau- und Schankrecht vom Erzbistum Bamberg verliehen. In den heutigen Familienbesitz kam die Braustätte erst fast 400 Jahre später, nachdem sie Joseph Göller mit seiner Frau Magarete im Jahre 1908 erwarb. Damals lag das Hauptgewicht der Bierproduktion auf der hauseigenen Gaststätte und ihrem Biergarten. 1949 übernahm den Betrieb Josephs Göllers Sohn Franz-Josef, der 1976 als Deutschlands bester Brauer ausgezeichnet wurde. 2013 wiederholte Sohn Felix diesen Erfolg.

Schon Franz-Josef Göller schaffte es mit neuen Ideen, die Bierproduktion Mitte der 1980er Jahre von 5000 auf rund 25.000 Hektoliter zu steigern. Aus Platzmangel verlagerte der Senior 1995 Filtration, Abfüllung, Verwaltung und Vertrieb aus der Zeiler Altstadt in das nahegelegene Gewerbegebiet. So konnten Gär- und Lagerkeller permanent erweitert sowie neue Malzsilos angeschafft werden. 2015 war es dann so weit, dass Fritz und Max ins Unternehmen einstiegen. Zwei Jahre später kam auch der heute 28-jährige Felix dazu.

Als Erfolgsgeheimnis der Brauerei Göller sehen die Unterfranken ihre stark ausgeprägte Regionalität. So stammen Braugerste und Weizen von heimischen Landwirten aus dem direkten Umkreis. Gemälzt wird das Getreide in Bamberg und Schweinfurt. Auch beim Hopfen greifen die Jungunternehmer überwiegend zu nationalen Sorten. Neunzig Prozent ihres Bieres verkaufen sie im Umkreis von nur rund 50 Kilometern. Ein weiterer Aspekt ist die Nachhaltigkeit, die in der deutschen Brauwirtschaft eine immer bedeutendere Rolle spielt. So arbeiten die Göllers im Sudhaus mit einem energiesparenden Schonkochsystem, setzen auf Photovoltaik sowie Solarthermie und installierten eine Stickstoffgewinnungsanlage zur CO2-Einsparung.

Für diese umweltschonenden Maßnahmen erhielt die Brauerei 2015 als einziges Unternehmen in der Kategorie „11-50 Mitarbeiter“ den Nachhaltigkeitspreis der Region Mainfranken. Seitdem modernisieren die jungen Chefs im Betrieb immer wieder aufs Neue. Die aktuelle Investition sind neue Kälteanlagen. Stolz sind die drei Göller-Brüder auch auf das Zertifikat des „Qualitätsverbundes umweltbewusster Betriebe“, dass sie angeblich als einzige Brauerei in Unterfranken tragen.

Aber auch die Biere aus dem Hause Göller räumen seit Jahren internationale Preise ab – sogar beim Meininger’s International Craft Beer Award. Im Portfolio finden Bierfans neben Pils, Dunklem, Kellerbier und Weißbier auch saisonale Bockbiere, einige alkoholfreie Sorten und eine traditionelle Serie als Hommage an Kaiser Heinrich, der ihnen einst das Brau- und Schankrecht verlieh. Darin enthalten: Ur-Stoff, Ur-Weisse und Naturradler. Als aktuelles Flaggschiff der Brauerei gilt aber das 4,9-prozentige, mild-würzige und süffige „Baptist Helles“, das ursprünglich als Sondersud fungierte. „Das Helle schlug vor allem bei jungen Leuten ein wie eine Bombe“, freut sich Felix Göller, „obwohl wir hier eigentlich gar keine Region für Helles sind.“

Der Baptist-Sud war ursprünglich nur als saisonaler Trunk für einen „Bierkalender“ geplant. Vor rund fünf Jahren hatte Felix Göller die Idee, solch einen Kalender mit zwölf Spezialitäten zu organisieren, darunter auch schon ein India Pale Ale, gehopft mit den Sorten Tradition und Lemondrop, eine Hopfenweiße mit Mandarina Bavaria, ein Summer Ale mit Cascade und El Dorado und ein Stout mit Kaffee- und Schokoladennoten. Kern der Aktion: Jeden ersten Samstag im Monat gib es einen Fassanstich mit einem anderen Bier und Live-Musik. Zudem hat Max Göller, der für die Gastronomie zuständig ist, zu jedem Anstich auch die Speisenkarte individuell dem Bier angepasst.

Der Bierkalender erwies sich als Volltreffer und lockt jeden Monat neue Kundschaft an. Schon das Event im Januar 2017 überraschte mit dem 5,9-prozentigen „Schottischen Lager“, das eine rauchig-torfige Note durch den Einsatz von Whisky-Malz erhielt. Dazu gab es Fish & Chips und einen Folk-Sänger, der für ordentlich Stimmung sorgte. „Zugegeben, anfangs waren wir sehr unsicher, ob solche Biere mit solchen Aktionen überhaupt ankommen“, erinnert sich Max Göller, „doch die Leute haben uns förmlich überrannt.“ So war das Fassbier, das eigentlich für einen Monat im Ausschank geplant war, an diesem Abend bereits um 18 Uhr ausverkauft.

Erschienen im Meininger’s CRAFT Magazin.

Privatbrauerei Aying: Heimat als Erfolgsrezept

Tradition und Regionalität zählen zu den wichtigsten Erfolgsfaktoren der Privatbrauerei Aying. Doch trotz eines konservativen Werte-Kosmos, zählt der oberbayerische Familienbetrieb zu einem der modernsten und beliebtesten Braustätten im Lande.

Helles zwickeln

„Das schönste an München ist die Straße nach Aying“ – so hieß einst der provokante Werbeslogan der Privatbrauerei, der vor allem Besucher aus der bayerischen Landeshauptstadt in das 25 Kilometer südöstlich gelegene Bilderbuchdorf locken sollte. Gemessen am heutigen Bierausstoß von rund 100.000 Hektoliter war die Kampagne offensichtlich höchst erfolgreich. Aber in der idyllischen Voralpenlandschaft gibt es neben gutem Bier noch weitere Attraktionen: In der Dorfmitte, gleich neben der Kirche, steht einer der höchsten Maibäume der Welt, flankiert von Brauereigasthof, Bräustüberl, Heimatmuseum und einem der schönsten Biergärten der Region. „Wir sind stolz auf unsere Heimat“, bekräftigt Brauereichef Franz Inselkammer Junior im standesgemäßen Trachtenjanker, „bei uns wird bayerische Bierkultur mit all seinen Facetten gelebt.“

Wer die 143-jährige Geschichte der Privatbrauerei nachvollzieht, dürfte sich kaum wundern, dass der Ayinger Musterbetrieb seine Biere inzwischen mit Hilfe modernster Brautechnologie produziert. Um die Qualität der Gerstensäfte weiter zu verbessern, innovieren die Oberbayern auch permanent ihren Produktionsprozess in Richtung Nachhaltigkeit. Mit einem neuinstallierten System für die Flaschenreinigung konnten nach eigenen Aussagen 87 Prozent des Wasser- und Wärmebedarfs eingespart werden. Im vergangenen Jahr gewann Franz Inselkammer dafür den Bayerischen Energiepreis in der Kategorie „Energieeffizienz in industriellen Prozessen und Produktion“. Inselkammer weiß: „Die beste Tradition kann nicht bestehen, wenn man nicht mit der Zeit geht.“

Zum Erfolgsrezept gehören für den Brauerei-Erben, neben neuesten Produktionstechniken, auch tiefverwurzelter Heimatsinn, Tradition und Regionalität – vor allem aber die Liebe zum Bier. Dabei legt der 38-jährige Vorzeigebayer, der das Unternehmen in sechster Generation leitet, großen Wert auf die Tatsache, dass die Ayinger Brauerei bislang keinen Millimeter vom Reinheitsgebot abgewichen ist. Dass sich Ayinger Bier schon bei der Einweihung der Braustätte durch den Gründer Johann Liebhard besonderer Beliebtheit erfreute, wird noch heute gern nacherzählt. Jedenfalls muss der erste Ausschank am 2. Februar 1878 in ein grandioses Besäufnis ausgeartet sein. So schrieb Liebhard in sein Tagebuch: „Von uns das erste Bier ausgeschenkt, sehr gut und alles voll Leut. Michl und Müller von Höhenkirchen solche Räusch, dass sie beim Heimfahren zehnmal umgeworfen.“ Dieser Spruch ziert heute noch immer die Ayinger Bierdeckel. 

Die Beliebtheit für Ayinger wuchs – bedingt durch Kriege und Wirtschaftskrisen – zunächst langsam, aber Stilllegungen benachbarter Braustätten, teils durch Münchner Großbrauereien, ließen Kundenstamm und Bierausstoß wachsen. Mit Kauf des ersten Lastwagens wurde das Bier schließlich auch nach München transportiert. So verkaufte man 1929 schon rund 5.000 Hektoliter in die nahegelegene Landeshauptstadt. Mitte des 20. Jahrhunderts kam dann durch Erbfolge der Guts- und Gasthausbesitzer Franz Inselkammer, der Großvater des heutigen Bräus, aus dem benachbarten Siegerstbrunn mit ins Unternehmen.

Seit 2010 ist nun Franz III. mit im Unternehmen, der die Philosophie der Braustätte lebendig weiterlebt. Rund siebzig Mitarbeiter begleiten heute ein Sortiment mit 16 Ayinger Sorten, die von Helles über Weißbier, Pils, Kellerbier und Altbayerisch Dunkel bis hin zu saisonalen Suden wie Frühlingsbier, Maibock, Kirtabier, Weizenbock und Winterbock reichen. „Die Saisonbiere sind uns enorm wichtig, weil wir so eine geschmackliche Vielfalt während der Jahreszeiten ermöglichen“, bekräftigt Brauereidirektor Helmut Erdmann.

Helmut Erdmann und Franz Inselkammer

Das Besondere an den Ayinger Bieren ist, dass sie absolut sortenspezifisch sind. So besitzt das Dunkle angenehme Röstaromen, das klassische Helle zeigt sich mild und süffig, das Pils mit einer moderaten Bittere und schlankem Körper, während sich das Weißbier einschmeichelnd fruchtig mit typischen Bananenaromen präsentiert – alle Biere immer perfekt ausbalanciert. Obwohl er seiner Stilistik treu bleibt, begrüßt Chef Inselkammer durchaus die internationale Craftbier-Bewegung mit ihren aromatischen Experimenten, zumal damit Bier wieder stärker als Genussmittel wahrgenommen wird. Aber dennoch finden die angesagten Kreativ-Sude ganz bewusst keinen Platz im Ayinger Sortiment: „Sie entsprechen einerseits nicht unserer traditionellen Philosophie und andrerseits brauen wir ja bereits 16 verschiedene Biere, die alle Ihren unverwechselbaren Geschmack haben,“ urteil Inselkammer.

Immerhin setzt das Brau-Team, das täglich sechs Sude an vier Wochentagen produziert, bei den Biersorten auf regionale Braugerste aus dem Ayinger Ortsumfeld – zehn Prozent der Sorte Marthe stammen sogar aus eigener Landwirtschaft. Die beiden für alle Bierstile verwendeten Hopfensorten Perle und Tradition kommen natürlich aus der Hallertau und das Wasser aus dem eigenen 180 Meter tiefen Brunnen. „Auch wenn heimische Rohstoffe kostentechnisch für uns Brauer eher nachteilig sind“, betont Inselkammer, „so bringen sie qualitativ jedoch viele Vorteile.“

Das zeichnet sich offensichtlich aus. Regelmäßig gewinnen die Ayinger Biere nationale wie internationale Preise. Im vergangenen Jahr sahnte die „Ur-Weisse“ beispielsweise beim Meininger’s International Craft Beer Award die Goldmedaille und die Auszeichnung „Weizen des Jahres 2020“ ab. Solche Prämierungen würden sich im Verkauf positiv bemerkbar machen, erklärt Brauereidirektor Erdmann, weil dadurch auch die Neugier auf die Biere wachse. Was jedoch für eine regionale Spezialitätenbrauerei eher ungewöhnlich ist: Ein gutes Drittel der Ayinger Bierspezialitäten werden inzwischen rund um den Globus ausgeliefert. Besonders beliebt scheint der „Celebrator“. Der 6,7-prozentige dunkle Doppelbock wird sogar im New Yorker „Museum of Art“ vom Fass ausgeschenkt.

Celebrator im Bräustüberl

Trotz aller Erfolge ist auch der Regionalmarkt der Ayinger gerade stark von Corona betroffen. Obwohl die Privatbrauerei einige Zuwächse beim Flaschenbier verzeichnen kann, ist das Virus ein harter Schlag für den Familienbetrieb. Alle Wirtshäuser sind derzeit geschlossen, alle Bierfeste abgesagt. „Die Gastroschließung schmerzt uns schon sehr“, bekräftigt Inselkammer, „aber mit guten Ideen stehen wir das schon durch.“

Dabei fehlt es den Ayingern keineswegs an Kreativität, um ihre Fans trotz Covid-Beschränkungen und zweitem Lockdown zu erfreuen. Im vergangenen Jahr gab es eine Wirtshaus-Wiesn mit klaren Abstands-Geboten, „Maß-to-go“ im Biergarten sowie eine Pferdekutsche, die durch den Heimatort fuhr, um die lokalen Bierfans zu versorgen. Das mit dem Pferdegespann kam wohl so gut an, dass Inselkammer Junior darüber nachdenkt, auch nach dem Corona-Wahnsinn einen Heimdienst mit der Kutsche zu organisieren. Außerdem lassen die Ayinger während des Lockdowns keine Zeit verstreichen, um weiter zu innovieren. Geplant ist die Realisierung eines neuen Logistik-Konzeptes, wie Franz Inselkammer erklärt: „Dadurch können wir die Qualität unserer Biere noch besser kontrollieren, was zu den wichtigsten Prämissen unserer Brauerei gehört.“

Erschienen im Meininger’s CRAFT Magazin für Bierkultur.