Schneeeule: Berliner Weisse wie aus dem Bilderbuch

Für meine Fortbildung zum Master of Beer habe ich vergangene Woche ein Seminar zum Thema Sauerbier besucht. Kaum jemand ahnt, dass Deutschland eigentlich zu den größten Sauerbier-Nationen weltweit zählt. Einige traditionelle Bierstile starben hierzulande allerdings fast aus. Umso cooler, dass Ulrike Genz mit der Berliner Marke Schneeeule der Bundeshauptstadt ein altes Kulturgut zurückgibt.

Bei „Dietrich“ handelt es sich um eine Original Berliner Vintage Weisse mit schlanken 3,8 Prozent – denn ursprünglich fiel dieser Bierstil unter die Kategorie Schankbiere. So strahlt die Interpretation von Ulrike in einem appetitlichen Goldgelb durchs Glas. Ein schneeweißer Schaum ist kurzfristig präsent. Im Duft zeigen sich gelbe Steinfrüchte wie Quitte und Mirabelle, ein würziger Ton und etwas zart Animalisches aus der Hefe sowie ein Touch von Brioche. Im Antrunk fließt die Weisse mit einer angenehmen Säure über die Lippen, die Kohlensäure ist harmonisch eingebunden. Im Geschmack zeigen sich die Aromen der Brettanomyces-Hefe etwas deutlicher und gehen in Richtung Leder. Aber auch auf der Zunge spielen fruchtige Noten und etwas Brotiges mit. Im Finish verabschiedetet sich „Dietrich“ knochentrocken.

Fazit: Diese Berliner Weisse zählt für mich inzwischen zu einem echten Klassiker, der regelmäßig auf den Tisch kommt. Die Säure in diesem Sud harmoniert wunderbar mit den Aromen, sodass es immer wieder ein Hochgenuss ist, dieses Bier zu trinken.

Top-Brauerin: Ulrike Genz von Schneeeule – Reanimation der Berliner Weiße

schneeeule-2Ulrike Genz will Berlin ein kulturelles Gut zurückgeben. Die Braumeisterin verschwor sich der Berliner Weiße. Schließlich gab es einst 200 Brauereien in der Stadt, die nur diesen Stil brauten. Jetzt kennen die meisten Leute den Begriff nur in Kombination mit pappsüßen Sirups. Anfang 2016  gründete Ulrike im Stadtteil Wedding ihre eigene Brauerei namens „Schneeeule“ um die historische Berliner Weiße wiederzubeleben und diese Form von Sauerbier wieder trinkbar zu machen. Vier Sorten führt die Berlinerin inzwischen im Sortiment, darunter auch eine mit Jasmin und eine mit Holunderblüten aromatisiert. Allein schon für ihren Mut und ihren Ehrgeiz verdient sie es, zu den deutschen Top-Brauern zu gehören.

 

Wann hast du dein erstes Bier gebraut und wie ist es geworden?

Ich hatte schon mehrere Jahre Brauwesen studiert, aber um mein eigenes Bier zu brauen, war ich durch die benötigten Geräte und Voraussetzungen ziemlich eingeschüchtert. Es kam mir wahnwitzig teuer und aufwändig vor, den Sauerstoffeintrag zu vermeiden, das Bier zu filtrieren und zu kühlen. Meine ersten schüchternen Brauversuche startete ich dann vor rund 9 Jahren mit Malzextrakt. Es war ein IPA und schmeckte fürchterlich. Nachdem ich das erste Mal im Museum Veßra in Thüringen historisch mit Holzbottichen gebraut hatte, fielen jegliche Bedenken gegenüber den komplizierten Vorgaben der Industrie.

 

Wie bist Du eigentlich auf den Namen „Schneeeule“ gekommen?

Das war zufällig. Ähnlich wie bei einem Kunstwerk, das erst intuitiv entsteht. Erst mal fand ich die drei E markant. Die Erklärung wurde erst später klar: Die Schneeeule, ein schützenswerter, majestätischer Vogel mit großen, weißen Schwingen – so wie der Schaum der Berliner Weiße mit gelben Augen. In der Altmark gibt es den Spruch: Wat diin iin siin Uhl (Eule) is diin andern siin Nachtigall. Was so viel heißt: was der eine nicht mag, schätzt der andere. Berliner Weiße ist eben auch Geschmackssache, der eine ist total begeistert, der andere hält es für schlecht gewordenes Bier.

 

Was macht für Dich ein wirklich außergewöhnliches Bier aus?

Außergewöhnlich ist immer eine Frage von Ausgewogenheit. Nur bitter, nur sauer, nur brettig, nur malzig ist zu wenig und nicht lecker. Wenn man es schafft, ein Bier auf eine besondere Weise zu betonen ohne die Ausgewogenheit zu verlieren, dann ist das ein außergewöhnliches Bier.

 

Welchen Biertyp trinkst Du am liebsten und warum?

Berliner Weiße natürlich. Hätte es eine annehmbare Weiße gegeben, hätte ich nicht angefangen welche zu brauen. Aber eigentlich trinke ich fast jeden Typ gern. Außer Pils, das finde ich meistens nicht so lecker, zu trocken, zu bitter – einfach nicht mein Stil.

 

Was sind Deine Lieblingshopfensorten?

Soraci Ace, Cristal, Hallertauer Blanc…da gibt es bestimmt noch so einige, die ich noch nicht kenne. Da Berliner Weiße eher unterhopft ist, ist das auch keine große Frage für mich.

 

Welche Eigenschaften zeichnen Deiner Meinung nach einen richtig guten Craft-Brauer aus?

Sauberkeit. Aber zuerst stellt sich doch die Frage: Was ist eigentlich ein Craft-Brauer? Kann man craft eigentlich mit „handwerklich“ übersetzen? Wo  fängt Handwerk an und wo hört sie auf? Ist es Handwerk, wenn man anderen sein Rezept gibt und dann nur noch das fertige Bier vermarktet? Eine kontroverse Diskussion. Klar es geht um „andere“ Biere. Und definitiv nicht darum, möglichst viele Sachen dem Bier zuzufügen. Es muss am Ende trinkbar sein.

 

Was war das schrägste Bier, das Du jemals getrunken hast?

Über schlechte Biere rede ich lieber nicht. Aber beispielsweise das Porter und das Gruit-Beer von Popes Yard waren interessant. Das Kamille Bier von Heidenpeters fand ich auch ziemlich schräg.

 

An welchem Ort der Welt würdest Du mit Deinem besten Freund gern ein Bier trinken?

Im Liegestuhl am Tegler See, die Sonne geht unter und ich bin mit der Brauerei fertig und zufrieden.

Oder auf einem Open Air Konzert von meinen Lieblingsbands Earthship, Gorguts, Future of the left, Käptn Peng, Dyse, Don Vito, Obelyskkh….

 

Und was hast Du als nächstes vor?

Brauen, brauen und das nächste Jahr überstehen. Die Brauerei soweit ausbauen, dass ich damit selbst zufrieden bin – wenn es sowas überhaupt gibt.