Craft-Bier beim Discounter: Ist das der Tod der Kreativbiere? Oder ein positives Signal für den Durchbruch?

1448009305149Feiner Hopfen machte eine Kurzumfrage bei Craft-Experten, hier die Antworten:

Matthias Thieme, Inhaber Biervana in München:

Weder noch. Vermutlich nur der Beweis, dass Craft-Bier als Thema so langsam in der „Mitte der Gesellschaft“ ankommt. Wer die „Deluxe“ und „Feine Welt“ und Wasweißichnoch-Marken der großen Discount- und Lebensmittel-Ketten kennt, konnte ja schon länger annehmen, dass es dort auch bald so eine Art Craft-Bier geben wird. Immerhin gibt es dort ja schon seit Jahren Barolo-Weine, Parma-Schinken und andere Feinkost-Artikel. Keine Überraschung sondern eher Business-as-usual.

Im Falle der Lidl-Biere ist eigentlich nur zu bemerken:
– Wow: Lidl ist schneller als Aldi

– Die Biere sind handwerklich ordentlich – aber auch nix, was einem den Schlaf raubt. Meiner Meinung nach aber zumindest besser als der Kram von Becks – was allerdings auch keine Kunst ist

– Die Gestaltung der Flaschen und der Werbung im Prospekt ist erschreckend lieblos und mit einigen atemberaubenden Fehlern durchsetzt

Fazit: Liebloser, seelenloser Discounterkram. Man reitet die Welle und ist vom Kern des Themas Craft-Bier unendlich weit entfernt. Ob das die Mehrzahl der Lidl-Kunden interessiert? Wohl kaum.

 

Johannes Tippmann, Leiter der Forschungsbrauerei Weihenstephan:

Mit der Präsentation von drei Craft-Bier-Sorten hat ein deutscher Discounter vor kurzem eine große Diskussion angestoßen, die teils positiv, teils negativ bewertet wird. Was es bringen wird, ist auf jeden Fall spannend.

Positiv an dieser Entwicklung ist, dass Craft-Bier damit vollends in Deutschland angekommen ist. Eine große Biermarke aus Deutschland hat ja dieses Jahr eine ähnliche Linie präsentiert. Dies alles wäre nicht der Fall, würde von Seiten der Konsumenten kein Interesse daran bestehen. Die von vielen Seiten in den letzten Jahren investierten Mühen, das Image und die Vielseitigkeit des Bieres darzustellen, scheinen sich also zu lohnen.

Kritisch muss man allerdings auch sehen, dass die Craft-Bier-Bewegung ein Stück weit davon lebt, dass die entsprechenden Biere etwas Besonderes sind und nicht der Massenproduktion entsprechen. Interessant ist, wie sich eine ähnliche Entwicklung in den Vereinigten Staaten ausgewirkt hat. In sogenannten „Blacklists“ werden Craft-Breweries, die von großen Konzernen übernommen wurden, gesammelt und der Konsument dadurch darüber aufgeklärt, wer oder was dahinter steckt. Dies passiert nicht ohne Hintergrund: die Bewegung versucht auf diese Weise den ursprünglichen Craft-Gedanken zu stärken und die Konzerne aus diesem Marktsegment heraus zu halten.

Wie es sich mittel- bis langfristig auswirken wird, bleibt ungewiss. Und schlussendlich wird alles über den Konsumenten entschieden. Lässt er sich darauf ein, haben solche Biere mit Sicherheit eine Chance. Ist er aufgeklärt genug, wird es solche Biere nicht kaufen, sondern eher auf die klassischen Craft-Biere zurückgreifen.

 

Kolja Gigla, Brauer bei Mashsee in Hannover:

Ich sehe grundsätzlich keine Gefahr durch Craft-Biere im Discounter (funktioniert ja auch in den USA, nur da hatte die Craft-Bier Szene auch die Zeit sich zu entwickeln, bevor andere das große Geld gewittert haben). Trotz gleicher Bierqualität werden ja auch die Industriebiere eher über den normalen Einzel- oder Getränkehandel verkauft. Ein gleich gutes Plagiat wird nie erfolgreicher laufen als das Original. Zumal das Plagiat in diesem Falle nicht mal ein wirkliches Original hat. Und das was man kopieren möchte, wird bei Weitem nicht erreicht.

Ich halte es allerdings, wie auch bei der namhaften Brauerei aus Bremen, für einen verfrühten Vorstoß. Der in diesem Falle sicherlich vorerst nicht von langer Dauer sein wird, nachdem das erste Interesse eher begrenzt ist.

Während man Beck´s allerdings fast noch ein Dankeschön für die flächendeckende Werbung zugunsten des Bierstils Pale Ale aussprechen muss, sehe ich bei diesem Discounter-Projekt keinerlei positive Auswirkungen auf das Thema Craft-Bier. Da werden Präsentationsmuster anderer Großkonzerne kopiert, mit Marketing blabla und anonymen Braumeister-Signaturen, ohne die nötige Qualität des Inhalts zu servieren. Ein Schaf im Wolfspelz quasi, ohne die Anzugskraft einer im Bewusstsein der Verbraucher verwurzelten, echten Marke.

Dadurch werden meiner Meinung nach eher Kunden für die zukünftige Auseinandersetzung mit dem Thema Craft-Bier abgeschreckt und – anders als bei dem Vorstoß von Beck´s – das Lager derjenigen, die Craft-Bier für einen Hipster-Trend halten, vergrößert. Auch wird dadurch das Preisverständnis für Craft-Biere gestört.

Es fehlt aktuell einfach noch der flächendeckende Bedarf an Craft-Bieren. Erst wenn der erreicht und von “echten” Anbietern abgedeckt ist und die geschmackliche Qualität der Anbieter-Brauereien deutlich näher dran ist, kann Craft-Bier im Discounter dauerhaft funktionieren. Preislich letztlich nur aus dem Grunde, dass solche Verträge mit Discountern so knapp kallkuliert sind, dass den Produzenten im Kampf um jeden Hektoliter Verkaufsbier häufig nur Erträge im Cent-Bereich auf ganze Kisten bzw. Europaletten bleiben.

Unterm Strich sind wir als Brauer aber einmal mehr gefragt uns klar gegenüber solchen Schnellschüssen abzugrenzen.

 

Stefan Stang, Geschäftsführer „Private Brauereien Bayern“in München:

Der Lidl Deal hat nicht mehr verschreckt, da er schon angekündigt war. Momentan sehe ich das entspannt, denn man muss erst mal sehen ob diese „Craft Biere“ sich geschmacklich vom Industrie-Mainstream absetzen werden. Erst vor kurzem hat ein sehr großer internationaler Braukonzern versucht drei „besonders innovative Craft Biere“ auf dem Markt zu etablieren. Geschmack und Verkaufserfolg sind aber meines Erachtens überschaubar. Zum Glück können die (Craft-) Biertrinker differenzieren, haben mittlerweile ein stetig zunehmendes Craft Beer Segment und geben für gutes und ehrliches Bier dann auch gutes Geld aus. Siehe aktuelle GfK Zahlen für Bier: Preiseinstieg verliert, Spezialitäten legen zu!

Biere vom Discounter: Was hinter dem Lidl-Deal steckt

1448009305149Wenn ein Einzelhandelskonzern wie Lidl mit mehr als 3200 Filialen in Deutschland moderne Craft-Biere ins Sortiment aufnimmt, dann sorgt das für heiße Diskussionen im Netz. Ich habe die drei Maltos-Biere bereits am vergangenen Montag getrunken, mir aber mit einem eigenen Kommentar bewusst etwas Zeit gelassen, um die ersten Reaktionen abzuwarten. Die Streifrage lässt sich auf einen Punkt fixieren: Fluch oder Segen?

Eines vorweg: Die drei untergärigen „Maltos“-Biere – darunter ein Zwickl mit Mosaic-Hopfen, ein heller Bock mit Hallertauer Blanc sowie ein 7,6-prozentiger „Barrique Style Doppelbock“ mit Amarillo, Cascade, Simcoe – lassen sich durchaus trinken. Und wahrscheinlich werden sie genau den Leuten schmecken, die noch nie zuvor ein Craft getrunken haben. Auch die Hemmschwelle für den Griff ins Regal ist relativ gering, denn ein Dreierpack kostet gerade mal 2,49 Euro. Für dieses Geld kann man natürlich keine Hopfenwunder erwarten. Aber die drei Maltos-Biere, gebraut in der Mannheimer Eichbaum Brauerei, sind mehr als Einstiegsdroge für Craft-Novizen zu sehen. Wobei das „Paradiso Zwickel“ für den Durst und das „Barley Blanc“ als unkomplizierter Essensbegleiter gar nicht mal so schlecht sind.

Ob man diese Biere allein aufgrund der gebrauten Mengen als handwerkliches Produkt bezeichnen kann, sollen andere entscheiden. Denn immerhin ist hierzulande die Definition für Kreativbiere selbst noch nicht mal in Gänze abgeschlossen. Für Kreativbrauer bedeutet der Lidl-Vorstoß aber auf jeden Fall: Wenn jemand erst mal auf den Geschmack gekommen ist, wird er vielleicht auch mal ein „echtes“ Craft-Bier probieren. Das allein bringt den Markt weiter nach vorn.

Ich möchte hier ganz bewusst auf meine üblichen Degustationsnotizen und Qualitätsurteile verzichten, denn wie angeblich schlecht die Lidl-Biere schmecken, darüber haben sich schon andere Experten in epischer Breite ausgelassen. Der Lidl-Deal ist keineswegs ein Weltuntergang, auch wenn die drei Maltos-Typen echte Hop-Heads bestimmt nicht gerade vom Hocker hauen. Aber das Thema Craft-Bier erzielt jetzt immerhin auch dort Aufmerksamkeit, wo bislang nur Standardpils und Allerweltshelles im Kühlschrank standen. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass so manche Lidl-Kundin so einen fruchtigen Bock oder einen kräftigeren Doppelbock zum Christfest auf den Gabentisch stellen werden – als etwas ganz besonderes für den Familienvater mit Gruß vom Weihnachtsmann!