Kommentar: Gutes Bier ist Heimatbier

Es ist wahrlich erstaunlich, was uns selbsternannte Craft-Propheten derzeit wieder als neuesten Trend aus den USA verkaufen wollen. Dort rücken jetzt sogar einige der innovativsten Hopfenzauberer verstärkt klassische deutsche Bierstile ins Rampenlicht: Pils, Helles, Weißbier und Berliner Weiße werden so angepriesen als hätten es US-Brauer gerade erst erfunden.

Vielen Hop-Heads gelten Sude aus amerikanischen Tanks noch immer als ganz besonderer Kick. Ohne jeden Zweifel, es gibt ganz fantastische Biere in den USA. Aber klar ist auch, selbst der beste Stoff mundet nach langer Reise über den Atlantik nie so gut, wie frisch aus den Zapfhähnen in San Francisco, San Diego oder Sacramento. Wenn auf dem Weg nach Europa zudem die Kühlkette nicht perfekt funktioniert, die Flaschen erst im rumpelnden Schiffsbauch und dann noch einige Zeit in hiesigen Regalen überleben müssen, entwischen selbst die spannendsten Aromen.

Wem es also nach dem hundertsten Pumpkin Ale nach einem süffigen Hellen verlangt, der sollte sich vorzugsweise mal wieder in heimatlichen Gefilden umschauen. Denn seit deutsche Craft-Brauer auch traditionelle Bierstile in modernen Gewand anbieten und auch Privatbrauereien mit neuen Rohstoffen experimentieren, haben Pils, Helles & Co. das Image langweiliger Onkelbiere abgelegt. Klar ist jedenfalls: Regionales Bier ist immer frisch, so dass Hopfen und Malz ihre volle Aromapracht ausspielen können.

So setzt sich auch bei anspruchsvollen Hop-Guys zunehmend die Erkenntnis durch: Gutes Bier ist Heimatbier. Und das muss keineswegs langweilig sein. Ein frischgezapfter Gerstensaft aus dem Nachbardorf kann zuweilen deutlich besser schmecken, als der kreativste Sud aus einer kalifornischen Craft-Hütte, wenn dieser Wochen braucht, um in ein deutsches Glas zu kommen. Und zugegeben, das ultimative Helle aus amerikanischer Produktion muss man mit der Lupe suchen.

Erschienen im Meiningers CRAFT Magazin.