Kommentar: Das Schweigen der Zapfhähne

Es ist ein wahrlich bedenklicher Zustand: Dreiviertel aller Gastronomen fürchten wegen andauernder Covid-19-Beschränkungen und daraus resultierenden Umsatzeinbrüchen inzwischen um den Fortbestand ihrer Betriebe, wie aktuelle Umfragen der Branchenverbände ergeben. Es müsse sogar damit gerechnet werden, dass jeder vierte Betrieb in Insolvenz gehe.

Der Eiertanz der Bundesländer zwischen Geboten und Verboten, mit seinen Ausgangssperren, Maskenpflichten und Kontaktbeschränkungen, nervt inzwischen die ganze Szene rund ums Bier und schürt Insolvenzängste. Besonders betroffen sind Brauereien mit angeschlossener Gastronomie. Ihnen fehlt durch das Corona-Chaos im Lande derzeit jegliche Planungssicherheit. Die gesamte Branche – Wirte wie Brauer – fühlt sich von der Politik allein gelassen und wegen neuer Virus-Mutationen grassiert bereits die Angst vor dem nächsten Lockdown.

Dabei haben sich insbesondere die Gastronomen, wie kaum eine andere Berufsgruppe, geradezu heldenhaft an die strengen Corona-Auflagen gehalten. Sie haben Hygienevorschriften und Maskenpflichten zementiert, Trennwände installiert, Tische versetzt, sowie neue Heizsysteme und Luftreiniger gekauft. Da trotzdem die Zapfhähne schweigen müssen, versuchen viele Betreiber das Geschäft irgendwie noch mit To-Go-Angeboten am Laufen zu halten – aber die Einnahmen decken nicht einmal die Kosten.

Zwar wurden den Gastronomen großzügige Finanzhilfen versprochen, doch vielerorts werden – wegen angeblich mangelhafter Software – Abschlagszahlungen entweder gar nicht oder nur scheibchenweise ausgezahlt. Das alles ist ziemlich peinlich für diesen Staat. 

Viele Gastronomen und Brauer denken gerade darüber nach, das Handtuch zu werfen. Aber trotz all dieser Umstände wäre ein unüberlegtes Kapitulieren definitiv der falsche Weg. Auch die Welt vor exakt hundert Jahren war von Unternehmenspleiten, Massenentlassungen und einer spanischen Grippe-Pandemie geprägt, die mehr als zwanzig Millionen Tote forderte. Danach begannen jedoch die golden zwanziger Jahre, in denen das Leben in den Städten tobte wie nie zuvor und die Zapfhähne in den Taprooms, Bierbars und Szene-Kneipen wieder glühten.

Erschienen im Meininger’s CRAFT Magazin für Bierkultur.

Kommentar: Stunde der Kreativen

Ein Taifun fegt derzeit über die Craftbier-Szene hinweg und hinterlässt überall schwere Verwüstungen. Sein Name: Covid-19. Bars, Kneipen, und Restaurants mussten quasi über Nacht schließen. Brauereien und Gastronomie kämpfen mit Kurzarbeit und Entlassungen. Lieferketten brechen weg, Absatzzahlen gehen in den Keller und der Export erlebt eine Vollbremsung. Und alle Craftbier-Events wurden abgesagt. Besonders schlimm: die komplette Stornierung von Aufträgen bei Fass-Ware. Zahlreiche Braustätten müssen deshalb ihre Produktion herunterfahren oder zumindest vorübergehend stilllegen.

Das teuflische Corona-Virus trifft alle Player in der noch jungen Craftbier-Branche gleichermaßen hart und unvorbereitet: Brauer, Händler, Gastronomen, Biersommeliers und viele andere. Am härtesten hat es aber Craft-Produzenten erwischt, die über finanzielle Verpflichtungen erst jüngst ihre eigene Braustätte errichteten. Allein Gypsy-Brauer mit schlanken Kostenstrukturen und wenig Personalaufwand dürften die derzeitige Absatzflaute deutlich besser überstehen.

Jede Krise kennt Sieger und Verlierer. Kreative Brauer nutzen die erzwungene Corona-Pause aktiv und tüfteln an neuen Vertriebsideen. So finden im Internet derzeit die ersten Bierfestivals statt, hauseigene Online-Shops oder neue Internet-Pubs entstehen und über Videoportale werden virtuelle Brauereiführungen und Verkostungen mit Live-Musik sowie Food-Pairings angeboten. Inmitten des Taifuns spüren viele Brauer – insbesondere auf allen Social-Media-Kanälen – derzeit eine große Welle der Solidarität.

Das stimmt zuversichtlich: Wenn der ganze Covid-19 -Wahnsinn vorbei ist, dürfte die Craft-Community im Idealfall von den jetzt erprobten Konzepten nachhaltig profitieren. Nach dem Lockdown wird ein neues Lebensgefühl entstehen und die Menschen werden wieder rausgehen, feiern und ihr Bier unter Freunden trinken. Im Übrigen gilt: Bier hat in seiner Geschichte schon so einige Pandemien überstanden – sogar Pest und Cholera.

Erschienen im Meininger’s CRAFT Magazin für Bierkultur.