Schräge Biere: Wilde Wurzeln

Saison, Sauerbier oder spontanvergorene Sude: Immer mehr Brauer setzen bei ihren Bieren auf saisonale Rohstoffe. So wundert es kaum, dass häufiger auch Rote Beete als Wintergemüse in den Sudkesseln für eine knallrote Farbe und besonderes Aroma sorgen.

Credit: Appenzellerbier

Neben Regionalität und Nachhaltigkeit wird immer mehr auch Saisonalität zum Thema für die Macher vieler Brauereien. So erstaunt es wohl kaum, dass Crafties alle möglichen Alternativen passend zur Jahreszeit als Zutat in ihren Suden ausprobieren. Ein beliebter Rohstoff scheint derzeit die Rote Beete zu sein. Das heimische Superfood gilt als wahrer Vitamin- und Mineralstoff-Lieferant. Zudem sorgt es für ein spezielles Aroma und ein attraktives Farbspiel.

So ist das Wintergemüse gerade immer häufiger in vielen Bierstilen, meist aber in Sauerbieren oder Wild Ales, von internationalen Brauern zu finden. In den Kesseln landet die rote Rübe als Saft, als Essenz oder als ganze Knolle, die bei der Gärung oder zum Stopfen hinzugegeben wird. Bei diesen ungewöhnlichen Suden handelt es sich meist um limitierte Abfüllungen. Manche Brauereien legen ihr Rote Beete-Bier aber auch gern als Jahrgangsedition auf.

Fans der Brauerei Locher aus Appenzell in der Schweiz sehen etwa das 2,4-prozentige „Root Beer“ als eines ihrer jährlichen Highlights. Diese dunkelrote Spezialität, die es seit 2019 wiederkehrend in den kalten Monaten gibt, ist für den speziellen, sanft bitteren Geschmack bekannt, den sie durch den erweiterten Einsatz diverser Wurzelessenzen und Bitterorangen bei der Gärung erhält. Das lieblich schmeckende Biermischgetränk soll laut Herstellern hervorragend zu Pilz- oder Wildgerichten passen.

Für saisonale Speisen ist auch die Küche in Litauen bekannt. Eines der bekanntesten Gerichte ist „Saltibarščiai“, eine kalte Rote Beete-Suppe. So dachten sich die Macher der Brauerei Sakiškių alus aus Vilnius, diese traditionelle Speise in Form eines Bieres in die Flasche zu bringen. Das „Sour Beetroot Ale“ mit schlanken 3,5 Prozent Alkohol zeigt sich in einer tiefroten Farbe und präsentiert neben dem erdigen Aroma der Wurzel auch eine sanfte Zitrusnote. In die Sudkessel kam für den charakteristischen Geschmack jede Menge Rote Beete-Saft.

Wer es noch etwas spezieller wünscht, der findet einmal im Jahr im Portfolio der niederländischen Brauerei Nevel Wild Ales die Sorte „Aard“. Dabei handelt es sich um eine Mischung aus fassgereiften Golden Sours, versetzt mit roter Beete und hausgemachtem Kwas, einem slawischen, fermentiertem Brotgetränk, das zusätzlich noch mit Absinth aromatisiert wird. Die aktuelle Charge legt ein erdiges, leicht säuerliches und weinartiges Aroma vor, zu dem sich fruchtige Noten von roten Beeren gesellen.

Neben Nevel Wild Ales, Sakiškių alus und der Brauerei Locher wagten sich auch schon andere renommierte Craftbrauer an das rote Powerfood im Glas. So etwa die Mannschaft von Pühaste aus Estland, die eine knallrote Baltic Gose mit Roter Beete, Quitte und Meersalz namens „Beetbox“ auflegt. Auch Mikkeller aus Dänemark versuchte sich bereits an einem spontanvergorenen 7,7-prozentigen Sauerbier mit dem vitaminhaltigen Wintergemüse.

Inzwischen trauen sich aber auch deutsche Kreativbrauer an Biere mit Roter Beete. Die Brauerei Bunthaus aus Hamburg produzierte unlängst ein Saison mit Sternanis das mit der Trend-Rübe gestopft wurde. Bekannt für wilde Experimente ist auch Felix vom Endt von Orca Brau aus Nürnberg. In seiner Wildfang-Serie präsentierte er jüngst ein siebenprozentiges Wild Sour Saison, das eineinhalb Jahre im Tank reifte und durch Zugabe von Kirschen, Roter Beete und Meerrettich ein höchst ungewöhnliches Aromaspiel erzielte. Dem saisonalen Rübenwunder sind offensichtlich keine Grenzen gesetzt.

Erschienen in der letzten Ausgabe des Meininger’s CRAFT Magazins für Bierkultur.