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Mail an….Günther Thömmes zum Thema „öffentliche Degustationsnotizen“

Im Internet kursieren immer häufiger Diskussionen über die vielen Biertests von Bloggern. Sind die einen nicht zu unprofessionell, die anderen zu gefällig, andere vielleicht zu kritisch? – heißt es dort. Meine heutige Mail ging an den Bierexperten und Vordenker Günther Thömmes, auch bekannt als der „Bierzauberer“ aus Niederösterreich.

Foto: Thomas Strini

Mein Frage: Wie steht er als Braumeister und vielfältiger Hopfensaft-Genießer zu den vielfältigen Verkostungsnotizen im Internet steht?

Es ist derzeit sehr faszinierend zu beobachten, wie die Craftbier-Fans im deutschsprachigen Raum, seien es Blogger, Sommeliers oder „normale“ Bierfans, sprachlich und bewertungstechnisch in letzter Zeit einen Gang höher geschaltet haben. Waren es vor Monaten noch grobe Geschmacks- oder Gärfehler, die den Unmut der freiwilligen Tester erregt haben, so sind diese Biere inzwischen in einem „Bierdarwinistischen“ Ausleseprozess selektiert worden und weitgehend vom Markt verschwunden. Geblieben sind eine Menge guter, sehr guter, aber vor allem vielseitiger Biere. Biere mit eigenem Profil, die fast alle das m.E. wichtigste Kriterium guten Craftbiers erfüllen: Authentisch zu sein, mit Ecken, Kanten und einem eigenständigen, unverwechselbaren Profil. Dieses „erste Gebot“ wurde auch von Beginn an (im Sinne von: Beginn der Craftbier-Revolution hier bei uns) von allen relevanten Biertestern gefordert und unterstützt. Gerade durch diese Ecken und Kanten sollte ja die Abgrenzung von den, durch bierferne Marketingmenschen glattgeschliffenen, Mainstream-, Fernseh-, Industriebieren manifestiert werden. Der Charakter dieser Biere sollte an ihrer Unverwechselbarkeit festgemacht werden.So weit, so gut…

Doch im Moment habe ich den Eindruck, dass sich die Forderungen, Wünsche und Begehrlichkeiten der o.g. Biertester etwas geändert haben. Wann immer ich einen Blog, Test oder Artikel lese, in dem ein Bier getestet wird, finde ich Spuren von Kritik, die sich nicht mehr auf echte Bierfehler beziehen. Da ist immer mehr die Rede von „zu viel“, „zu wenig“, „unbalanciert“ oder ähnliches. Und zwar in Bezug auf genau die Geschmackskomponenten, die doch Anfangs so vehement gefordert wurden: Hopfen, Aromen, Bittere, Tannine, Ester, Fruchtnoten, Karbonisierung, Alkoholische Noten, Holz- und Barriqueflavour, undundund…

Ich sehe diese Detailkritik einerseits in der wachsenden Kenntnis der Tester begründet, die sich nicht mehr mit simplem Fehlern wie Diacetyl, Apothekengeschmack oder höheren Alkoholen abgeben und ihr frisch erworbenes Sensorik-Fachwissen auch bei den Biertests unter Beweis stellen wollen. Andererseits liegt in eben diesen immer ausschweifenderen Bewertungen mit peniblen, sensorischen Beobachtungen auch eine große Gefahr: Die Gefahr nämlich, dass die angesprochenen Brauer sich diese Bewertungen als Kritik so zu Herzen nehmen, dass sie anfangen könnten, ihre Biere eben dieser Ecken und Kanten zu berauben, um in den Biertests wieder mehr gelobt zu werden. Keine Versuche mehr anstellen möchten. Keine größeren Risiken mehr eingehen. Und das, ganz sicher, wäre der Anfang vom Ende! Dann wären wir mit dem Craftbier nämlich in einigen Jahren da, wo das Mainstreambier jetzt schon ist: Bei einem genormten, glattgeschliffenen Geschmack, der niemandem weh tut, der niemanden provoziert, den aber auch niemand so richtig geil findet.

Aber genau deswegen mag ich Biere mit Ecken und Kanten: Weil es geil ist!

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