„Pils braucht einen echten Imagewechsel“

Welche Konflikte gibt es, wenn Berliner Crafter ein Pils mit einem 230-jährigen Traditionsbetrieb gemeinsam brauen, der keine Erfahrung mit US-Hopfen und Kaltstopfung hat? Stefan Schröer von den „Superfreunden“ und Hubert Wagner vom fränkischen Wagner Bräu verraten, warum es bei den ersten Sud-Versuchen zu ernsthaften Komplikationen kam und wo der Unterschied zwischen Craft-Pils und Traditionspils liegt.

Interview im Sudhaus beim Wagner Bräu in Kemmern (v.l.: Hubert Wagner, Stefan Schröer, ich, Tobias Wagner und Marco Sgarra)

Es ist eher ungewöhnlich, dass eine fränkische Traditionsbrauerei ein modernes Pils mit Berliner/Hamburger Kreativ-Brauern produziert. Wie kam es überhaupt dazu?

Stefan Schröer: Der Kontakt kommt über das Brauhaus Binkert, bei dem wir ein paar unsere anderen Biere brauen. Es ist nur wenige Kilometer vom Wagner Bräu entfernt. Aber Hubert und sein Team gelten hier in der Region als echte Pils-Spezialisten.

Hubert Wagner: Es war schon echt ein cooles Gefühl, als die Superfreunde uns angefragt haben, ob wir ein Pils zusammen brauen wollen. Ich war da sofort Feuer und Flamme, auch wenn wir im Nachhinein ganz schön viel Lehrgeld bezahlen mussten.

Warum, was lief schief?

Hubert Wagner: Die Berliner wollten ein Pils mit ziemlich viel Hopfen, und der musste auch noch aus den USA kommen. Mit solchen speziellen Sorten habe ich zuvor noch nie gearbeitet. Auch das Stopfen war eine echte Herausforderung, da wir das mit unseren Bieren bisher noch nicht gemacht hatten. Bei den ersten Suden sind uns fast alle Leitungen bei der großen Menge an Hopfen verstopft, sodass wir einige Pumpen ausbauen und reinigen mussten. Nachdem wir aber viel rumprobiert hatten, lief irgendwann alles perfekt.  

Die Superfreunde sind keine gelernten Brauer, aber haben sich in der Craft-Szene bereits einen guten Namen gemacht, während das Team vom Wagner Bräu das traditionelle Handwerk beherrscht. Wer lernt hier eigentlich von wem?

Stefan Schröer: Wir setzen auf Transparenz und stehen auch dazu, dass wir keine ausgebildeten Brauer sind. Umso mehr schätzen wir es, dass wir mit echten Profis unser Pils entwickeln und produzieren können. Wir lernen gerne viel dazu und freuen uns auf jeden neuen Sud.

Hubert Wagner: Ich lerne von Stefan und Marco einiges über modernes Bier-Marketing. Es ist faszinierend, was die beiden da bewegen – auch bei Logistik und Vertrieb. Ich bin klassischer Bierbrauer und bewege mich immer nur zwischen Brauerei oder Gaststätte. Die beiden sind richtig gute und kreative Verkäufer. Wir dagegen haben unsere langjährigen Stammkunden, die zu uns kommen und sich ihre Kiste Bier häufig noch selbst abholen.

Stefan Schröer: Dieses regionale Kerngeschäft haben wir als Gypsy-Brauer dagegen nicht. Wir mussten von Anfang an auf breite Masse gehen und über die Kirchturmgrenzen hinaus verkaufen.  Das ist ein ganz anderes Business als bei Hubert.

Stefan, warum braut ihr ausgerechnet Pils? Das ist zwar das meistgetrunkene Bier in Deutschland, steht aber wegen seinem Einheitsgeschmack in der Kritik und gilt bei manchen Bier-Geeks sogar als Anti-Craft-Trunk.

Stefan Schröer: Wir als Superfreunde haben uns auf die Fahnen geschrieben, traditionelle deutsche Bierstile neu zu interpretieren und bringen nur Sorten auf den Markt, die uns selbst schmecken. Für uns war schon immer klar, dass irgendwann ein Pils auf der Agenda steht.

Solch klassische Bierstile verzeihen keine Fehler. Ist ein sauberes Pils im Portfolio auch für euch als Craft-Brauer ein Aushängeschild, um zu beweisen, dass ihr es draufhabt?

Stefan Schröer: Ich würde nie behaupten, dass wir es draufhaben, sonst würden wir uns mit fremden Lorbeeren schmücken. Gerade bei solchen Bieren, die keine Fehler verzeihen, schmeckt man schnell, wie viel Expertise dahintersteckt. Und genau deswegen sind wir hier bei Hubert.

Hubert Wagner: Und für uns ist es super, dass wir im Umfeld der Kreativ-Bier-Szene erwähnt werden und als Brauerei mit auf dem Etikett stehen. Das ist ein hoher Lohn für einen Regionalbrauer.

Aber wo seht ihr eigentlich den Unterschied zwischen Traditionspils und Craft-Pils? Das Handwerk ist doch prinzipiell bei beiden gleich. Geht es dabei also nur um den Hopfen?

Hubert Wagner: Ja, der große Unterschied ist tatsächlich der Hopfen und das Hopfenstopfen. In unserem fränkischen Pils, das irgendwo zwischen bayerischem Hellen und norddeutschen Pils liegt, setzen wir den Hopfen nur in der Vorderwürze ein. Das Verfahren hat schon mein Großvater so angewandt und überliefert. Bei den eingesetzten Hopfensorten handelt es sich also überwiegend um klassische Vertreter wie Spalter Select, Saphir und Tradition.

Stefan Schröer: In unserem Pils stecken dafür die amerikanischen Sorten Amarillo und Mosaic. Dennoch präsentiert sich unserer Pils mit urtypischen Pils-Charakter. Wir kombinieren also Tradition mit Moderne. Bei einem Craft-Pils ist die Preisstruktur allerdings ganz anders. Wir haben keine eigene Brauerei, sondern mieten uns beim Wagner Bräu, Brauhaus Binkert und dem CraftZentrum in Berlin ein. Deswegen haben wir viel höhere Braukosten, als jemand mit seiner eigenen Anlage. Auch die Logistik ist ein großer Kostenpunkt, die eine regionale Brauerei wie Wagner Bräu nur geringfügig hat, da viele Hektoliter direkt vom Hof weg verkauft werden und nicht deutschlandweit in die Läden müssen.

Viele Craft-Brauer hauchen gerade traditionellen Bierstilen wieder neues Leben ein. Braucht Pils einen Imagewechsel, um dem sinkenden Bierkonsum in Deutschland gegenzusteuern?

Hubert Wagner: Unbedingt! Da sich die großen Bierkonzerne irgendwann nur noch am Allerweltsgeschmack orientierten, ging die Wertschätzung vom Bier ziemlich stark zurück. Bier war plötzlich nur noch ein Industrieprodukt und die Verbraucher hier in der Region fingen an, nur noch auf den Preis zu schauen. Das wandelt sich gerade. Die Leute legen inzwischen wieder mehr Wert auf Regionalität und Qualität.

Dank der Craft-Bierbewegung, die bewirkte, dass die Leute sich wieder für Bier interessieren?

Hubert Wagner: Mit Sicherheit! Die Craft-Bierbewegung hat den Brauereien in der Region einen enormen Aufschwung beschert. Noch vor ein paar Jahren, haben die Betriebe hier meist nur gegeneinander gewirtschaftet, weil jeder Mitbewerber ums Überleben kämpfen musste. Jetzt ist das Brauereisterben bei uns so gut wie überstanden.

Craft-Bier-Kritiker behaupten, dass Kreativbiere hierzulande nur ein kurzlebiger Hype sind, der bald vorbei ist. Wie seht ihr das?

Stefan Schröer: Für mich ist Craft-Bier definitiv kein Hype. Vielmehr hat sich das Bewusstsein der Leute zum Bier definitiv verändert. Ich glaube nicht, dass es irgendwann einen Tag X geben wird, an dem man wieder zu alten Gewohnheiten übergeht.

Hubert Wagner: Ich denke, dass die Akzeptanz von hochwertigen Bieren in der Bevölkerung in den kommenden Jahren eher noch größer wird. Bier wird heute bewusster getrunken. Auch wenn einige Craft-Brauer ziemlich extreme Bier brauen, manchmal über das Ziel hinausschießen und das Reinheitsgebot kippen wollen, hat die neue Kreativ-Szene einen absolut positiven Einfluss auf den gesamten Markt.

Angeblich tun sich vor allem extreme Craft-Sude enorm schwer in der Gastronomie. Ist euer gemeinsames Kreativ-Pils als Eintrittskarte in die Restaurant-Szene gedacht?

Stefan Schröer: Ja, das würde ich schon so sehen. Mit Pils kann man die Gastronomie besser überzeugen, als mit einem extremen Hopfenhammer. Im Gegensatz zu IPA, Porter oder Stout müssen wir dem Wirt nicht erst erklären, was das für ein Bier ist, sondern nur verdeutlichen, warum es ein bisschen anders – und vielleicht sogar etwas besser – schmeckt. Wenn das funktioniert, dann lassen sich auch die anderen Sorten leichter nachschieben.

Wie kommt denn das Superfreunde-Pils in der Wagner Bräu Gaststätte an?

Hubert Wagner: Wenn unsere Stammgäste hören, dass da amerikanische Hopfensorten drin sind, dann wissen sie damit erst mal nichts anzufangen und rümpfen die Nase. Auch der Begriff Craft-Bier ist vielen Konsumenten in der Region noch völlig fremd und stößt eher auf Ablehnung. Aber wenn sie gut beraten werden und dann doch mal probieren, sind sie meist angetan.

Wird der Wagner Bräu dann vielleicht doch irgendwann ins Craft-Business einsteigen?

Hubert Wagner: Nein, ich denke eher nicht. Mein Sohn Tobias, der die Brauerei weiterführen wird, probiert mit einem befreundeten Braumeister aus der Nachbarbrauerei gerade unter der ausgelagerten Marke „Braurausch“ ein paar neue Sude aus. Aber Wagner Bräu steht für klassische Biere und das soll auch so bleiben. Außerdem glaube ich nicht, dass so ein Totenkopf auf dem Etikett, wie etwa bei den Superfreunden, bei unseren Kunden in der Region besonders gut ankommen würde…

Erschienen im Meiningers CRAFT Magazin für Bierkultur.

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